Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und wo die Heiligkeit des Festes, die prachtvolle Ausschmückung der ganzen Kirche
und die Beleuchtungsvorkehrungen auf den Straßen, welche der Zug berührte,
mit Recht das Zuströmen einer großen Menschenmenge voraussagen ließ. Als
wir in die noch spärlich besuchte Kirche eintraten, deren einfach edler Styl ihre
Hauptzierde bildet, und ihr mehr den Charakter einer ehrwürdigen Säulenhalle
des Alterthums, als eines modernen buntgemalten Bethauses verleiht, fanden wir
die kolossalen Marmorsäulen mit rothen und weißen Draperien unschön verziert,
und die überreiche Kerzeuerlcuchtung der funkelnden Glaslnstre und der breiten
Gesimse gaben deu sonst so feierlich ernsten Räumen das heitere Ansehen eines
eleganten Ballsales. Allmählich füllten sich bis zur Hälfte die allerdings immensen
Hallen; die Anwesenden waren wieder größtentheils Fremde, viele bekannte Ge-
sichtszüge aus der Sixtinischen Capelle. Die päpstliche Leibgarde (früher guaräl"
t-iviea), kräftige, stattliche Gestalten, bildeten in langen Kolonnen die Spaliere.
Auf einem rothsammetnen, goldbetreßten Stuhle, unter einem prachtvollen Balda¬
chin trug man den auf seinem Wege die Christengemeinde segnenden Papst
mitten durch die Kirche bis zum Hochaltar. Das war für meinen Begleiter
ein neuer seltsamer Anblick, und der sonst so ruhige, in seinen Betrachtungen fast
verstummende Engländer machte hier zum ersten Mal seiner gedrängten Verwun-
derung durch Mittheilung Luft. -- Aber bald sollte ein uoch imposanteres Schau¬
spiel seine Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. -- Ein langer feierlicher Zug
von Mönchen ry:d Geistlichen mit Wachslichtern bewegte sich unter Vortragung
des Kreuzes zum Hochaltar, und in deren Mitte erschien, von Priestern im reich¬
sten Ornate getragen, unter einem Krystallstnrz, "die Bethlehemitische Wiege."
U Klunbino, it bambino, horte man sich von allen Seiten zulispeln, als man
die heilige Reliquie nahen sah. Nun fiel die ganze katholische Versammlung,
Volk und Soldaten, auf die Knie, bekreuzte sich und schlug ehrfurchtsvoll an die
Brust. Mr. Black flüsterte mir im Englischen die Worte: "Du sollst keine Götter
haben neben mir" ins Ohr, und schien sich gleich vielen seiner anwesenden pro¬
testantischen Genossen über die kniende Ehrsurchtsbezengnng gegen ein Stück
Holz und ein Wachskindlein über die Gebühr zu ärgern. Ich glaubte ihn nicht
besser, als durch die Bemerkung besänftigen zu können, wie vortheilhaft das
Niederknien der hochstämmigen Soldaten für die unbeschränktere Beschauung dieser
imposanten Scene sei. "Sie haben ganz Recht", erwiderte Mr. Black, "es ist
ein höchst imponirender Anblick für das Auge, aber ein schmerzlicher für die kalte
Vernunft."--Nach der Feierlichkeit kehrte der Papst im gleichen Prachtzuge
nach dem Palaste des Vaticans.zurück. "Und das ist der Nachfolger Desjenigen",
sagte Mr. Black, als wir die on clolw fontane hinabgingen, "der nicht wußte,
wo er sein Haupt hinlegen sollte!" ""Glanben Sie ja nicht," " erwiderte ich, ""^
aller dieser äußerlichen Pracht, die Sie hier gewissermaßen vorschriftmäßig ent-
faltet gesehen, daß l'in lion" in seinen häuslichen Lebensgewohnheiten irgen


und wo die Heiligkeit des Festes, die prachtvolle Ausschmückung der ganzen Kirche
und die Beleuchtungsvorkehrungen auf den Straßen, welche der Zug berührte,
mit Recht das Zuströmen einer großen Menschenmenge voraussagen ließ. Als
wir in die noch spärlich besuchte Kirche eintraten, deren einfach edler Styl ihre
Hauptzierde bildet, und ihr mehr den Charakter einer ehrwürdigen Säulenhalle
des Alterthums, als eines modernen buntgemalten Bethauses verleiht, fanden wir
die kolossalen Marmorsäulen mit rothen und weißen Draperien unschön verziert,
und die überreiche Kerzeuerlcuchtung der funkelnden Glaslnstre und der breiten
Gesimse gaben deu sonst so feierlich ernsten Räumen das heitere Ansehen eines
eleganten Ballsales. Allmählich füllten sich bis zur Hälfte die allerdings immensen
Hallen; die Anwesenden waren wieder größtentheils Fremde, viele bekannte Ge-
sichtszüge aus der Sixtinischen Capelle. Die päpstliche Leibgarde (früher guaräl»
t-iviea), kräftige, stattliche Gestalten, bildeten in langen Kolonnen die Spaliere.
Auf einem rothsammetnen, goldbetreßten Stuhle, unter einem prachtvollen Balda¬
chin trug man den auf seinem Wege die Christengemeinde segnenden Papst
mitten durch die Kirche bis zum Hochaltar. Das war für meinen Begleiter
ein neuer seltsamer Anblick, und der sonst so ruhige, in seinen Betrachtungen fast
verstummende Engländer machte hier zum ersten Mal seiner gedrängten Verwun-
derung durch Mittheilung Luft. — Aber bald sollte ein uoch imposanteres Schau¬
spiel seine Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. — Ein langer feierlicher Zug
von Mönchen ry:d Geistlichen mit Wachslichtern bewegte sich unter Vortragung
des Kreuzes zum Hochaltar, und in deren Mitte erschien, von Priestern im reich¬
sten Ornate getragen, unter einem Krystallstnrz, „die Bethlehemitische Wiege."
U Klunbino, it bambino, horte man sich von allen Seiten zulispeln, als man
die heilige Reliquie nahen sah. Nun fiel die ganze katholische Versammlung,
Volk und Soldaten, auf die Knie, bekreuzte sich und schlug ehrfurchtsvoll an die
Brust. Mr. Black flüsterte mir im Englischen die Worte: „Du sollst keine Götter
haben neben mir" ins Ohr, und schien sich gleich vielen seiner anwesenden pro¬
testantischen Genossen über die kniende Ehrsurchtsbezengnng gegen ein Stück
Holz und ein Wachskindlein über die Gebühr zu ärgern. Ich glaubte ihn nicht
besser, als durch die Bemerkung besänftigen zu können, wie vortheilhaft das
Niederknien der hochstämmigen Soldaten für die unbeschränktere Beschauung dieser
imposanten Scene sei. „Sie haben ganz Recht", erwiderte Mr. Black, „es ist
ein höchst imponirender Anblick für das Auge, aber ein schmerzlicher für die kalte
Vernunft."--Nach der Feierlichkeit kehrte der Papst im gleichen Prachtzuge
nach dem Palaste des Vaticans.zurück. „Und das ist der Nachfolger Desjenigen",
sagte Mr. Black, als wir die on clolw fontane hinabgingen, „der nicht wußte,
wo er sein Haupt hinlegen sollte!" „„Glanben Sie ja nicht," " erwiderte ich, „„^
aller dieser äußerlichen Pracht, die Sie hier gewissermaßen vorschriftmäßig ent-
faltet gesehen, daß l'in lion» in seinen häuslichen Lebensgewohnheiten irgen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0382" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280469"/>
          <p xml:id="ID_1006" prev="#ID_1005" next="#ID_1007"> und wo die Heiligkeit des Festes, die prachtvolle Ausschmückung der ganzen Kirche<lb/>
und die Beleuchtungsvorkehrungen auf den Straßen, welche der Zug berührte,<lb/>
mit Recht das Zuströmen einer großen Menschenmenge voraussagen ließ. Als<lb/>
wir in die noch spärlich besuchte Kirche eintraten, deren einfach edler Styl ihre<lb/>
Hauptzierde bildet, und ihr mehr den Charakter einer ehrwürdigen Säulenhalle<lb/>
des Alterthums, als eines modernen buntgemalten Bethauses verleiht, fanden wir<lb/>
die kolossalen Marmorsäulen mit rothen und weißen Draperien unschön verziert,<lb/>
und die überreiche Kerzeuerlcuchtung der funkelnden Glaslnstre und der breiten<lb/>
Gesimse gaben deu sonst so feierlich ernsten Räumen das heitere Ansehen eines<lb/>
eleganten Ballsales. Allmählich füllten sich bis zur Hälfte die allerdings immensen<lb/>
Hallen; die Anwesenden waren wieder größtentheils Fremde, viele bekannte Ge-<lb/>
sichtszüge aus der Sixtinischen Capelle. Die päpstliche Leibgarde (früher guaräl»<lb/>
t-iviea), kräftige, stattliche Gestalten, bildeten in langen Kolonnen die Spaliere.<lb/>
Auf einem rothsammetnen, goldbetreßten Stuhle, unter einem prachtvollen Balda¬<lb/>
chin trug man den auf seinem Wege die Christengemeinde segnenden Papst<lb/>
mitten durch die Kirche bis zum Hochaltar. Das war für meinen Begleiter<lb/>
ein neuer seltsamer Anblick, und der sonst so ruhige, in seinen Betrachtungen fast<lb/>
verstummende Engländer machte hier zum ersten Mal seiner gedrängten Verwun-<lb/>
derung durch Mittheilung Luft. &#x2014; Aber bald sollte ein uoch imposanteres Schau¬<lb/>
spiel seine Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. &#x2014; Ein langer feierlicher Zug<lb/>
von Mönchen ry:d Geistlichen mit Wachslichtern bewegte sich unter Vortragung<lb/>
des Kreuzes zum Hochaltar, und in deren Mitte erschien, von Priestern im reich¬<lb/>
sten Ornate getragen, unter einem Krystallstnrz, &#x201E;die Bethlehemitische Wiege."<lb/>
U Klunbino, it bambino, horte man sich von allen Seiten zulispeln, als man<lb/>
die heilige Reliquie nahen sah. Nun fiel die ganze katholische Versammlung,<lb/>
Volk und Soldaten, auf die Knie, bekreuzte sich und schlug ehrfurchtsvoll an die<lb/>
Brust. Mr. Black flüsterte mir im Englischen die Worte: &#x201E;Du sollst keine Götter<lb/>
haben neben mir" ins Ohr, und schien sich gleich vielen seiner anwesenden pro¬<lb/>
testantischen Genossen über die kniende Ehrsurchtsbezengnng gegen ein Stück<lb/>
Holz und ein Wachskindlein über die Gebühr zu ärgern. Ich glaubte ihn nicht<lb/>
besser, als durch die Bemerkung besänftigen zu können, wie vortheilhaft das<lb/>
Niederknien der hochstämmigen Soldaten für die unbeschränktere Beschauung dieser<lb/>
imposanten Scene sei. &#x201E;Sie haben ganz Recht", erwiderte Mr. Black, &#x201E;es ist<lb/>
ein höchst imponirender Anblick für das Auge, aber ein schmerzlicher für die kalte<lb/>
Vernunft."--Nach der Feierlichkeit kehrte der Papst im gleichen Prachtzuge<lb/>
nach dem Palaste des Vaticans.zurück. &#x201E;Und das ist der Nachfolger Desjenigen",<lb/>
sagte Mr. Black, als wir die on clolw fontane hinabgingen, &#x201E;der nicht wußte,<lb/>
wo er sein Haupt hinlegen sollte!" &#x201E;&#x201E;Glanben Sie ja nicht," " erwiderte ich, &#x201E;&#x201E;^<lb/>
aller dieser äußerlichen Pracht, die Sie hier gewissermaßen vorschriftmäßig ent-<lb/>
faltet gesehen, daß l'in lion» in seinen häuslichen Lebensgewohnheiten irgen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0382] und wo die Heiligkeit des Festes, die prachtvolle Ausschmückung der ganzen Kirche und die Beleuchtungsvorkehrungen auf den Straßen, welche der Zug berührte, mit Recht das Zuströmen einer großen Menschenmenge voraussagen ließ. Als wir in die noch spärlich besuchte Kirche eintraten, deren einfach edler Styl ihre Hauptzierde bildet, und ihr mehr den Charakter einer ehrwürdigen Säulenhalle des Alterthums, als eines modernen buntgemalten Bethauses verleiht, fanden wir die kolossalen Marmorsäulen mit rothen und weißen Draperien unschön verziert, und die überreiche Kerzeuerlcuchtung der funkelnden Glaslnstre und der breiten Gesimse gaben deu sonst so feierlich ernsten Räumen das heitere Ansehen eines eleganten Ballsales. Allmählich füllten sich bis zur Hälfte die allerdings immensen Hallen; die Anwesenden waren wieder größtentheils Fremde, viele bekannte Ge- sichtszüge aus der Sixtinischen Capelle. Die päpstliche Leibgarde (früher guaräl» t-iviea), kräftige, stattliche Gestalten, bildeten in langen Kolonnen die Spaliere. Auf einem rothsammetnen, goldbetreßten Stuhle, unter einem prachtvollen Balda¬ chin trug man den auf seinem Wege die Christengemeinde segnenden Papst mitten durch die Kirche bis zum Hochaltar. Das war für meinen Begleiter ein neuer seltsamer Anblick, und der sonst so ruhige, in seinen Betrachtungen fast verstummende Engländer machte hier zum ersten Mal seiner gedrängten Verwun- derung durch Mittheilung Luft. — Aber bald sollte ein uoch imposanteres Schau¬ spiel seine Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. — Ein langer feierlicher Zug von Mönchen ry:d Geistlichen mit Wachslichtern bewegte sich unter Vortragung des Kreuzes zum Hochaltar, und in deren Mitte erschien, von Priestern im reich¬ sten Ornate getragen, unter einem Krystallstnrz, „die Bethlehemitische Wiege." U Klunbino, it bambino, horte man sich von allen Seiten zulispeln, als man die heilige Reliquie nahen sah. Nun fiel die ganze katholische Versammlung, Volk und Soldaten, auf die Knie, bekreuzte sich und schlug ehrfurchtsvoll an die Brust. Mr. Black flüsterte mir im Englischen die Worte: „Du sollst keine Götter haben neben mir" ins Ohr, und schien sich gleich vielen seiner anwesenden pro¬ testantischen Genossen über die kniende Ehrsurchtsbezengnng gegen ein Stück Holz und ein Wachskindlein über die Gebühr zu ärgern. Ich glaubte ihn nicht besser, als durch die Bemerkung besänftigen zu können, wie vortheilhaft das Niederknien der hochstämmigen Soldaten für die unbeschränktere Beschauung dieser imposanten Scene sei. „Sie haben ganz Recht", erwiderte Mr. Black, „es ist ein höchst imponirender Anblick für das Auge, aber ein schmerzlicher für die kalte Vernunft."--Nach der Feierlichkeit kehrte der Papst im gleichen Prachtzuge nach dem Palaste des Vaticans.zurück. „Und das ist der Nachfolger Desjenigen", sagte Mr. Black, als wir die on clolw fontane hinabgingen, „der nicht wußte, wo er sein Haupt hinlegen sollte!" „„Glanben Sie ja nicht," " erwiderte ich, „„^ aller dieser äußerlichen Pracht, die Sie hier gewissermaßen vorschriftmäßig ent- faltet gesehen, daß l'in lion» in seinen häuslichen Lebensgewohnheiten irgen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/382
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/382>, abgerufen am 04.07.2024.