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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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bald wieder beschämt hinwegwenden, als beim Weggehen zahlreiche Gruppen vor
der Bildsäule des heiligen Petrus sich sammelten, und die durch fortwährende Lip-
peuberühruug schon völlig abgenutzte Zehenspitze der bronzenen Statue ehrfurchts¬
voll abzuküssen begannen. -- Am nämlichen Tage, wo der katholische Klerus
zu Se. Peter seinen ganzen Aufwand von Pracht und Sinneublendnng, von pro¬
fanen Reichthümern und geweihten Schätzen in verschwenderischer Fülle vor unsren
erstaunten Angen vorübergleiten ließ, wohnten wir in den Nachmittagsstunden einer
protestantischen Andachtsübnng der hier lebenden Amerikaner bei, welche sich in
einem einfachen schmucklosen Zimmer versammelt hatten, um in stiller Erbauung
ihren Gott zu verehren. Ein Pastor, in schlichter Bürgcrkleidnng, hielt in Eng¬
lischer Sprache einen zu Geist und Herz sprechenden Vortrag über die Bibelstelle:
"Glorie sei Gott in der Hohe und Friede auf Erden". Durch keinerlei äußern
Zauber ward die Aufmerksamkeit der Zuhörer gestachelt, oder vor Erschlaffung
bewahrt; nirgends erblickte man einen Versuch, durch den Reiz der Sinne aus
das Herz zu wirken, und, die Andacht zu erhöhen, und dennoch war die
kleine Christengemeinde tief ergriffen und erbaut vou dem Geist der Rede,
der sich strahlend durch die Räume verbreitete. -- Mr. Black hatte einige Freunde
getroffen, und wir gingen uun zusammen nach dem Monte Pincio, dem Lieblings¬
spaziergänge der Römer, wo man eine der herrlichsten Aussichten aus Stadt und
Umgebung genießt. Es war gerade Sonnenuntergang, als wir auf die Terrasse
traten. Gleich einer goldenen Niesenmonstranz strahlte die große Feuerkugel
uoch einmal ihren ganzen Lichtsegen aus über die ewige Stadt, ehe sie versank!
Plötzlich ergriff Mr. Black die Hand eines jungen Amerikaners, mit dem er gerade
über die pomphafte Feierlichkeit in Se. Peter und das einfach-stille Bibelmeetiug
der protestantischen Brüder Vergleichungsweise in feurigem Gespräche stand, und
sagte in dem höchsten Grad begeisterter Aufregung: "Mochte der Tag erscheinen,
an dem ein protestantischer Pastor von der Kanzel der Peterskirche herab das
reine Gotteswort den freien Völkern der Erde verkündet!" --

"Sie scheinen mir ein^ Missionair, Mr. Black," fiel ich ihm in die Rede,
"und darum siud Sie auch so wenig tolerant!" Unglücklicher Weise kam bei diejen
Worten gerade eine schwarze Schaar junger Zöglinge der Propaganda^) an uns
vorüber. -- --

Trotz dieser Gesinnung war Mr. Black des künstlerisch-historische" Interesses
willen der eifrigste Kirchengänger, und kein religiöses Denkmal, vom majestätischen
Dome angefangen bis zur kleinsten Marieneapelle, blieb von ihm unbesucht oder
unbeachtet. Nur an den vielen rohen Schaustellungen der Leidensgeschichte ging
^r kalt und theilnahmlos vorüber, von denen der geläuterte Kunstsinn fast auf



"> Die berühmte Erziehungsanstalt für junge Geistliche aller Nationen zur Ausbreitn-'!;
des katholischen Glaubens, Am heiligen Dreiköntgötage findet hier alljährlich das g"'^
Sprachenfest statt, wo Vortrage in den Zunge" fast aller Völker der Nrde gehalten werde".

bald wieder beschämt hinwegwenden, als beim Weggehen zahlreiche Gruppen vor
der Bildsäule des heiligen Petrus sich sammelten, und die durch fortwährende Lip-
peuberühruug schon völlig abgenutzte Zehenspitze der bronzenen Statue ehrfurchts¬
voll abzuküssen begannen. — Am nämlichen Tage, wo der katholische Klerus
zu Se. Peter seinen ganzen Aufwand von Pracht und Sinneublendnng, von pro¬
fanen Reichthümern und geweihten Schätzen in verschwenderischer Fülle vor unsren
erstaunten Angen vorübergleiten ließ, wohnten wir in den Nachmittagsstunden einer
protestantischen Andachtsübnng der hier lebenden Amerikaner bei, welche sich in
einem einfachen schmucklosen Zimmer versammelt hatten, um in stiller Erbauung
ihren Gott zu verehren. Ein Pastor, in schlichter Bürgcrkleidnng, hielt in Eng¬
lischer Sprache einen zu Geist und Herz sprechenden Vortrag über die Bibelstelle:
„Glorie sei Gott in der Hohe und Friede auf Erden". Durch keinerlei äußern
Zauber ward die Aufmerksamkeit der Zuhörer gestachelt, oder vor Erschlaffung
bewahrt; nirgends erblickte man einen Versuch, durch den Reiz der Sinne aus
das Herz zu wirken, und, die Andacht zu erhöhen, und dennoch war die
kleine Christengemeinde tief ergriffen und erbaut vou dem Geist der Rede,
der sich strahlend durch die Räume verbreitete. — Mr. Black hatte einige Freunde
getroffen, und wir gingen uun zusammen nach dem Monte Pincio, dem Lieblings¬
spaziergänge der Römer, wo man eine der herrlichsten Aussichten aus Stadt und
Umgebung genießt. Es war gerade Sonnenuntergang, als wir auf die Terrasse
traten. Gleich einer goldenen Niesenmonstranz strahlte die große Feuerkugel
uoch einmal ihren ganzen Lichtsegen aus über die ewige Stadt, ehe sie versank!
Plötzlich ergriff Mr. Black die Hand eines jungen Amerikaners, mit dem er gerade
über die pomphafte Feierlichkeit in Se. Peter und das einfach-stille Bibelmeetiug
der protestantischen Brüder Vergleichungsweise in feurigem Gespräche stand, und
sagte in dem höchsten Grad begeisterter Aufregung: „Mochte der Tag erscheinen,
an dem ein protestantischer Pastor von der Kanzel der Peterskirche herab das
reine Gotteswort den freien Völkern der Erde verkündet!" —

„Sie scheinen mir ein^ Missionair, Mr. Black," fiel ich ihm in die Rede,
„und darum siud Sie auch so wenig tolerant!" Unglücklicher Weise kam bei diejen
Worten gerade eine schwarze Schaar junger Zöglinge der Propaganda^) an uns
vorüber. — —

Trotz dieser Gesinnung war Mr. Black des künstlerisch-historische» Interesses
willen der eifrigste Kirchengänger, und kein religiöses Denkmal, vom majestätischen
Dome angefangen bis zur kleinsten Marieneapelle, blieb von ihm unbesucht oder
unbeachtet. Nur an den vielen rohen Schaustellungen der Leidensgeschichte ging
^r kalt und theilnahmlos vorüber, von denen der geläuterte Kunstsinn fast auf



"> Die berühmte Erziehungsanstalt für junge Geistliche aller Nationen zur Ausbreitn-'!;
des katholischen Glaubens, Am heiligen Dreiköntgötage findet hier alljährlich das g"'^
Sprachenfest statt, wo Vortrage in den Zunge» fast aller Völker der Nrde gehalten werde».
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[0384] bald wieder beschämt hinwegwenden, als beim Weggehen zahlreiche Gruppen vor der Bildsäule des heiligen Petrus sich sammelten, und die durch fortwährende Lip- peuberühruug schon völlig abgenutzte Zehenspitze der bronzenen Statue ehrfurchts¬ voll abzuküssen begannen. — Am nämlichen Tage, wo der katholische Klerus zu Se. Peter seinen ganzen Aufwand von Pracht und Sinneublendnng, von pro¬ fanen Reichthümern und geweihten Schätzen in verschwenderischer Fülle vor unsren erstaunten Angen vorübergleiten ließ, wohnten wir in den Nachmittagsstunden einer protestantischen Andachtsübnng der hier lebenden Amerikaner bei, welche sich in einem einfachen schmucklosen Zimmer versammelt hatten, um in stiller Erbauung ihren Gott zu verehren. Ein Pastor, in schlichter Bürgcrkleidnng, hielt in Eng¬ lischer Sprache einen zu Geist und Herz sprechenden Vortrag über die Bibelstelle: „Glorie sei Gott in der Hohe und Friede auf Erden". Durch keinerlei äußern Zauber ward die Aufmerksamkeit der Zuhörer gestachelt, oder vor Erschlaffung bewahrt; nirgends erblickte man einen Versuch, durch den Reiz der Sinne aus das Herz zu wirken, und, die Andacht zu erhöhen, und dennoch war die kleine Christengemeinde tief ergriffen und erbaut vou dem Geist der Rede, der sich strahlend durch die Räume verbreitete. — Mr. Black hatte einige Freunde getroffen, und wir gingen uun zusammen nach dem Monte Pincio, dem Lieblings¬ spaziergänge der Römer, wo man eine der herrlichsten Aussichten aus Stadt und Umgebung genießt. Es war gerade Sonnenuntergang, als wir auf die Terrasse traten. Gleich einer goldenen Niesenmonstranz strahlte die große Feuerkugel uoch einmal ihren ganzen Lichtsegen aus über die ewige Stadt, ehe sie versank! Plötzlich ergriff Mr. Black die Hand eines jungen Amerikaners, mit dem er gerade über die pomphafte Feierlichkeit in Se. Peter und das einfach-stille Bibelmeetiug der protestantischen Brüder Vergleichungsweise in feurigem Gespräche stand, und sagte in dem höchsten Grad begeisterter Aufregung: „Mochte der Tag erscheinen, an dem ein protestantischer Pastor von der Kanzel der Peterskirche herab das reine Gotteswort den freien Völkern der Erde verkündet!" — „Sie scheinen mir ein^ Missionair, Mr. Black," fiel ich ihm in die Rede, „und darum siud Sie auch so wenig tolerant!" Unglücklicher Weise kam bei diejen Worten gerade eine schwarze Schaar junger Zöglinge der Propaganda^) an uns vorüber. — — Trotz dieser Gesinnung war Mr. Black des künstlerisch-historische» Interesses willen der eifrigste Kirchengänger, und kein religiöses Denkmal, vom majestätischen Dome angefangen bis zur kleinsten Marieneapelle, blieb von ihm unbesucht oder unbeachtet. Nur an den vielen rohen Schaustellungen der Leidensgeschichte ging ^r kalt und theilnahmlos vorüber, von denen der geläuterte Kunstsinn fast auf "> Die berühmte Erziehungsanstalt für junge Geistliche aller Nationen zur Ausbreitn-'!; des katholischen Glaubens, Am heiligen Dreiköntgötage findet hier alljährlich das g"'^ Sprachenfest statt, wo Vortrage in den Zunge» fast aller Völker der Nrde gehalten werde».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/384>, abgerufen am 04.07.2024.