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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Heidelberg suchte er den alten Voß auf, und theilte ihm den Correggio mit, den
er in Italien Deutsch gedichtet hatte. Dieses Gedicht schickte er auch Goethe zu,
es fand aber keinen Beifall bei ihm, wie Goethe überhaupt das herzliche Ent¬
gegenkommen seines frühern Schützlings mit großer Kälte ausnahm, ohne daß
Dieser den Grund entdecken konnte.

Nach fünfjähriger Abwesenheit kehrte Oehleuschläger jetzt in sein Vaterland
zurück, wo er gleich darauf als Professor der Aesthetik bei der Universität ange¬
stellt wurde. Er hatte ein Gehalt von 1200 Thalern, nahm für seine Schriften
auch Einiges ein, wurde in die feinsten Gesellschaften eingeführt, und verheirathete
sich gleich daraus. Er fand eine große Menge Verehrer, aber freilich auch viele
Gegner, theils von Seiten der alten Schule, theils in einer jüngern, etwas
schwärmerischen Richtung, an deren Spitze sich Grnndtvig stellte. Seine neuern
Dichtungen, worunter auch einige Lustspiele waren, machten verschiedenes Glück.
Auch seine Verbindungen mit Deutschland waren seit seinem Bruch mit den Ro¬
mantikern, und nachdem er Goethe's Gunst verloren, zweifelhaft geworden; da¬
gegen erfreute ihn eine sehr günstige Recension, die Jean Paul über seine Stücke
schrieb.

Eine neue Reise machte er im Jahre 1817 als Begleiter des jungen Baron
Bertvuch. In Wien suchte er Fr. Schlegel wieder auf, der ihn höflich, aber
vornehm empfing. In Paris fand er die Stimmung der Frau v. StaÄ gegen
ihn sehr zu seinen Ungunsten geändert, und es kam sast zu einem vollständigen
Brich. In Deutschland machte er Rückert's und Schelling's Bekanntschaft, in
Dresden die Bekanntschaft C. M. v. Weber's, in Berlin lernte er Hoffmann,
Fvuqu"; und Bcttine kennen. Die Letztere fragte ihn einmal, als sie ihn gerade sehr
stark geneckt hatte, ob auch bei ihm zu Hause Damm wären, die ihm die Wahr¬
heit sagen konnten. "O ja", sagte er, "wir haben sehr vernünftige, artige
Damen in Kopenhagen." "Aber", sagte sie, ,,wenn sie alle so höflich und artig
sind, wer sagt Ihnen denn das Nothwendige derb und grob?" -- "O", ant¬
wortete er, "wenn ich das zur Veränderung einmal von Damen hören will, s"
reise ich ins Ausland." "Bravo!" rief sie und brach in Gelächter aus, "ich
verzeihe Ihnen Ihre Unverschämtheit, es war eine gute Antwort." -- Sehr intim
wurde Oehleuschläger mit Fvnquv und T. A. Hoffmann; auch mit Tieck und
Solger ging er viel um, weniger mit Arnim und Schleiermacher. Es war dieser
Kreis die zweite Auflage der romantischen Schule, die damals ganz ihren Mittel¬
punkt in Berlin fand.

Im September 1820 kehrte er nach Kopenhagen zurück. Seine Fruchtbar¬
keit war nicht erschöpft; Jahr für Jahr schrieb er Dramen, die er meistens auch
ins Deutsche übersetzte. Mit W. Scott trat er in eiuen freundschaftlichen Brief¬
wechsel. Außerdem legte er sich, um die Ehre seines Amts aufrecht zu halten,
etwas eifriger als früher aus das Lateinische. Seine Verbindungen mit Deutsch-'


Heidelberg suchte er den alten Voß auf, und theilte ihm den Correggio mit, den
er in Italien Deutsch gedichtet hatte. Dieses Gedicht schickte er auch Goethe zu,
es fand aber keinen Beifall bei ihm, wie Goethe überhaupt das herzliche Ent¬
gegenkommen seines frühern Schützlings mit großer Kälte ausnahm, ohne daß
Dieser den Grund entdecken konnte.

Nach fünfjähriger Abwesenheit kehrte Oehleuschläger jetzt in sein Vaterland
zurück, wo er gleich darauf als Professor der Aesthetik bei der Universität ange¬
stellt wurde. Er hatte ein Gehalt von 1200 Thalern, nahm für seine Schriften
auch Einiges ein, wurde in die feinsten Gesellschaften eingeführt, und verheirathete
sich gleich daraus. Er fand eine große Menge Verehrer, aber freilich auch viele
Gegner, theils von Seiten der alten Schule, theils in einer jüngern, etwas
schwärmerischen Richtung, an deren Spitze sich Grnndtvig stellte. Seine neuern
Dichtungen, worunter auch einige Lustspiele waren, machten verschiedenes Glück.
Auch seine Verbindungen mit Deutschland waren seit seinem Bruch mit den Ro¬
mantikern, und nachdem er Goethe's Gunst verloren, zweifelhaft geworden; da¬
gegen erfreute ihn eine sehr günstige Recension, die Jean Paul über seine Stücke
schrieb.

Eine neue Reise machte er im Jahre 1817 als Begleiter des jungen Baron
Bertvuch. In Wien suchte er Fr. Schlegel wieder auf, der ihn höflich, aber
vornehm empfing. In Paris fand er die Stimmung der Frau v. StaÄ gegen
ihn sehr zu seinen Ungunsten geändert, und es kam sast zu einem vollständigen
Brich. In Deutschland machte er Rückert's und Schelling's Bekanntschaft, in
Dresden die Bekanntschaft C. M. v. Weber's, in Berlin lernte er Hoffmann,
Fvuqu«; und Bcttine kennen. Die Letztere fragte ihn einmal, als sie ihn gerade sehr
stark geneckt hatte, ob auch bei ihm zu Hause Damm wären, die ihm die Wahr¬
heit sagen konnten. „O ja", sagte er, „wir haben sehr vernünftige, artige
Damen in Kopenhagen." „Aber", sagte sie, ,,wenn sie alle so höflich und artig
sind, wer sagt Ihnen denn das Nothwendige derb und grob?" — „O", ant¬
wortete er, „wenn ich das zur Veränderung einmal von Damen hören will, s»
reise ich ins Ausland." „Bravo!" rief sie und brach in Gelächter aus, „ich
verzeihe Ihnen Ihre Unverschämtheit, es war eine gute Antwort." — Sehr intim
wurde Oehleuschläger mit Fvnquv und T. A. Hoffmann; auch mit Tieck und
Solger ging er viel um, weniger mit Arnim und Schleiermacher. Es war dieser
Kreis die zweite Auflage der romantischen Schule, die damals ganz ihren Mittel¬
punkt in Berlin fand.

Im September 1820 kehrte er nach Kopenhagen zurück. Seine Fruchtbar¬
keit war nicht erschöpft; Jahr für Jahr schrieb er Dramen, die er meistens auch
ins Deutsche übersetzte. Mit W. Scott trat er in eiuen freundschaftlichen Brief¬
wechsel. Außerdem legte er sich, um die Ehre seines Amts aufrecht zu halten,
etwas eifriger als früher aus das Lateinische. Seine Verbindungen mit Deutsch-'


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[0336] Heidelberg suchte er den alten Voß auf, und theilte ihm den Correggio mit, den er in Italien Deutsch gedichtet hatte. Dieses Gedicht schickte er auch Goethe zu, es fand aber keinen Beifall bei ihm, wie Goethe überhaupt das herzliche Ent¬ gegenkommen seines frühern Schützlings mit großer Kälte ausnahm, ohne daß Dieser den Grund entdecken konnte. Nach fünfjähriger Abwesenheit kehrte Oehleuschläger jetzt in sein Vaterland zurück, wo er gleich darauf als Professor der Aesthetik bei der Universität ange¬ stellt wurde. Er hatte ein Gehalt von 1200 Thalern, nahm für seine Schriften auch Einiges ein, wurde in die feinsten Gesellschaften eingeführt, und verheirathete sich gleich daraus. Er fand eine große Menge Verehrer, aber freilich auch viele Gegner, theils von Seiten der alten Schule, theils in einer jüngern, etwas schwärmerischen Richtung, an deren Spitze sich Grnndtvig stellte. Seine neuern Dichtungen, worunter auch einige Lustspiele waren, machten verschiedenes Glück. Auch seine Verbindungen mit Deutschland waren seit seinem Bruch mit den Ro¬ mantikern, und nachdem er Goethe's Gunst verloren, zweifelhaft geworden; da¬ gegen erfreute ihn eine sehr günstige Recension, die Jean Paul über seine Stücke schrieb. Eine neue Reise machte er im Jahre 1817 als Begleiter des jungen Baron Bertvuch. In Wien suchte er Fr. Schlegel wieder auf, der ihn höflich, aber vornehm empfing. In Paris fand er die Stimmung der Frau v. StaÄ gegen ihn sehr zu seinen Ungunsten geändert, und es kam sast zu einem vollständigen Brich. In Deutschland machte er Rückert's und Schelling's Bekanntschaft, in Dresden die Bekanntschaft C. M. v. Weber's, in Berlin lernte er Hoffmann, Fvuqu«; und Bcttine kennen. Die Letztere fragte ihn einmal, als sie ihn gerade sehr stark geneckt hatte, ob auch bei ihm zu Hause Damm wären, die ihm die Wahr¬ heit sagen konnten. „O ja", sagte er, „wir haben sehr vernünftige, artige Damen in Kopenhagen." „Aber", sagte sie, ,,wenn sie alle so höflich und artig sind, wer sagt Ihnen denn das Nothwendige derb und grob?" — „O", ant¬ wortete er, „wenn ich das zur Veränderung einmal von Damen hören will, s» reise ich ins Ausland." „Bravo!" rief sie und brach in Gelächter aus, „ich verzeihe Ihnen Ihre Unverschämtheit, es war eine gute Antwort." — Sehr intim wurde Oehleuschläger mit Fvnquv und T. A. Hoffmann; auch mit Tieck und Solger ging er viel um, weniger mit Arnim und Schleiermacher. Es war dieser Kreis die zweite Auflage der romantischen Schule, die damals ganz ihren Mittel¬ punkt in Berlin fand. Im September 1820 kehrte er nach Kopenhagen zurück. Seine Fruchtbar¬ keit war nicht erschöpft; Jahr für Jahr schrieb er Dramen, die er meistens auch ins Deutsche übersetzte. Mit W. Scott trat er in eiuen freundschaftlichen Brief¬ wechsel. Außerdem legte er sich, um die Ehre seines Amts aufrecht zu halten, etwas eifriger als früher aus das Lateinische. Seine Verbindungen mit Deutsch-'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/336>, abgerufen am 04.07.2024.