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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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mcrksamkeit zuwenden konnte, sondern er lehrte mich überdies die interessantesten
Persönlichkeiten, wie Lambruschini, Alticri, Feretti sBrudcr des Papstes), Antonelli,
bei deren Erscheinen kennen. -- Der Papst kam aus der kleinen Pforte rechts
hinter dem Altar mit zahlreichem, geistlichem Gefolge, und nahm seinen Sitz unter
dem Baldachin zur Linken. In seinem feinen, scharfgeschnittenen Gesicht hatten
dunkle Falten die Geschichte der letzten Jahre gezeichnet, und so viel Trauer und
Wehmuth lag in seinem Wesen, daß seine Erscheinung auf die ganze Versamm¬
lung einen rührend erhabenen Eindruck hervorbrachte. Der Beobachter aber
dürfte in l'lo Mna's Persönlichkeit gar manche Erklärung für die Römische Re¬
volution finden, denn nicht nur der höchste Edelsinn und das reinste Wohlwollen
sprachen ans seinen sanften Zügen, sondern auch weibliche Schwäche und eine mehr
zum Beglücken, wie zum Beherrsche" geborene Seele. Die Function begann mit dem
Kusse des Fischcrrings durch die Cardinäle und des Pantoffels durch die übrige
Geistlichkeit. -- Nach dem Evangelium hielt ein Franziscaner-Mönch von seinem
Platze weg mit sichtbarem Stolze über diese Auszeichnung eine kräftige Predigt
in Lade-irischer Sprache; doch kam er leider dnrch seine begeistert-heftigen Gesten
allzu oft mit dem rothen Käppchen eines vor ihm sitzenden Kardinals in störende
Berührung. -- Der producirende Sängerchor war für die Heimat!) der Musik
höchst mittelmäßig,und verhinderte vielmehr die Audacht, statt zu ihrer Erhöhung
beizutragen. Mit dem allgemeinen Segen endete die Festlichkeit, welche mehr
der künstlerischen Auffassung, als der Erbauung feierlich-imposante Momente dar¬
bot. Doch die interessanteste Wahrnehmung lag außer der Function. Es war
die überwiegende Anzahl protestantischer Engländer und Engländerinnen, welche
das fromme Auditorium in des Papstes Hauscapelle bildeten! Mehr als zwei
Drittheile der Anwesenden waren solche Fremde, die an der ganzen Ceremonie
blos den Antheil zu befriedigender Neugierde nahmen, während nur ein kleiner Nest
aus jenen gläubigen Zuhörern bestand, denen man an Mienen und Benehmen
""sah, daß sie ein ausschließlich religiöses Interesse in diese heiligen Räume zog.
Ohne Fremdenbesuch wäre die Kapelle wol zur Hälfte leer geblieben. Da aber
i" vvrschriftmäßiger Toilette der Zutritt Jedermann ohne Ausnahme gestattet ist,
woher kommt diese Theilnahmlosigkeit, dieser lässige Besuch der Römischen Bevöl¬
kerung in so heiliger Zeit? -- Am Weihnachtsabend machten wir uns'recht früh¬
zeitig nach der Patriarchalkirche Santa Maria Maggiore auf den Weg, in welcher
der Papst in der siebenten Abendstunde die erste Weihnachtsniesse '"') celebrirte,




Bei den Functionen des Papstes ist Orgel- oder Instrumentalbegleitung außer Sitte.
">>d wird der musikalische Theil blos von einem Sängerchor ausgeführt. - Auch bei dieser
Gelegenheit bestätigte sich die Erfahrung, basi, so wie man nirgends Mcchteru Champagner
M"le, als in Frankreich, man auch nirgends minder vorzügliche Sänger hört als gerade in
Italien! --
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mcrksamkeit zuwenden konnte, sondern er lehrte mich überdies die interessantesten
Persönlichkeiten, wie Lambruschini, Alticri, Feretti sBrudcr des Papstes), Antonelli,
bei deren Erscheinen kennen. — Der Papst kam aus der kleinen Pforte rechts
hinter dem Altar mit zahlreichem, geistlichem Gefolge, und nahm seinen Sitz unter
dem Baldachin zur Linken. In seinem feinen, scharfgeschnittenen Gesicht hatten
dunkle Falten die Geschichte der letzten Jahre gezeichnet, und so viel Trauer und
Wehmuth lag in seinem Wesen, daß seine Erscheinung auf die ganze Versamm¬
lung einen rührend erhabenen Eindruck hervorbrachte. Der Beobachter aber
dürfte in l'lo Mna's Persönlichkeit gar manche Erklärung für die Römische Re¬
volution finden, denn nicht nur der höchste Edelsinn und das reinste Wohlwollen
sprachen ans seinen sanften Zügen, sondern auch weibliche Schwäche und eine mehr
zum Beglücken, wie zum Beherrsche» geborene Seele. Die Function begann mit dem
Kusse des Fischcrrings durch die Cardinäle und des Pantoffels durch die übrige
Geistlichkeit. — Nach dem Evangelium hielt ein Franziscaner-Mönch von seinem
Platze weg mit sichtbarem Stolze über diese Auszeichnung eine kräftige Predigt
in Lade-irischer Sprache; doch kam er leider dnrch seine begeistert-heftigen Gesten
allzu oft mit dem rothen Käppchen eines vor ihm sitzenden Kardinals in störende
Berührung. — Der producirende Sängerchor war für die Heimat!) der Musik
höchst mittelmäßig,und verhinderte vielmehr die Audacht, statt zu ihrer Erhöhung
beizutragen. Mit dem allgemeinen Segen endete die Festlichkeit, welche mehr
der künstlerischen Auffassung, als der Erbauung feierlich-imposante Momente dar¬
bot. Doch die interessanteste Wahrnehmung lag außer der Function. Es war
die überwiegende Anzahl protestantischer Engländer und Engländerinnen, welche
das fromme Auditorium in des Papstes Hauscapelle bildeten! Mehr als zwei
Drittheile der Anwesenden waren solche Fremde, die an der ganzen Ceremonie
blos den Antheil zu befriedigender Neugierde nahmen, während nur ein kleiner Nest
aus jenen gläubigen Zuhörern bestand, denen man an Mienen und Benehmen
""sah, daß sie ein ausschließlich religiöses Interesse in diese heiligen Räume zog.
Ohne Fremdenbesuch wäre die Kapelle wol zur Hälfte leer geblieben. Da aber
i» vvrschriftmäßiger Toilette der Zutritt Jedermann ohne Ausnahme gestattet ist,
woher kommt diese Theilnahmlosigkeit, dieser lässige Besuch der Römischen Bevöl¬
kerung in so heiliger Zeit? — Am Weihnachtsabend machten wir uns'recht früh¬
zeitig nach der Patriarchalkirche Santa Maria Maggiore auf den Weg, in welcher
der Papst in der siebenten Abendstunde die erste Weihnachtsniesse '"') celebrirte,




Bei den Functionen des Papstes ist Orgel- oder Instrumentalbegleitung außer Sitte.
">>d wird der musikalische Theil blos von einem Sängerchor ausgeführt. - Auch bei dieser
Gelegenheit bestätigte sich die Erfahrung, basi, so wie man nirgends Mcchteru Champagner
M"le, als in Frankreich, man auch nirgends minder vorzügliche Sänger hört als gerade in
Italien! —
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/381>, abgerufen am 04.07.2024.