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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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ßischcn Grenadiermützen gleicht, ans dem Kopfe balancirt. Feurige schwarze
Augen blitzen in den gelben Gesichtern, deren Schnitt fein und regelmäßig ist,
wenn ihnen auch die Frische fehlt, und Frauen von 30 Jahren oft schon völlig
gealtert sind, und dann, besonders in den untern Stände", vor Schmuz einen
ekelerregenden Anblick gewähren. Solche eigenthümlich geputzte Jüdinnen sieht
man jetzt übrigens selten, da die meisten sich immer mehr zu französtren anfan¬
gen. Auch unter den jüngern jüdischen Herren sieht man viele elegante Mode¬
gecken, die sich durch Nichts von ihren Genossen in Marseille oder Frankfurt unter¬
scheiden! Die ältern Männer haben noch vielfach ihren Kaftan, oft von schwerem
Seidenstoff reich mit Pelz besetzt, beibehalten. Die hansircnden Schacherer gleichen
in ihrer äußern Erscheinung unsern Polnischen Juden unterster Klasse. Statt
der dunklen Kaftane und Mützen der Polen tragen ihre Brüder in Algier Gelb,
Roth, Blan, überhaupt recht schreiende grell zusammengestellte Farben.

Um all dies Gedränge so vieler geschäftiger Menschen noch zu vermehren,
kommt noch die Sitte vieler einheimischer Handwerker hiuz", ihre Werkstatt im
Freien aufzuschlagen. Der Schuster stellt seinen Werkstnhl vor die Thür seines
Hauses, der Gvldsticker, ein in Algerien sehr verbreitetes Gewerbe, stickt, auf der
Schwelle seiner Thür mit untergeschlagenen Beinen setzend, auf dem gelben Saf¬
fian oder purpurnen Sammet die zierlichsten Arabesken,. In den Gegenden des
Hafendamms wimmelt es, außer dieser einheimischen buutartigen Bevölkerung, auch
noch von Matrosen aller Länder. Der vierschrötige Engländer, wankend von
dem vielen Genuß des Grogs, erwidert den Stoß eines Arabischen Lastträgers
mit einem kräftigen "^oäöam", der Pommer oder Mecklenburger, der Hans oder
Tannenholz Hieher geführt hat, flucht sein "Hvahl Dir der Düwel" ganz wie zu
Hause, dem Italiener zu, der ihm mit dem gutgemeinten "mal^acti." l,ca<zsos>"
erwidert, der Navarrese oder Cattaloue ist mit seinem "ein'i'i^u" nicht faul,
während der phlegmatische Holländer sich kaum die Mühe nimmt, die breiten Lippen
zu einem langsamen "blvx<zu" zu öffnen. Es giebt wohl in ganz Europa keine
Sprache, von der man uicht hier und da an dem Hafendamm von Algerien einige
Worte vernimmt, obgleich sonst die Franzosen, Spanier und Italiener unter den
fremden Matrosen die größte Mehrzahl bilden.

In den Straßen, die nahe an den Casernen liegen, sieht man weniger Ein¬
geborene, als besonders viele Französische Soldaten aller Waffengattungen und
Grade. Jnfanteristen der Linie und leichte" Regimenter, Soldaten der "l'Kaf-
"Kur" Mas"-Bataillone, Reiter der "otmsskur" ä'^trique"-Regimenter in ihren
lichtblauen Litewken, Spahis mit ihren weiten weißen Burnussen, Zuaven und
ihren gelben hohen Lederstrümpfen, treiben sich hier im bunten Gemisch durch
einander; Trommelschlag und Hörnerklang hört man hier oft; der taktmMge
Schritt marschirender-Truppenmassen schallt ans der Ferne; das Pflaster dröhnt
unter dem Hufschlag der Rosse eilig daher sprengender Adjutanten. In semen


ßischcn Grenadiermützen gleicht, ans dem Kopfe balancirt. Feurige schwarze
Augen blitzen in den gelben Gesichtern, deren Schnitt fein und regelmäßig ist,
wenn ihnen auch die Frische fehlt, und Frauen von 30 Jahren oft schon völlig
gealtert sind, und dann, besonders in den untern Stände», vor Schmuz einen
ekelerregenden Anblick gewähren. Solche eigenthümlich geputzte Jüdinnen sieht
man jetzt übrigens selten, da die meisten sich immer mehr zu französtren anfan¬
gen. Auch unter den jüngern jüdischen Herren sieht man viele elegante Mode¬
gecken, die sich durch Nichts von ihren Genossen in Marseille oder Frankfurt unter¬
scheiden! Die ältern Männer haben noch vielfach ihren Kaftan, oft von schwerem
Seidenstoff reich mit Pelz besetzt, beibehalten. Die hansircnden Schacherer gleichen
in ihrer äußern Erscheinung unsern Polnischen Juden unterster Klasse. Statt
der dunklen Kaftane und Mützen der Polen tragen ihre Brüder in Algier Gelb,
Roth, Blan, überhaupt recht schreiende grell zusammengestellte Farben.

Um all dies Gedränge so vieler geschäftiger Menschen noch zu vermehren,
kommt noch die Sitte vieler einheimischer Handwerker hiuz», ihre Werkstatt im
Freien aufzuschlagen. Der Schuster stellt seinen Werkstnhl vor die Thür seines
Hauses, der Gvldsticker, ein in Algerien sehr verbreitetes Gewerbe, stickt, auf der
Schwelle seiner Thür mit untergeschlagenen Beinen setzend, auf dem gelben Saf¬
fian oder purpurnen Sammet die zierlichsten Arabesken,. In den Gegenden des
Hafendamms wimmelt es, außer dieser einheimischen buutartigen Bevölkerung, auch
noch von Matrosen aller Länder. Der vierschrötige Engländer, wankend von
dem vielen Genuß des Grogs, erwidert den Stoß eines Arabischen Lastträgers
mit einem kräftigen „^oäöam", der Pommer oder Mecklenburger, der Hans oder
Tannenholz Hieher geführt hat, flucht sein „Hvahl Dir der Düwel" ganz wie zu
Hause, dem Italiener zu, der ihm mit dem gutgemeinten „mal^acti.« l,ca<zsos>"
erwidert, der Navarrese oder Cattaloue ist mit seinem „ein'i'i^u" nicht faul,
während der phlegmatische Holländer sich kaum die Mühe nimmt, die breiten Lippen
zu einem langsamen „blvx<zu" zu öffnen. Es giebt wohl in ganz Europa keine
Sprache, von der man uicht hier und da an dem Hafendamm von Algerien einige
Worte vernimmt, obgleich sonst die Franzosen, Spanier und Italiener unter den
fremden Matrosen die größte Mehrzahl bilden.

In den Straßen, die nahe an den Casernen liegen, sieht man weniger Ein¬
geborene, als besonders viele Französische Soldaten aller Waffengattungen und
Grade. Jnfanteristen der Linie und leichte» Regimenter, Soldaten der „l'Kaf-
«Kur» Mas"-Bataillone, Reiter der „otmsskur« ä'^trique"-Regimenter in ihren
lichtblauen Litewken, Spahis mit ihren weiten weißen Burnussen, Zuaven und
ihren gelben hohen Lederstrümpfen, treiben sich hier im bunten Gemisch durch
einander; Trommelschlag und Hörnerklang hört man hier oft; der taktmMge
Schritt marschirender-Truppenmassen schallt ans der Ferne; das Pflaster dröhnt
unter dem Hufschlag der Rosse eilig daher sprengender Adjutanten. In semen


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[0374] ßischcn Grenadiermützen gleicht, ans dem Kopfe balancirt. Feurige schwarze Augen blitzen in den gelben Gesichtern, deren Schnitt fein und regelmäßig ist, wenn ihnen auch die Frische fehlt, und Frauen von 30 Jahren oft schon völlig gealtert sind, und dann, besonders in den untern Stände», vor Schmuz einen ekelerregenden Anblick gewähren. Solche eigenthümlich geputzte Jüdinnen sieht man jetzt übrigens selten, da die meisten sich immer mehr zu französtren anfan¬ gen. Auch unter den jüngern jüdischen Herren sieht man viele elegante Mode¬ gecken, die sich durch Nichts von ihren Genossen in Marseille oder Frankfurt unter¬ scheiden! Die ältern Männer haben noch vielfach ihren Kaftan, oft von schwerem Seidenstoff reich mit Pelz besetzt, beibehalten. Die hansircnden Schacherer gleichen in ihrer äußern Erscheinung unsern Polnischen Juden unterster Klasse. Statt der dunklen Kaftane und Mützen der Polen tragen ihre Brüder in Algier Gelb, Roth, Blan, überhaupt recht schreiende grell zusammengestellte Farben. Um all dies Gedränge so vieler geschäftiger Menschen noch zu vermehren, kommt noch die Sitte vieler einheimischer Handwerker hiuz», ihre Werkstatt im Freien aufzuschlagen. Der Schuster stellt seinen Werkstnhl vor die Thür seines Hauses, der Gvldsticker, ein in Algerien sehr verbreitetes Gewerbe, stickt, auf der Schwelle seiner Thür mit untergeschlagenen Beinen setzend, auf dem gelben Saf¬ fian oder purpurnen Sammet die zierlichsten Arabesken,. In den Gegenden des Hafendamms wimmelt es, außer dieser einheimischen buutartigen Bevölkerung, auch noch von Matrosen aller Länder. Der vierschrötige Engländer, wankend von dem vielen Genuß des Grogs, erwidert den Stoß eines Arabischen Lastträgers mit einem kräftigen „^oäöam", der Pommer oder Mecklenburger, der Hans oder Tannenholz Hieher geführt hat, flucht sein „Hvahl Dir der Düwel" ganz wie zu Hause, dem Italiener zu, der ihm mit dem gutgemeinten „mal^acti.« l,ca<zsos>" erwidert, der Navarrese oder Cattaloue ist mit seinem „ein'i'i^u" nicht faul, während der phlegmatische Holländer sich kaum die Mühe nimmt, die breiten Lippen zu einem langsamen „blvx<zu" zu öffnen. Es giebt wohl in ganz Europa keine Sprache, von der man uicht hier und da an dem Hafendamm von Algerien einige Worte vernimmt, obgleich sonst die Franzosen, Spanier und Italiener unter den fremden Matrosen die größte Mehrzahl bilden. In den Straßen, die nahe an den Casernen liegen, sieht man weniger Ein¬ geborene, als besonders viele Französische Soldaten aller Waffengattungen und Grade. Jnfanteristen der Linie und leichte» Regimenter, Soldaten der „l'Kaf- «Kur» Mas"-Bataillone, Reiter der „otmsskur« ä'^trique"-Regimenter in ihren lichtblauen Litewken, Spahis mit ihren weiten weißen Burnussen, Zuaven und ihren gelben hohen Lederstrümpfen, treiben sich hier im bunten Gemisch durch einander; Trommelschlag und Hörnerklang hört man hier oft; der taktmMge Schritt marschirender-Truppenmassen schallt ans der Ferne; das Pflaster dröhnt unter dem Hufschlag der Rosse eilig daher sprengender Adjutanten. In semen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/374>, abgerufen am 04.07.2024.