Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.schwarzen oder weiße" Burnus gehüllt schaut der finstere Kabyle, der von seinen schwarzen oder weiße» Burnus gehüllt schaut der finstere Kabyle, der von seinen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0375" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280462"/> <p xml:id="ID_992" prev="#ID_991" next="#ID_993"> schwarzen oder weiße» Burnus gehüllt schaut der finstere Kabyle, der von seinen<lb/> Bergen herabgestiegen ist, die fremden Krieger an, die ihm seine Freiheit ent¬<lb/> reißen wollen, unter deren mörderischen Kugeln schon so Mancher seiner Stammes¬<lb/> genossen gefallen ist. Vor innerer Wuth ballt er oft die nervichte branne Faust<lb/> gegen achtlos an ihn anstreifende Französische Soldaten, und murmelt ein in¬<lb/> grimmiges „allem -ülvl<" (Gott verdamme Dich) denselben nach. Doch der lustige<lb/> Franzose, das „Käppis" etwas schief auf dem einen Ohr, hört nicht auf diese<lb/> Verwünschung seines Todfeindes, und sein „I.'villane clivri at8 äames ^ suis<lb/> vn Ku« M^s" fvrtträllernd, legt er schäkernd seinen Arm um die Taille einer<lb/> kokett gekleideten niedlichen vivmiclisi'«?. „>><; on>u« »imo Ac Wut >non ooeur,<lb/> 'n-r Mit«;", schmeichelt er der sich loswindenden Schönen zu, die aber diese feu¬<lb/> rigen Worte nur mit einem lachenden „o'oft tun p«>ur rirk" beantwortet. Der¬<lb/> gleichen vivanclisro« sieht man viel, da jede Compagnie eine besitzt, und stets ist<lb/> ihr Anzug dem gleich, wie man sie auf unsern Theatern bei der Negimentstochter<lb/> findet; oft sind es noch junge, hübsche Mädchen, denen der uniformartige Anzug<lb/> sehr g»t steht, häufig aber auch ältere Frauen, die dann gewöhnlich mit einem<lb/> Unterofficier verheirathet sind. Den Soldaten sind diese Marketenderinnen, die<lb/> ihnen alle ihre kleinen Bedürfnisse besorgen, von großer Wichtigkeit, und'manche<lb/> Compagnie würde lieber ihren «liwitlüns, als ihre vivlmäiÄe verlieren.Gleich<lb/> am ersten Nachmittage meiner Ankunft in Algier besuchte ich uoch in Begleitung<lb/> Französischer Officiere die große „Cassuba", das ehemalige Residenzschloß des<lb/> Dey, welche auf der Spitze des Berges, an deu Algier gelehnt ist, die ganze<lb/> Stadt beherrscht. Eine entzückende Aussicht hat man von einer der niedern Ter¬<lb/> rassen dieser Cassuba. lieber die Stufen der Dächer sämmtlicher Straßen, die<lb/> bis zum Meere sich senken, schweift der Blick weit über den blauen Spiegel des¬<lb/> selben hinweg. Gleich stumpfen Säulen ragen aus oder vielmehr über dieser<lb/> Masse flacher Dächer die hohen Minarets zahlreicher Moscheen hervor, die eben¬<lb/> falls nur mit Plattformen versehen sind. Die Cassuba selbst, deren großer Um-<lb/> s"ng von einer hohen Mauer umschlossen wird, ist ein buntes Gemisch, der<lb/> verschiedensten Paläste, Kioske, Kuppeln, Terrassen und Höfe, alle ohne festen<lb/> Plan so augelegt, wie es das Bedürfniß der verschiedenen Deys mit sich<lb/> brachte. So viel man aus einzelnen Ueberresten erkennen kann, muß früher das<lb/> Ganze mit der höchsten Pracht eingerichtet, und Marmor und Vergoldungen im<lb/> Ueberfluß darin angebracht sein. Jetzt freilich sieht Alles sehr zerstört und ver¬<lb/> fallen ans, da die Cassuba seit dem Besitz der Franzosen als Caserne gebraucht<lb/> wird. In den Gemächern des Harems, wo sonst Hunderte reizender Odalisken<lb/> glühender Sehnsucht harrten, daß ihnen der Gebieter das Schnupftuch zu-<lb/> wärfe, hausen jetzt die Schuster des Regiments; auf den Terrassen, die sonst zum<lb/> Schauplatz manches verliebten Abenteuers dienten, ererciren rothhosige Recruten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0375]
schwarzen oder weiße» Burnus gehüllt schaut der finstere Kabyle, der von seinen
Bergen herabgestiegen ist, die fremden Krieger an, die ihm seine Freiheit ent¬
reißen wollen, unter deren mörderischen Kugeln schon so Mancher seiner Stammes¬
genossen gefallen ist. Vor innerer Wuth ballt er oft die nervichte branne Faust
gegen achtlos an ihn anstreifende Französische Soldaten, und murmelt ein in¬
grimmiges „allem -ülvl<" (Gott verdamme Dich) denselben nach. Doch der lustige
Franzose, das „Käppis" etwas schief auf dem einen Ohr, hört nicht auf diese
Verwünschung seines Todfeindes, und sein „I.'villane clivri at8 äames ^ suis
vn Ku« M^s" fvrtträllernd, legt er schäkernd seinen Arm um die Taille einer
kokett gekleideten niedlichen vivmiclisi'«?. „>><; on>u« »imo Ac Wut >non ooeur,
'n-r Mit«;", schmeichelt er der sich loswindenden Schönen zu, die aber diese feu¬
rigen Worte nur mit einem lachenden „o'oft tun p«>ur rirk" beantwortet. Der¬
gleichen vivanclisro« sieht man viel, da jede Compagnie eine besitzt, und stets ist
ihr Anzug dem gleich, wie man sie auf unsern Theatern bei der Negimentstochter
findet; oft sind es noch junge, hübsche Mädchen, denen der uniformartige Anzug
sehr g»t steht, häufig aber auch ältere Frauen, die dann gewöhnlich mit einem
Unterofficier verheirathet sind. Den Soldaten sind diese Marketenderinnen, die
ihnen alle ihre kleinen Bedürfnisse besorgen, von großer Wichtigkeit, und'manche
Compagnie würde lieber ihren «liwitlüns, als ihre vivlmäiÄe verlieren.Gleich
am ersten Nachmittage meiner Ankunft in Algier besuchte ich uoch in Begleitung
Französischer Officiere die große „Cassuba", das ehemalige Residenzschloß des
Dey, welche auf der Spitze des Berges, an deu Algier gelehnt ist, die ganze
Stadt beherrscht. Eine entzückende Aussicht hat man von einer der niedern Ter¬
rassen dieser Cassuba. lieber die Stufen der Dächer sämmtlicher Straßen, die
bis zum Meere sich senken, schweift der Blick weit über den blauen Spiegel des¬
selben hinweg. Gleich stumpfen Säulen ragen aus oder vielmehr über dieser
Masse flacher Dächer die hohen Minarets zahlreicher Moscheen hervor, die eben¬
falls nur mit Plattformen versehen sind. Die Cassuba selbst, deren großer Um-
s"ng von einer hohen Mauer umschlossen wird, ist ein buntes Gemisch, der
verschiedensten Paläste, Kioske, Kuppeln, Terrassen und Höfe, alle ohne festen
Plan so augelegt, wie es das Bedürfniß der verschiedenen Deys mit sich
brachte. So viel man aus einzelnen Ueberresten erkennen kann, muß früher das
Ganze mit der höchsten Pracht eingerichtet, und Marmor und Vergoldungen im
Ueberfluß darin angebracht sein. Jetzt freilich sieht Alles sehr zerstört und ver¬
fallen ans, da die Cassuba seit dem Besitz der Franzosen als Caserne gebraucht
wird. In den Gemächern des Harems, wo sonst Hunderte reizender Odalisken
glühender Sehnsucht harrten, daß ihnen der Gebieter das Schnupftuch zu-
wärfe, hausen jetzt die Schuster des Regiments; auf den Terrassen, die sonst zum
Schauplatz manches verliebten Abenteuers dienten, ererciren rothhosige Recruten.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |