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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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beide letztern er unter dem gemeinsamen Titel: Morgenländische Dichtungen 1831
herausgab und mit einer Dedication an Tieck begleitete, behandeln Stoffe aus
Tausend und einer Nacht, und schließen sich im Ton und Styl ganz den Tieck'-
schen Arbeiten in ähnlichem Genre an, dem Kaiser Octavianus, Fortunatus u. s. w.
Der märchenhaft phantastische Ton ist im Ganzen recht gut getroffen, trotz der
vielfach eingestreuten metaphysischen, pathetischen oder witzelnden Excurse; doch
sind die Stücke im Verhältniß zu dem dürftigen Inhalt viel zu weit ausgesponnen,
und der Versuch, der hiu und wieder gemacht wird, den liebenswürdigen Schnur-,
ren eine tiefere Bedeutung unterzulegen, stört den guten Eindruck des Ganzen.
Da von einem eigentlichen Zusammenhang sich keine Spur findet, so sollte jede
ernste Idee sorgfältig vermieden und dem Uebermuthe einer reich quellenden Laune
der freieste Spielraum verstattet werden. Ich möchte daher den Drillings¬
brüdern den Vorzug geben, weil diese am Unbefangensten gehalten sind, obgleich
es auch hier an einzelnen Sentimentalitäten nicht fehlt. -- In dieselbe Kategorie
gehören die Jugendstücke Freya's Altar und der Schlaftrunk, ferner die
Lustspiele Robinson in England (1818) und Garrick in Frankreich
(1844), beide wegen ihrer holzschuittartigeu Komik sür uns ungenießbar. Ueber
das letzte Stück habe ich in dem vorhin erwähnten Aufsatz referirt. Sodann die
beiden Opern die Räuberburg und die Lndlamshöhle (181i). Die erste hat
ein buntes und trotz ihrer Darstellung von Gefahr und Grausamkeit munteres
Kolorit. Es werden darin südliche Räuber dargestellt, die so wenig an Gewissens-
scrupeln und dem Kampf mit moralischen Gefühlen leiden, daß sie im Gegentheil
mit Mord und Todtschlag wie Knaben mit ihren Steckenpferden spielen. Es ist
M Ganzen ein raffinirtes Wesen, welches sür Oehlenschläger's gesunde Natur
'naht paßt. Die Ludlams höhle behandelt eine Gespenstergeschichte, in welche
sich der Dichter bemüht hat einigen Sinn zu legen. -- Im Ganzen hat Oehlen-
schläger auf das Lustspiel keinen großen Einfluß ausgeübt. Er hatte Concurrenten,
die ihn an Popularität bedeutend übertrafen, namentlich Heiberg, dessen "Mario¬
nettentheater" 1816. erschien, und die bisher in Kopenhagen herrschenden Frän¬
kischen Singspiele verdrängte. Nach Oehlenschläger's Beschreibung scheinen
^ehe Stücke etwas forcirt Derbes und Naturwüchsiges zu haben, was sich eigent¬
lich mit der Unbefangenheit des Lustspiels uicht recht verträgt; doch ist es in dieser
Beziehung für den Fremden schwer, sich über den Geschmack eiues Volks ein
klares Verständniß zu bilden. -- Zu dieser leichtern Unterhaltungslecture gehört
"und die Umarbeitung des alten Romans: "die Insel Felsenburg", welche Oehlen-
schläger 182K herausgab.

Die schwächsten unter seineu Werken sind die Dramen des gemischten Genre,
die Tragikomödien. Ueber das eine derselben, Dina (18i1), haben wir bereits
berichtet. Es ist vielleicht das einzige, in welchem die Manier der Juugfran-
Wschen und Jnngdeutsch'en Schule, starkgeistige, dem Boden der realen Sitt-


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beide letztern er unter dem gemeinsamen Titel: Morgenländische Dichtungen 1831
herausgab und mit einer Dedication an Tieck begleitete, behandeln Stoffe aus
Tausend und einer Nacht, und schließen sich im Ton und Styl ganz den Tieck'-
schen Arbeiten in ähnlichem Genre an, dem Kaiser Octavianus, Fortunatus u. s. w.
Der märchenhaft phantastische Ton ist im Ganzen recht gut getroffen, trotz der
vielfach eingestreuten metaphysischen, pathetischen oder witzelnden Excurse; doch
sind die Stücke im Verhältniß zu dem dürftigen Inhalt viel zu weit ausgesponnen,
und der Versuch, der hiu und wieder gemacht wird, den liebenswürdigen Schnur-,
ren eine tiefere Bedeutung unterzulegen, stört den guten Eindruck des Ganzen.
Da von einem eigentlichen Zusammenhang sich keine Spur findet, so sollte jede
ernste Idee sorgfältig vermieden und dem Uebermuthe einer reich quellenden Laune
der freieste Spielraum verstattet werden. Ich möchte daher den Drillings¬
brüdern den Vorzug geben, weil diese am Unbefangensten gehalten sind, obgleich
es auch hier an einzelnen Sentimentalitäten nicht fehlt. — In dieselbe Kategorie
gehören die Jugendstücke Freya's Altar und der Schlaftrunk, ferner die
Lustspiele Robinson in England (1818) und Garrick in Frankreich
(1844), beide wegen ihrer holzschuittartigeu Komik sür uns ungenießbar. Ueber
das letzte Stück habe ich in dem vorhin erwähnten Aufsatz referirt. Sodann die
beiden Opern die Räuberburg und die Lndlamshöhle (181i). Die erste hat
ein buntes und trotz ihrer Darstellung von Gefahr und Grausamkeit munteres
Kolorit. Es werden darin südliche Räuber dargestellt, die so wenig an Gewissens-
scrupeln und dem Kampf mit moralischen Gefühlen leiden, daß sie im Gegentheil
mit Mord und Todtschlag wie Knaben mit ihren Steckenpferden spielen. Es ist
M Ganzen ein raffinirtes Wesen, welches sür Oehlenschläger's gesunde Natur
'naht paßt. Die Ludlams höhle behandelt eine Gespenstergeschichte, in welche
sich der Dichter bemüht hat einigen Sinn zu legen. — Im Ganzen hat Oehlen-
schläger auf das Lustspiel keinen großen Einfluß ausgeübt. Er hatte Concurrenten,
die ihn an Popularität bedeutend übertrafen, namentlich Heiberg, dessen „Mario¬
nettentheater" 1816. erschien, und die bisher in Kopenhagen herrschenden Frän¬
kischen Singspiele verdrängte. Nach Oehlenschläger's Beschreibung scheinen
^ehe Stücke etwas forcirt Derbes und Naturwüchsiges zu haben, was sich eigent¬
lich mit der Unbefangenheit des Lustspiels uicht recht verträgt; doch ist es in dieser
Beziehung für den Fremden schwer, sich über den Geschmack eiues Volks ein
klares Verständniß zu bilden. — Zu dieser leichtern Unterhaltungslecture gehört
"und die Umarbeitung des alten Romans: „die Insel Felsenburg", welche Oehlen-
schläger 182K herausgab.

Die schwächsten unter seineu Werken sind die Dramen des gemischten Genre,
die Tragikomödien. Ueber das eine derselben, Dina (18i1), haben wir bereits
berichtet. Es ist vielleicht das einzige, in welchem die Manier der Juugfran-
Wschen und Jnngdeutsch'en Schule, starkgeistige, dem Boden der realen Sitt-


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[0345] beide letztern er unter dem gemeinsamen Titel: Morgenländische Dichtungen 1831 herausgab und mit einer Dedication an Tieck begleitete, behandeln Stoffe aus Tausend und einer Nacht, und schließen sich im Ton und Styl ganz den Tieck'- schen Arbeiten in ähnlichem Genre an, dem Kaiser Octavianus, Fortunatus u. s. w. Der märchenhaft phantastische Ton ist im Ganzen recht gut getroffen, trotz der vielfach eingestreuten metaphysischen, pathetischen oder witzelnden Excurse; doch sind die Stücke im Verhältniß zu dem dürftigen Inhalt viel zu weit ausgesponnen, und der Versuch, der hiu und wieder gemacht wird, den liebenswürdigen Schnur-, ren eine tiefere Bedeutung unterzulegen, stört den guten Eindruck des Ganzen. Da von einem eigentlichen Zusammenhang sich keine Spur findet, so sollte jede ernste Idee sorgfältig vermieden und dem Uebermuthe einer reich quellenden Laune der freieste Spielraum verstattet werden. Ich möchte daher den Drillings¬ brüdern den Vorzug geben, weil diese am Unbefangensten gehalten sind, obgleich es auch hier an einzelnen Sentimentalitäten nicht fehlt. — In dieselbe Kategorie gehören die Jugendstücke Freya's Altar und der Schlaftrunk, ferner die Lustspiele Robinson in England (1818) und Garrick in Frankreich (1844), beide wegen ihrer holzschuittartigeu Komik sür uns ungenießbar. Ueber das letzte Stück habe ich in dem vorhin erwähnten Aufsatz referirt. Sodann die beiden Opern die Räuberburg und die Lndlamshöhle (181i). Die erste hat ein buntes und trotz ihrer Darstellung von Gefahr und Grausamkeit munteres Kolorit. Es werden darin südliche Räuber dargestellt, die so wenig an Gewissens- scrupeln und dem Kampf mit moralischen Gefühlen leiden, daß sie im Gegentheil mit Mord und Todtschlag wie Knaben mit ihren Steckenpferden spielen. Es ist M Ganzen ein raffinirtes Wesen, welches sür Oehlenschläger's gesunde Natur 'naht paßt. Die Ludlams höhle behandelt eine Gespenstergeschichte, in welche sich der Dichter bemüht hat einigen Sinn zu legen. — Im Ganzen hat Oehlen- schläger auf das Lustspiel keinen großen Einfluß ausgeübt. Er hatte Concurrenten, die ihn an Popularität bedeutend übertrafen, namentlich Heiberg, dessen „Mario¬ nettentheater" 1816. erschien, und die bisher in Kopenhagen herrschenden Frän¬ kischen Singspiele verdrängte. Nach Oehlenschläger's Beschreibung scheinen ^ehe Stücke etwas forcirt Derbes und Naturwüchsiges zu haben, was sich eigent¬ lich mit der Unbefangenheit des Lustspiels uicht recht verträgt; doch ist es in dieser Beziehung für den Fremden schwer, sich über den Geschmack eiues Volks ein klares Verständniß zu bilden. — Zu dieser leichtern Unterhaltungslecture gehört "und die Umarbeitung des alten Romans: „die Insel Felsenburg", welche Oehlen- schläger 182K herausgab. Die schwächsten unter seineu Werken sind die Dramen des gemischten Genre, die Tragikomödien. Ueber das eine derselben, Dina (18i1), haben wir bereits berichtet. Es ist vielleicht das einzige, in welchem die Manier der Juugfran- Wschen und Jnngdeutsch'en Schule, starkgeistige, dem Boden der realen Sitt- «rcnzboten.. M, -,«.>>. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/345>, abgerufen am 18.06.2024.