Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

jedem Tritt beleidigt wird, denn der mißverstandene Eifer pietistischer Secten
wird nicht müde, ""jenes Martergerüst und den daran leidenden Heiligen dem
Anblick der Sonne auszusetzen, die ihr Angesicht verbarg, als eine ruchlose Welt
ihr dies Schauspiel aufdrang."" So kamen wir auf unsrer Pilgerung auch nach
der Capelle äellir 8eg,1a 8irrt.u,, sogenannt wegen der dort befindlichen Stufen,
auf deuen einst Christus zu Pilatus gegangen sein soll. Dieselben wurden durch
das unaufhörliche Kuierutscheu gläubiger Büßer dermaßen ausgehöhlt, daß man
genöthigt war, diese Reliquie der Erhaltung willen mit Holz zu verkleiden. Allein
dies hindert den Aberglauben nicht, sein demüthigendes Schauspiel fortzusetzen, und
, wir sahen die wohlgekleidetsten Personen, ja sogar reichgeputzte Frauen den höl¬
zernen Bußweg mit vielen Beschwerden ans den Knien zurücklegen, obschon zu
beiden Seiten eine bequeme Treppe zur Capelle hinaufführt. --

Oben in der Capelle befindet sich ein verschlossener Altar, an dessen Gitter auf
einer Tahe! mit großen Buchstaben zu lesen steht: "/Xlturv prlvilvAi-rw w qui si Meru,
nu müiQii alvi purgÄtorw." "Also auch im Gotteshaus Privilegien, und noch dazu
so gefährliche!" rief Mr. Black. "Wird die unwissende Menge sich nicht ohne allen
Kampf der Versuchung einer sinnlichen Natur hingeben, wenn im frommen Hin¬
tergrund ein entsündigeuder Ablaß immer wieder seine Guadenhand entgegen¬
streckt?" -- Ohne ein Wort zu sprechen waren wir über das Capitol nach dem
Kolosseum gelaugt, und hatten auf einem der cpheuumschlungeneu Felögesteine,
gegenüber der Kanzel, wo alle Freitage ein Kapuzineruumch predigt, Platz genom¬
men. Es bleibt beim ersten Besuche immer eine frappante Erscheinung, in diesen
einst nur den Kampfspielen mit wilden Thieren gewidmeten Räumen das Zeichen
des heiligen Kreuzes ausgepflanzt, und einen vollständigen Passivnsweg mit
Kapellen angelegt zu sehen; allein diese Maßnahme gewinnt Erklärung und Recht¬
fertigung, wenn man bedenkt, daß eine solche heilige Aufstellung als das einzige
Mittel erschien, um diesen wunderbaren Ban vor gänzlicher Zerstörung zu 'bewah¬
rn. Und darum können wir es Benedict XlV. nur Dank wissen, wenn Derselbe
durch die Verwandlung des wilden Kampfplatzes in den heiligen Leidenspfad einer
rohen Vernichtungswuth Einhalt zu thun bemüht war. -- "In diesem Bilde,"
unterbrach endlich Mr. Black das lauge Schweigen, -- indem er auf das in
^inen Trümmern noch erhabene Denkmal hindeutete -- "in diesem Bilde erblicke
'es das Schicksal des Römischen Glaubens!"

"Wol sind .die schreiendsten Mißbräuche und Gewaltmaßregeln suspendirt,
"ber die Römische Kirchenpartei bleibt darum nicht weniger die heftigste Gegnerin alles
ästigen Fortschrittes; und so lange die Satzungen der katholischen Glaubenslehre
lvttbestehe", ist auch kein vollständiger Sieg der Freiheit zu gewärtigen!" --
sie, statt dnrch kräftigende Reformversuche den tödtlichen Schlag abzu¬
wenden, sich allein auf die Macht ihrer heiligen Waffe stützt, so wird sie im ni^


Grnizl'oder, >>I. >"!i>.

jedem Tritt beleidigt wird, denn der mißverstandene Eifer pietistischer Secten
wird nicht müde, „„jenes Martergerüst und den daran leidenden Heiligen dem
Anblick der Sonne auszusetzen, die ihr Angesicht verbarg, als eine ruchlose Welt
ihr dies Schauspiel aufdrang."" So kamen wir auf unsrer Pilgerung auch nach
der Capelle äellir 8eg,1a 8irrt.u,, sogenannt wegen der dort befindlichen Stufen,
auf deuen einst Christus zu Pilatus gegangen sein soll. Dieselben wurden durch
das unaufhörliche Kuierutscheu gläubiger Büßer dermaßen ausgehöhlt, daß man
genöthigt war, diese Reliquie der Erhaltung willen mit Holz zu verkleiden. Allein
dies hindert den Aberglauben nicht, sein demüthigendes Schauspiel fortzusetzen, und
, wir sahen die wohlgekleidetsten Personen, ja sogar reichgeputzte Frauen den höl¬
zernen Bußweg mit vielen Beschwerden ans den Knien zurücklegen, obschon zu
beiden Seiten eine bequeme Treppe zur Capelle hinaufführt. —

Oben in der Capelle befindet sich ein verschlossener Altar, an dessen Gitter auf
einer Tahe! mit großen Buchstaben zu lesen steht: „/Xlturv prlvilvAi-rw w qui si Meru,
nu müiQii alvi purgÄtorw." „Also auch im Gotteshaus Privilegien, und noch dazu
so gefährliche!" rief Mr. Black. „Wird die unwissende Menge sich nicht ohne allen
Kampf der Versuchung einer sinnlichen Natur hingeben, wenn im frommen Hin¬
tergrund ein entsündigeuder Ablaß immer wieder seine Guadenhand entgegen¬
streckt?" — Ohne ein Wort zu sprechen waren wir über das Capitol nach dem
Kolosseum gelaugt, und hatten auf einem der cpheuumschlungeneu Felögesteine,
gegenüber der Kanzel, wo alle Freitage ein Kapuzineruumch predigt, Platz genom¬
men. Es bleibt beim ersten Besuche immer eine frappante Erscheinung, in diesen
einst nur den Kampfspielen mit wilden Thieren gewidmeten Räumen das Zeichen
des heiligen Kreuzes ausgepflanzt, und einen vollständigen Passivnsweg mit
Kapellen angelegt zu sehen; allein diese Maßnahme gewinnt Erklärung und Recht¬
fertigung, wenn man bedenkt, daß eine solche heilige Aufstellung als das einzige
Mittel erschien, um diesen wunderbaren Ban vor gänzlicher Zerstörung zu 'bewah¬
rn. Und darum können wir es Benedict XlV. nur Dank wissen, wenn Derselbe
durch die Verwandlung des wilden Kampfplatzes in den heiligen Leidenspfad einer
rohen Vernichtungswuth Einhalt zu thun bemüht war. — „In diesem Bilde,"
unterbrach endlich Mr. Black das lauge Schweigen, — indem er auf das in
^inen Trümmern noch erhabene Denkmal hindeutete — „in diesem Bilde erblicke
'es das Schicksal des Römischen Glaubens!"

"Wol sind .die schreiendsten Mißbräuche und Gewaltmaßregeln suspendirt,
"ber die Römische Kirchenpartei bleibt darum nicht weniger die heftigste Gegnerin alles
ästigen Fortschrittes; und so lange die Satzungen der katholischen Glaubenslehre
lvttbestehe», ist auch kein vollständiger Sieg der Freiheit zu gewärtigen!" —
sie, statt dnrch kräftigende Reformversuche den tödtlichen Schlag abzu¬
wenden, sich allein auf die Macht ihrer heiligen Waffe stützt, so wird sie im ni^


Grnizl'oder, >>I. >»!i>.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280472"/>
          <p xml:id="ID_1014" prev="#ID_1013"> jedem Tritt beleidigt wird, denn der mißverstandene Eifer pietistischer Secten<lb/>
wird nicht müde, &#x201E;&#x201E;jenes Martergerüst und den daran leidenden Heiligen dem<lb/>
Anblick der Sonne auszusetzen, die ihr Angesicht verbarg, als eine ruchlose Welt<lb/>
ihr dies Schauspiel aufdrang."" So kamen wir auf unsrer Pilgerung auch nach<lb/>
der Capelle äellir 8eg,1a 8irrt.u,, sogenannt wegen der dort befindlichen Stufen,<lb/>
auf deuen einst Christus zu Pilatus gegangen sein soll. Dieselben wurden durch<lb/>
das unaufhörliche Kuierutscheu gläubiger Büßer dermaßen ausgehöhlt, daß man<lb/>
genöthigt war, diese Reliquie der Erhaltung willen mit Holz zu verkleiden. Allein<lb/>
dies hindert den Aberglauben nicht, sein demüthigendes Schauspiel fortzusetzen, und<lb/>
, wir sahen die wohlgekleidetsten Personen, ja sogar reichgeputzte Frauen den höl¬<lb/>
zernen Bußweg mit vielen Beschwerden ans den Knien zurücklegen, obschon zu<lb/>
beiden Seiten eine bequeme Treppe zur Capelle hinaufführt. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1015"> Oben in der Capelle befindet sich ein verschlossener Altar, an dessen Gitter auf<lb/>
einer Tahe! mit großen Buchstaben zu lesen steht: &#x201E;/Xlturv prlvilvAi-rw w qui si Meru,<lb/>
nu müiQii alvi purgÄtorw." &#x201E;Also auch im Gotteshaus Privilegien, und noch dazu<lb/>
so gefährliche!" rief Mr. Black. &#x201E;Wird die unwissende Menge sich nicht ohne allen<lb/>
Kampf der Versuchung einer sinnlichen Natur hingeben, wenn im frommen Hin¬<lb/>
tergrund ein entsündigeuder Ablaß immer wieder seine Guadenhand entgegen¬<lb/>
streckt?" &#x2014; Ohne ein Wort zu sprechen waren wir über das Capitol nach dem<lb/>
Kolosseum gelaugt, und hatten auf einem der cpheuumschlungeneu Felögesteine,<lb/>
gegenüber der Kanzel, wo alle Freitage ein Kapuzineruumch predigt, Platz genom¬<lb/>
men. Es bleibt beim ersten Besuche immer eine frappante Erscheinung, in diesen<lb/>
einst nur den Kampfspielen mit wilden Thieren gewidmeten Räumen das Zeichen<lb/>
des heiligen Kreuzes ausgepflanzt, und einen vollständigen Passivnsweg mit<lb/>
Kapellen angelegt zu sehen; allein diese Maßnahme gewinnt Erklärung und Recht¬<lb/>
fertigung, wenn man bedenkt, daß eine solche heilige Aufstellung als das einzige<lb/>
Mittel erschien, um diesen wunderbaren Ban vor gänzlicher Zerstörung zu 'bewah¬<lb/>
rn. Und darum können wir es Benedict XlV. nur Dank wissen, wenn Derselbe<lb/>
durch die Verwandlung des wilden Kampfplatzes in den heiligen Leidenspfad einer<lb/>
rohen Vernichtungswuth Einhalt zu thun bemüht war. &#x2014; &#x201E;In diesem Bilde,"<lb/>
unterbrach endlich Mr. Black das lauge Schweigen, &#x2014; indem er auf das in<lb/>
^inen Trümmern noch erhabene Denkmal hindeutete &#x2014; &#x201E;in diesem Bilde erblicke<lb/>
'es das Schicksal des Römischen Glaubens!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1016" next="#ID_1017"> "Wol sind .die schreiendsten Mißbräuche und Gewaltmaßregeln suspendirt,<lb/>
"ber die Römische Kirchenpartei bleibt darum nicht weniger die heftigste Gegnerin alles<lb/>
ästigen Fortschrittes; und so lange die Satzungen der katholischen Glaubenslehre<lb/>
lvttbestehe», ist auch kein vollständiger Sieg der Freiheit zu gewärtigen!" &#x2014;<lb/>
sie, statt dnrch kräftigende Reformversuche den tödtlichen Schlag abzu¬<lb/>
wenden, sich allein auf die Macht ihrer heiligen Waffe stützt, so wird sie im ni^</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grnizl'oder, &gt;&gt;I. &gt;»!i&gt;.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0385] jedem Tritt beleidigt wird, denn der mißverstandene Eifer pietistischer Secten wird nicht müde, „„jenes Martergerüst und den daran leidenden Heiligen dem Anblick der Sonne auszusetzen, die ihr Angesicht verbarg, als eine ruchlose Welt ihr dies Schauspiel aufdrang."" So kamen wir auf unsrer Pilgerung auch nach der Capelle äellir 8eg,1a 8irrt.u,, sogenannt wegen der dort befindlichen Stufen, auf deuen einst Christus zu Pilatus gegangen sein soll. Dieselben wurden durch das unaufhörliche Kuierutscheu gläubiger Büßer dermaßen ausgehöhlt, daß man genöthigt war, diese Reliquie der Erhaltung willen mit Holz zu verkleiden. Allein dies hindert den Aberglauben nicht, sein demüthigendes Schauspiel fortzusetzen, und , wir sahen die wohlgekleidetsten Personen, ja sogar reichgeputzte Frauen den höl¬ zernen Bußweg mit vielen Beschwerden ans den Knien zurücklegen, obschon zu beiden Seiten eine bequeme Treppe zur Capelle hinaufführt. — Oben in der Capelle befindet sich ein verschlossener Altar, an dessen Gitter auf einer Tahe! mit großen Buchstaben zu lesen steht: „/Xlturv prlvilvAi-rw w qui si Meru, nu müiQii alvi purgÄtorw." „Also auch im Gotteshaus Privilegien, und noch dazu so gefährliche!" rief Mr. Black. „Wird die unwissende Menge sich nicht ohne allen Kampf der Versuchung einer sinnlichen Natur hingeben, wenn im frommen Hin¬ tergrund ein entsündigeuder Ablaß immer wieder seine Guadenhand entgegen¬ streckt?" — Ohne ein Wort zu sprechen waren wir über das Capitol nach dem Kolosseum gelaugt, und hatten auf einem der cpheuumschlungeneu Felögesteine, gegenüber der Kanzel, wo alle Freitage ein Kapuzineruumch predigt, Platz genom¬ men. Es bleibt beim ersten Besuche immer eine frappante Erscheinung, in diesen einst nur den Kampfspielen mit wilden Thieren gewidmeten Räumen das Zeichen des heiligen Kreuzes ausgepflanzt, und einen vollständigen Passivnsweg mit Kapellen angelegt zu sehen; allein diese Maßnahme gewinnt Erklärung und Recht¬ fertigung, wenn man bedenkt, daß eine solche heilige Aufstellung als das einzige Mittel erschien, um diesen wunderbaren Ban vor gänzlicher Zerstörung zu 'bewah¬ rn. Und darum können wir es Benedict XlV. nur Dank wissen, wenn Derselbe durch die Verwandlung des wilden Kampfplatzes in den heiligen Leidenspfad einer rohen Vernichtungswuth Einhalt zu thun bemüht war. — „In diesem Bilde," unterbrach endlich Mr. Black das lauge Schweigen, — indem er auf das in ^inen Trümmern noch erhabene Denkmal hindeutete — „in diesem Bilde erblicke 'es das Schicksal des Römischen Glaubens!" "Wol sind .die schreiendsten Mißbräuche und Gewaltmaßregeln suspendirt, "ber die Römische Kirchenpartei bleibt darum nicht weniger die heftigste Gegnerin alles ästigen Fortschrittes; und so lange die Satzungen der katholischen Glaubenslehre lvttbestehe», ist auch kein vollständiger Sieg der Freiheit zu gewärtigen!" — sie, statt dnrch kräftigende Reformversuche den tödtlichen Schlag abzu¬ wenden, sich allein auf die Macht ihrer heiligen Waffe stützt, so wird sie im ni^ Grnizl'oder, >>I. >»!i>.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/385
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/385>, abgerufen am 04.07.2024.