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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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mit Datteln Hausirer ging, deren einzige Bekleidung ein kurzes weißgestrejftes
Matrvsenhemd von Baumwollenzeug war, das um den Leib mit einem breiten,
rothen Band als Gürtel zusammengehalten ward. Auf dem Kopfe trug sie in
dem krausen, schwarzen Haar einen alten rothen "Sey", den ihr wahrscheinlich
einst ein Schah für ihre Gunstbezeugungen geschenkt hatte. Daß diesen Mädchen,
deren es unzählige in Algier giebt, die Schamhaftigkeit ein ganz unbekannter
Begriff ist, braucht wol nicht erst erwähnt zu werden. Die Listen der Garnisous-
hospitäler in Algerien liefern nur zu viele Beweise von dem Treiben derselben.
An Gesinnungsgenvssinnen ans Frankreich und Italien sind'en diese völlig emancipir-
ten Damen übrigens vielfache Concurrenten. -- Algier ist eine sehr belebte Handels¬
und Garnisonsstadt in einem südlichen Klima, da darf auch der Moralist keinen
zu strengen Maßstab anlegen. Einen sehr zahlreichen Theil der Menge, die
sich in diesen Gassen umhertrieb, bildeten die Juden, die von jeher in großer
Zahl in der Barbarei wohnten. Auf jegliche Weise von den frühern Beherr¬
schern des Landes schon aus religiösem Fanatismus gedrückt, wußten sie sich den¬
noch durch ihren mercantilischen Unternehmungsgeist und die ihnen angeborne
Fähigkeit im Erwerben von Reichthümern vielfache Macht und nicht geringen
Einfluß zu verschaffen. Ganz in derselben Stellung, wie bei uns im Mittelalter,
wo sie die fast alleinigen Besitzer aller baaren Geldmünzen waren, und der geringste
Christ dennoch hoch über dem reichsten Juden stand, waren sie in Algier bis zur
Eroberung durch die Franzosen. Auch jetzt noch, wo die Jsraeliten hier, wie im
ganzen Frankreich, der christlichen Bevölkerung völlig gleichgestellt sind, behaupten
sie in mercantilischer Hinsicht einen nicht geringen Platz, und die angesehensten
Banquiers- und Kafmannshänser in ganz Algerien befinden sich in ihren Händen,
obgleich in den letzten Jahren viele Griechen, Italiener und auch Franzosen ihnen
immer mehr und mehr den Rang abgewinnen sollen. Der eigentliche Schacher ist, wie
überall in der Welt, allein in ihren Händen. Man kaun sich, besonders als Fremder,
in Algier kaum vor der Zudringlichkeit dieser unzählichen jüdischen Trödler und Facto-
ren bewegen, die mit unerschöpflicher Beharrlichkeit Einem alle nnr möglichen Dinge
anbieten. Besonders Kuppler macheu sich auf die ekelhafteste Weise bemerkbar,
wie auch gerade unter den Jüdinnen in Algier, ganz abweichend wie bei uns,
die größte Sittenlosigkeit herrschen soll. Auf den Straßen fallen übrigens bisweilen
reiche Jüdinnen sowol durch ihre Schönheit, wie durch ihre eigenthümliche Tracht
auf. Die kleinen zierlichen Füße, die nackt und, ganz ohne Strümpfe sind, werden
von gelben Sandalen, deren Bänder reich gestickt sind, umschlossen; Gewänder von
Türkischen Schnitt, meistens von gelber oder blaner, schwerer Seide, oft sehr
reich mit Gold gestickt, umhüllen den schöngewachsener Körper; vielfache Reihen
gehenkelter Dukaten, oft aber auch Perlen von großem Werth, dienen als Hals¬
band, während eine an 3 Fuß hohe, eigenthümlich ans Draht geflochtene und mit
Goldstoffen und goldenen Ketten überzogene Kopfbedeckung, die den alten Preu-


mit Datteln Hausirer ging, deren einzige Bekleidung ein kurzes weißgestrejftes
Matrvsenhemd von Baumwollenzeug war, das um den Leib mit einem breiten,
rothen Band als Gürtel zusammengehalten ward. Auf dem Kopfe trug sie in
dem krausen, schwarzen Haar einen alten rothen „Sey", den ihr wahrscheinlich
einst ein Schah für ihre Gunstbezeugungen geschenkt hatte. Daß diesen Mädchen,
deren es unzählige in Algier giebt, die Schamhaftigkeit ein ganz unbekannter
Begriff ist, braucht wol nicht erst erwähnt zu werden. Die Listen der Garnisous-
hospitäler in Algerien liefern nur zu viele Beweise von dem Treiben derselben.
An Gesinnungsgenvssinnen ans Frankreich und Italien sind'en diese völlig emancipir-
ten Damen übrigens vielfache Concurrenten. — Algier ist eine sehr belebte Handels¬
und Garnisonsstadt in einem südlichen Klima, da darf auch der Moralist keinen
zu strengen Maßstab anlegen. Einen sehr zahlreichen Theil der Menge, die
sich in diesen Gassen umhertrieb, bildeten die Juden, die von jeher in großer
Zahl in der Barbarei wohnten. Auf jegliche Weise von den frühern Beherr¬
schern des Landes schon aus religiösem Fanatismus gedrückt, wußten sie sich den¬
noch durch ihren mercantilischen Unternehmungsgeist und die ihnen angeborne
Fähigkeit im Erwerben von Reichthümern vielfache Macht und nicht geringen
Einfluß zu verschaffen. Ganz in derselben Stellung, wie bei uns im Mittelalter,
wo sie die fast alleinigen Besitzer aller baaren Geldmünzen waren, und der geringste
Christ dennoch hoch über dem reichsten Juden stand, waren sie in Algier bis zur
Eroberung durch die Franzosen. Auch jetzt noch, wo die Jsraeliten hier, wie im
ganzen Frankreich, der christlichen Bevölkerung völlig gleichgestellt sind, behaupten
sie in mercantilischer Hinsicht einen nicht geringen Platz, und die angesehensten
Banquiers- und Kafmannshänser in ganz Algerien befinden sich in ihren Händen,
obgleich in den letzten Jahren viele Griechen, Italiener und auch Franzosen ihnen
immer mehr und mehr den Rang abgewinnen sollen. Der eigentliche Schacher ist, wie
überall in der Welt, allein in ihren Händen. Man kaun sich, besonders als Fremder,
in Algier kaum vor der Zudringlichkeit dieser unzählichen jüdischen Trödler und Facto-
ren bewegen, die mit unerschöpflicher Beharrlichkeit Einem alle nnr möglichen Dinge
anbieten. Besonders Kuppler macheu sich auf die ekelhafteste Weise bemerkbar,
wie auch gerade unter den Jüdinnen in Algier, ganz abweichend wie bei uns,
die größte Sittenlosigkeit herrschen soll. Auf den Straßen fallen übrigens bisweilen
reiche Jüdinnen sowol durch ihre Schönheit, wie durch ihre eigenthümliche Tracht
auf. Die kleinen zierlichen Füße, die nackt und, ganz ohne Strümpfe sind, werden
von gelben Sandalen, deren Bänder reich gestickt sind, umschlossen; Gewänder von
Türkischen Schnitt, meistens von gelber oder blaner, schwerer Seide, oft sehr
reich mit Gold gestickt, umhüllen den schöngewachsener Körper; vielfache Reihen
gehenkelter Dukaten, oft aber auch Perlen von großem Werth, dienen als Hals¬
band, während eine an 3 Fuß hohe, eigenthümlich ans Draht geflochtene und mit
Goldstoffen und goldenen Ketten überzogene Kopfbedeckung, die den alten Preu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/373>, abgerufen am 04.07.2024.