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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Resultat einer Stimmung, nicht einer bloßen Reflexion auf. -- Im Starköd-
ler ist die Idee der Neue und Besserung durchgeführt. Der Held hat im übereilten
Augenblick im Rausche einen Mord begangen; das Gewissen verfolgt ihn während
glänzender Thaten, er ist stark genng, das Lebe", das ihm eine Last ist, zu tragen,
und die Götter werden endlich versöhnt und bedeuten sich nicht, den tapfersten
Sterblichen in ihre Zahl aufzunehmen. Diese Handlung wird durch eine Reihe
von Episoden mehr verwirrt, alö erläutert. -- Hagbarth und Eigne ist ein
Seitenstück zu Axel und Walborg, aber mit mehr nordischer^ Färbung. Der
Gegenstand ist die Leidenschaft der mit Verwegenheit verbundenen Liebe, die sich
plötzlich entzündet und den Liebenden Muth verleiht, mit Heldentrvtz den Tod
für einander zu dulden. Der Dichter selbst vergleicht das Drama mit einem
Nachtstück, mit Tannen über dem Abgrund, wo der Mond halb hervorbricht,
während er Axel und Walborg ein mildes Gemälde blühender Natur in der
Abendröthe nennt. Erich und Abel behandelt das beliebte Thema der feind¬
lichen Brüder und fällt in seinem Stoss ziemlich mit der Braut von Messina
zusammen. -- Der falsche König Olaf ist trotz der guten Anlage, die einiger¬
maßen an Schiller's Demetrius erinnert, doch eine ziemlich schwache Arbeit. Es
ist ein Jntrigucnstück daraus geworden, aber ohne die Gewandtheit, die einem
solchen allein Leben und Bewegung verleihen kann. Die scandinavische Union
ist hier vom patriotischen Gesichtspunkt aufgefaßt. Naguhild, die ehrgeizige
Mutter Olafs, die den Maschiuiömns des Stücks leitet und das unberech¬
tigte Streben des individuellen Willens gegen die ethische Allgemeinheit darstellt,
ist zugleich Vertreterin des Heidenthums. Gegen die Ausländer, welche die innere
Zwietracht der Dänen zu ihrem Vortheil aufhenke", finden sich sehr heftige Aus¬
fälle. -- Ueber zwei andere Stücke dieser Reihe: Das Land gefunden und
verschwunden, und Amleth, habe ich mich bereits in einem frühern AnfsB
ausgesprochen, aus den ich hier verweise. (Ittül), Heft it, i>. 38".)

Ich gehe jetzt zu einer andern Reihe von Dichtungen über, zu den Lustspiele",
den Opern und jener gemischten Gattung, die im Tone deS Lustspiels gehalten
ist, aber entweder einen tragischen Ausgang nimmt, oder wenigstens dnrch tragische
Episoden unterbrochen wird. -- Zunächst hat sich Oehlenschläger für Denlschl"ud
durch Uebersetzung der Holberg'schen Lustspiele ein Verdienst erworben.
seinen eigenen Dichtungen dieser Art sind die besten diejenigen, welche sich in der
phantastisch freien Form der romantischen Schule bewegen. Es ist das ein zweifel¬
haftes Lob, deun die eigentliche Aufgabe des Lustspiels ist die Sittenschilderung
unsrer Zeit zu komischen Zwecken. Ein Lustspiel mit fingirten Sitten kann
zwar zu einzelnen komischen Scenen führen, aber es fehlt ihm jene allgemeine
ethische Bedeutung, die anch mit dem Komischen verbunden sein muß, wenn dasselbe
eine nachhaltige Wirkung machen soll. Oehlenschläger's Aladdin (-1804), s>
seine Fischcrstvchter und die Drillingsbrüder von Damascus, welche


Resultat einer Stimmung, nicht einer bloßen Reflexion auf. — Im Starköd-
ler ist die Idee der Neue und Besserung durchgeführt. Der Held hat im übereilten
Augenblick im Rausche einen Mord begangen; das Gewissen verfolgt ihn während
glänzender Thaten, er ist stark genng, das Lebe», das ihm eine Last ist, zu tragen,
und die Götter werden endlich versöhnt und bedeuten sich nicht, den tapfersten
Sterblichen in ihre Zahl aufzunehmen. Diese Handlung wird durch eine Reihe
von Episoden mehr verwirrt, alö erläutert. — Hagbarth und Eigne ist ein
Seitenstück zu Axel und Walborg, aber mit mehr nordischer^ Färbung. Der
Gegenstand ist die Leidenschaft der mit Verwegenheit verbundenen Liebe, die sich
plötzlich entzündet und den Liebenden Muth verleiht, mit Heldentrvtz den Tod
für einander zu dulden. Der Dichter selbst vergleicht das Drama mit einem
Nachtstück, mit Tannen über dem Abgrund, wo der Mond halb hervorbricht,
während er Axel und Walborg ein mildes Gemälde blühender Natur in der
Abendröthe nennt. Erich und Abel behandelt das beliebte Thema der feind¬
lichen Brüder und fällt in seinem Stoss ziemlich mit der Braut von Messina
zusammen. — Der falsche König Olaf ist trotz der guten Anlage, die einiger¬
maßen an Schiller's Demetrius erinnert, doch eine ziemlich schwache Arbeit. Es
ist ein Jntrigucnstück daraus geworden, aber ohne die Gewandtheit, die einem
solchen allein Leben und Bewegung verleihen kann. Die scandinavische Union
ist hier vom patriotischen Gesichtspunkt aufgefaßt. Naguhild, die ehrgeizige
Mutter Olafs, die den Maschiuiömns des Stücks leitet und das unberech¬
tigte Streben des individuellen Willens gegen die ethische Allgemeinheit darstellt,
ist zugleich Vertreterin des Heidenthums. Gegen die Ausländer, welche die innere
Zwietracht der Dänen zu ihrem Vortheil aufhenke», finden sich sehr heftige Aus¬
fälle. — Ueber zwei andere Stücke dieser Reihe: Das Land gefunden und
verschwunden, und Amleth, habe ich mich bereits in einem frühern AnfsB
ausgesprochen, aus den ich hier verweise. (Ittül), Heft it, i>. 38«.)

Ich gehe jetzt zu einer andern Reihe von Dichtungen über, zu den Lustspiele«,
den Opern und jener gemischten Gattung, die im Tone deS Lustspiels gehalten
ist, aber entweder einen tragischen Ausgang nimmt, oder wenigstens dnrch tragische
Episoden unterbrochen wird. — Zunächst hat sich Oehlenschläger für Denlschl"ud
durch Uebersetzung der Holberg'schen Lustspiele ein Verdienst erworben.
seinen eigenen Dichtungen dieser Art sind die besten diejenigen, welche sich in der
phantastisch freien Form der romantischen Schule bewegen. Es ist das ein zweifel¬
haftes Lob, deun die eigentliche Aufgabe des Lustspiels ist die Sittenschilderung
unsrer Zeit zu komischen Zwecken. Ein Lustspiel mit fingirten Sitten kann
zwar zu einzelnen komischen Scenen führen, aber es fehlt ihm jene allgemeine
ethische Bedeutung, die anch mit dem Komischen verbunden sein muß, wenn dasselbe
eine nachhaltige Wirkung machen soll. Oehlenschläger's Aladdin (-1804), s>
seine Fischcrstvchter und die Drillingsbrüder von Damascus, welche


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[0344] Resultat einer Stimmung, nicht einer bloßen Reflexion auf. — Im Starköd- ler ist die Idee der Neue und Besserung durchgeführt. Der Held hat im übereilten Augenblick im Rausche einen Mord begangen; das Gewissen verfolgt ihn während glänzender Thaten, er ist stark genng, das Lebe», das ihm eine Last ist, zu tragen, und die Götter werden endlich versöhnt und bedeuten sich nicht, den tapfersten Sterblichen in ihre Zahl aufzunehmen. Diese Handlung wird durch eine Reihe von Episoden mehr verwirrt, alö erläutert. — Hagbarth und Eigne ist ein Seitenstück zu Axel und Walborg, aber mit mehr nordischer^ Färbung. Der Gegenstand ist die Leidenschaft der mit Verwegenheit verbundenen Liebe, die sich plötzlich entzündet und den Liebenden Muth verleiht, mit Heldentrvtz den Tod für einander zu dulden. Der Dichter selbst vergleicht das Drama mit einem Nachtstück, mit Tannen über dem Abgrund, wo der Mond halb hervorbricht, während er Axel und Walborg ein mildes Gemälde blühender Natur in der Abendröthe nennt. Erich und Abel behandelt das beliebte Thema der feind¬ lichen Brüder und fällt in seinem Stoss ziemlich mit der Braut von Messina zusammen. — Der falsche König Olaf ist trotz der guten Anlage, die einiger¬ maßen an Schiller's Demetrius erinnert, doch eine ziemlich schwache Arbeit. Es ist ein Jntrigucnstück daraus geworden, aber ohne die Gewandtheit, die einem solchen allein Leben und Bewegung verleihen kann. Die scandinavische Union ist hier vom patriotischen Gesichtspunkt aufgefaßt. Naguhild, die ehrgeizige Mutter Olafs, die den Maschiuiömns des Stücks leitet und das unberech¬ tigte Streben des individuellen Willens gegen die ethische Allgemeinheit darstellt, ist zugleich Vertreterin des Heidenthums. Gegen die Ausländer, welche die innere Zwietracht der Dänen zu ihrem Vortheil aufhenke», finden sich sehr heftige Aus¬ fälle. — Ueber zwei andere Stücke dieser Reihe: Das Land gefunden und verschwunden, und Amleth, habe ich mich bereits in einem frühern AnfsB ausgesprochen, aus den ich hier verweise. (Ittül), Heft it, i>. 38«.) Ich gehe jetzt zu einer andern Reihe von Dichtungen über, zu den Lustspiele«, den Opern und jener gemischten Gattung, die im Tone deS Lustspiels gehalten ist, aber entweder einen tragischen Ausgang nimmt, oder wenigstens dnrch tragische Episoden unterbrochen wird. — Zunächst hat sich Oehlenschläger für Denlschl"ud durch Uebersetzung der Holberg'schen Lustspiele ein Verdienst erworben. seinen eigenen Dichtungen dieser Art sind die besten diejenigen, welche sich in der phantastisch freien Form der romantischen Schule bewegen. Es ist das ein zweifel¬ haftes Lob, deun die eigentliche Aufgabe des Lustspiels ist die Sittenschilderung unsrer Zeit zu komischen Zwecken. Ein Lustspiel mit fingirten Sitten kann zwar zu einzelnen komischen Scenen führen, aber es fehlt ihm jene allgemeine ethische Bedeutung, die anch mit dem Komischen verbunden sein muß, wenn dasselbe eine nachhaltige Wirkung machen soll. Oehlenschläger's Aladdin (-1804), s> seine Fischcrstvchter und die Drillingsbrüder von Damascus, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/344>, abgerufen am 26.06.2024.