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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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gegen glaubt er nicht, daß sie eine politische Wirksamkeit haben werden. -- Eine
Einwirkung aus die sogenannte höhere Politik allerdings nicht, die haben die
Kreistage nie gehabt; aber daraus allein besteht meines Wissens das Staatsleben
noch nicht. Einen wie ungeheure" Einfluß die Cvmmnual- und Kreisvcrtretungen
auf das reale Leben des Volks ausüben, das haben selbst die Demokraten nicht
ignorirt, die trotz ihrer Ueberzeugung vou dem angeborenen Menschenrecht der
Urwähler sich an der Wahl der Gemeinderäthe betheiligt haben. Wenn wir also
die Kreistage ausschließlich der Reaction überlassen (sie waren es früher nicht;
sie galten noch 1847 in der Majorität für liberal), so scheint mir das aller¬
dings ein Verlust für unsre Sache. Es hängt aber noch mehr damit zusammen.
Werde" die Kreistage durchgesetzt, was mein Gegner glaubt, so würde es sich
nicht damit vertragen, daß Administrativstellen von Einfluß in den Händen von
Männer" bleiben, die gegen die Nechtsgiltigkeit derselben protestiren. Wenigstens
wird die Negierung diese Logik unzweifelhaft verfolge", und das war es, was ich
mit dem "Heraustreten aus dem realen Staatsleben" meinte. -- Mein Gegner
meint: "noch bestehen die verfassungsmäßigen Organe, noch ruht in ihnen von
Rechtswegen die Realität des Staatslebens." -- Sie bestehen allerdings noch,
wenn auch in ihrer gegenwärtigen Zusammensetzung nur noch auf ein Jahr, und
Niemand wird weniger als ich geneigt sein, an der Bedeutung dieser legitime"
Körperschaften, namentlich beim Eintritt einer Krise, und ans alle Fälle zur An¬
knüpfung eines gesetzlichen Fortschritts, zu zweifeln. An ihrer Erhaltung liegt
unendlich viel. -- Für den Augenblick aber beschränkt sich ihre reale Wirkung aus
die Möglichkeit, eine laute Opposition zu machen.

Wir würden übrigens auch in diesem Punkt-in eine eigene Lage kommen.
Wenn der Vorschlag, von Seiten der Kammern die neuen Schritte des Ministe¬
riums für null und nichtig zu erklären, nicht durchgeht, oder locum er unbeachtet
bleibt, werden da"" die Bedenken gegen das Verbleiben in der Kammer nicht
eben fo groß werden, als die Bedenken gegen den Eintritt in eine Körperschaft,
die vorläufig doch "ur eine thatsächliche Bedeutung hat?

So weit ich also sehe, kaun die Konsequenz des beabsichtigten Schrittes nur
zu einem Ausgang führen: zum vollständige" Aufgehen in die Demokratie. --
Bei diesem Punkt erwartet mich mein zweiter Gegner, der Korrespondent "vom
Rhein" der Neichözeitnng, der mit ungleich mehr Anstand und Geist zu Werke geht.
Ehe ich aus Diesen komme, muß ich noch eine beiläufige Bemerkung machen. Die
Partei besteht doch wol nicht blos ans ihren parlamentarischen Vertretern? und
ehe man sich zu einem entscheidenden Schritt entschließt, muß mau sich doch wol
die Frage vorlegen, wie Viel" ihm folgen werden? -- Doch dies nur beiläufig;
einzelne Localerfahrungen über die viel besprochene Fusion könnten unsre Führer
wol bedächtig machen. Bei den extremen Parteien sind die Führer die Haupt¬
sache, das Uebrige ist Masse; bei uns ist es umgekehrt. In der Selbstständigkeit


gegen glaubt er nicht, daß sie eine politische Wirksamkeit haben werden. — Eine
Einwirkung aus die sogenannte höhere Politik allerdings nicht, die haben die
Kreistage nie gehabt; aber daraus allein besteht meines Wissens das Staatsleben
noch nicht. Einen wie ungeheure» Einfluß die Cvmmnual- und Kreisvcrtretungen
auf das reale Leben des Volks ausüben, das haben selbst die Demokraten nicht
ignorirt, die trotz ihrer Ueberzeugung vou dem angeborenen Menschenrecht der
Urwähler sich an der Wahl der Gemeinderäthe betheiligt haben. Wenn wir also
die Kreistage ausschließlich der Reaction überlassen (sie waren es früher nicht;
sie galten noch 1847 in der Majorität für liberal), so scheint mir das aller¬
dings ein Verlust für unsre Sache. Es hängt aber noch mehr damit zusammen.
Werde» die Kreistage durchgesetzt, was mein Gegner glaubt, so würde es sich
nicht damit vertragen, daß Administrativstellen von Einfluß in den Händen von
Männer» bleiben, die gegen die Nechtsgiltigkeit derselben protestiren. Wenigstens
wird die Negierung diese Logik unzweifelhaft verfolge», und das war es, was ich
mit dem „Heraustreten aus dem realen Staatsleben" meinte. — Mein Gegner
meint: „noch bestehen die verfassungsmäßigen Organe, noch ruht in ihnen von
Rechtswegen die Realität des Staatslebens." — Sie bestehen allerdings noch,
wenn auch in ihrer gegenwärtigen Zusammensetzung nur noch auf ein Jahr, und
Niemand wird weniger als ich geneigt sein, an der Bedeutung dieser legitime»
Körperschaften, namentlich beim Eintritt einer Krise, und ans alle Fälle zur An¬
knüpfung eines gesetzlichen Fortschritts, zu zweifeln. An ihrer Erhaltung liegt
unendlich viel. — Für den Augenblick aber beschränkt sich ihre reale Wirkung aus
die Möglichkeit, eine laute Opposition zu machen.

Wir würden übrigens auch in diesem Punkt-in eine eigene Lage kommen.
Wenn der Vorschlag, von Seiten der Kammern die neuen Schritte des Ministe¬
riums für null und nichtig zu erklären, nicht durchgeht, oder locum er unbeachtet
bleibt, werden da»» die Bedenken gegen das Verbleiben in der Kammer nicht
eben fo groß werden, als die Bedenken gegen den Eintritt in eine Körperschaft,
die vorläufig doch »ur eine thatsächliche Bedeutung hat?

So weit ich also sehe, kaun die Konsequenz des beabsichtigten Schrittes nur
zu einem Ausgang führen: zum vollständige» Aufgehen in die Demokratie. —
Bei diesem Punkt erwartet mich mein zweiter Gegner, der Korrespondent „vom
Rhein" der Neichözeitnng, der mit ungleich mehr Anstand und Geist zu Werke geht.
Ehe ich aus Diesen komme, muß ich noch eine beiläufige Bemerkung machen. Die
Partei besteht doch wol nicht blos ans ihren parlamentarischen Vertretern? und
ehe man sich zu einem entscheidenden Schritt entschließt, muß mau sich doch wol
die Frage vorlegen, wie Viel« ihm folgen werden? — Doch dies nur beiläufig;
einzelne Localerfahrungen über die viel besprochene Fusion könnten unsre Führer
wol bedächtig machen. Bei den extremen Parteien sind die Führer die Haupt¬
sache, das Uebrige ist Masse; bei uns ist es umgekehrt. In der Selbstständigkeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/34>, abgerufen am 30.06.2024.