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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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das Ministerium den Ereignissen im Nachbarstaats hätte große Aufmerksamkeit zu¬
wenden können. Da sich aber seitdem eine sichere Majorität für das Ministerium
gefunden hat, so dürfte sich dieses wol angelegentlicher mit den Zuständen eines
Landes beschäftigen, das den Spaniern das verlockende, aber halbvergessene Schau¬
spiel einer Militairrevolutiou wieder vorgeführt hat, und den Miguelisten, welche
mit den Spanischen Carlisten in enger Verbindung stehen, neuen Spielraum zu
geben verspricht. Das republikanische Frankreich ist schon aus innerer Seelen¬
verwandtschaft für den absolutistische" Thomar, der durch seine Feindschaft mit
Lord Palmerston einen Anspruch mehr aus die Gönnerschaft der jungen Republik
hat. Lord Palmerston ist, nach der Sprache der ministeriellen Blätter zu schließen,
nicht betrübt über Thouars Fall, aber sieht ungern den gewaltsamen Umsturz, der
weder der Regierung Festigkeit, noch dein Lande Aussicht auf Reformen giebt.
Eine Bewegung der beiden extremen Parteien, der Mignelistischen und der septem-
bristischen, könnte sogar den Cagus koeäöri" der Quadrupelallianz wieder ins
Leben rufen und zu einer Intervention der drei Mächte führen.




Die Constitutionellen in der gegenwärtigen Krisis.

Ich konnte es Mir denken, daß die beiden Briefe über die Stellung unsrer
Partei zu deu neuesten Verfassungs-Versuchen der Preußischen Negierung eine leb¬
hafte Opposition hervorrufen würden. Der Umbildungs-Proceß, in dem wir be¬
griffen sind, kann nicht ohne eine heftige innere Währung vor sich gehen. -- Von
den Zeitungen unsrer Farbe, die mir zu Gesicht gekommen sind, nimmt nur die
Weserzeitung mit großer Entschiedenheit den Standpunkt ein, der auch der
meinige ist. -- Dagegen haben die Breslauer und die Reichszeitung sich
veranlaßt gefühlt, ziemlich leidenschaftlich gegen mich aufzutreten.

Was die erste betrifft, so habe ich zunächst den unschicklichen Ton zu rügen,
in dem ihre Polemik gehalten ist, und der keineswegs dnrch das Gewicht ihrer
Gründe gerechtfertigt wird. Redensarten, wie folgende: "Die constitutionelle
Partei führt ihren Namen von der Constitution. Sie ist die Partei des Vcrfas-
sungsstaats, und der Verfassungsstaat ist eben der Rechtsstaat, die allein haltbare
Stellung einer constitutionellen Partei, der Standpunkt des viclverspotteten Nechts-
bodens. Giebt die Partei diesen auf . . . ., dann mögen ihre Mitglieder alles
Mögliche sein. . ., Constitutionelle sind sie nicht mehr, und eine constitutionelle
Partei hat aufgehört zu existiren" -- solche Redensarten sind nicht geeignet,
uns über unsre Lage aufzuklären, und sie gehören in die Kategorie jener formellen
Deductionen, in denen sich ein Theil unsrer Partei mit Vorliebe bewegt, und
über die man sich mit Recht lustig gemacht hat.


das Ministerium den Ereignissen im Nachbarstaats hätte große Aufmerksamkeit zu¬
wenden können. Da sich aber seitdem eine sichere Majorität für das Ministerium
gefunden hat, so dürfte sich dieses wol angelegentlicher mit den Zuständen eines
Landes beschäftigen, das den Spaniern das verlockende, aber halbvergessene Schau¬
spiel einer Militairrevolutiou wieder vorgeführt hat, und den Miguelisten, welche
mit den Spanischen Carlisten in enger Verbindung stehen, neuen Spielraum zu
geben verspricht. Das republikanische Frankreich ist schon aus innerer Seelen¬
verwandtschaft für den absolutistische» Thomar, der durch seine Feindschaft mit
Lord Palmerston einen Anspruch mehr aus die Gönnerschaft der jungen Republik
hat. Lord Palmerston ist, nach der Sprache der ministeriellen Blätter zu schließen,
nicht betrübt über Thouars Fall, aber sieht ungern den gewaltsamen Umsturz, der
weder der Regierung Festigkeit, noch dein Lande Aussicht auf Reformen giebt.
Eine Bewegung der beiden extremen Parteien, der Mignelistischen und der septem-
bristischen, könnte sogar den Cagus koeäöri» der Quadrupelallianz wieder ins
Leben rufen und zu einer Intervention der drei Mächte führen.




Die Constitutionellen in der gegenwärtigen Krisis.

Ich konnte es Mir denken, daß die beiden Briefe über die Stellung unsrer
Partei zu deu neuesten Verfassungs-Versuchen der Preußischen Negierung eine leb¬
hafte Opposition hervorrufen würden. Der Umbildungs-Proceß, in dem wir be¬
griffen sind, kann nicht ohne eine heftige innere Währung vor sich gehen. — Von
den Zeitungen unsrer Farbe, die mir zu Gesicht gekommen sind, nimmt nur die
Weserzeitung mit großer Entschiedenheit den Standpunkt ein, der auch der
meinige ist. — Dagegen haben die Breslauer und die Reichszeitung sich
veranlaßt gefühlt, ziemlich leidenschaftlich gegen mich aufzutreten.

Was die erste betrifft, so habe ich zunächst den unschicklichen Ton zu rügen,
in dem ihre Polemik gehalten ist, und der keineswegs dnrch das Gewicht ihrer
Gründe gerechtfertigt wird. Redensarten, wie folgende: „Die constitutionelle
Partei führt ihren Namen von der Constitution. Sie ist die Partei des Vcrfas-
sungsstaats, und der Verfassungsstaat ist eben der Rechtsstaat, die allein haltbare
Stellung einer constitutionellen Partei, der Standpunkt des viclverspotteten Nechts-
bodens. Giebt die Partei diesen auf . . . ., dann mögen ihre Mitglieder alles
Mögliche sein. . ., Constitutionelle sind sie nicht mehr, und eine constitutionelle
Partei hat aufgehört zu existiren" — solche Redensarten sind nicht geeignet,
uns über unsre Lage aufzuklären, und sie gehören in die Kategorie jener formellen
Deductionen, in denen sich ein Theil unsrer Partei mit Vorliebe bewegt, und
über die man sich mit Recht lustig gemacht hat.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/32>, abgerufen am 30.06.2024.