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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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wie er sich im Anfang der Bewegung sorgfältig von der der Königin feind¬
selig gesinnten Septembristenpartei frei hielt, und sich blos auf die Armee stützte,
was beinahe zum Scheitern seines Planes geführt hätte. Bald jedoch erkannte
er die Nothwendigkeit, seiner Regierung eine andere Basis zu geben, und ver¬
suchte dies in der Ausdehnung, daß er seinen ältesten Gegnern die Hand reichte.
Der Ueberwinder Don Mignelö ruft die proscribirteu Miguclistischen Pairs wieder
in das active politische Leben zurück, und der General, welcher 1846 gegen die
Junta von Oporto marschiric, zieht selbst das Schwert gegen die Königin,
und giebt einigen seiner damaligen Gegner wichtige Stellen im Heer. Darunter
war selbst Das Ardas, einer der vornehmsten Führer der septembristischen
Bewegung von 18iK, dessen Ernennung zum Commandanten der 7. Division fast
eine militairische Contrerevolution veranlaßt hätte. Seitdem sind die militärischen
Ernennungen Saldanha's etwas weniger prononcirt septembristisch. Die Miguelisti-
sche Partei, welche ans den ältesten und reichsten Familien des Landes besteht,
sah nicht ungern ihren frühern Gegner Saldanha im offenen Aufstand gegen die
Königin, die er zu ihrem Nachtheil ans den Thron gesetzt, und sie ließen sich die
neue Revolution gefallen, wie die Französischen Legitimisten die Republik von
18i8, nicht weil sie den neuen Zustand liebten, sondern weil sie den umgestürzten
haßten. Saldanha hat gehofft, sich dnrch die Miguelistischen Pairs im Oberhause
eine Majorität gegen Cabral zu verschaffen, aber es fällt der Partei nicht bei,
dem Ministerium eine active Unterstützung angedeihen zu lassen. Von den 27
zurückberufene" Pairs haben -is protestirt, und nur -i haben sich zum Eintritt
in die Pairskammer bereit erklärt. Während so die Miguelisteu das Entgegen¬
kommen des Ministeriums kalt zurückweisen, ist es sehr zu befürchten, daß die
Septembristen seiue Isolirung benutzen, um sich dasselbe ganz dienstbar zu macheu,
und ihre autiroyalistischen Pläne zu fördern.

Die einzigen Stützen des gegenwärtigen Zustandes sind daher immer noch
das Heer und der Beamtenstand. Eine Armee aber, welche eben an einer Re¬
volution Theil genommen hat, und dafür, daß sie ihren Fahneneid gebrochen,
mit Orden und Beförderungen belohnt worden ist, wird nur allzugeneigt sein,
das Experiment zu wiederholen. Diejenigen, welche bei der Theilung der Bente
zu kurz gekommen sind, hoffen bei einer neuen Umwälzung die Gelegenheit besser
zu benutzen, und Die, welche das erste Mal glücklich waren, werden eine neue Aus¬
sicht, sich zu bereichern, mit Freude" begrüßen. Eben so wenig verläßlich ist die
Beamtenschaft, die sich bei jedem Systemwechsel mit einer massenhaften Entlassung
bedroht sieht, und daher stets in der sclavischsten Unterwürfigkeit gegen die zur
Herrschaft gelangende Partei ihre Rettung sucht.

Das Ausland hat sich über den neuen Zustand der Dinge noch nicht ent¬
schieden ausgesprochen. Bon den zunächst Betheiligten war Spanien während
des Verlaufs der Revolution gerade zu sehr mit deu Wahlen beschäftigt, als daß


wie er sich im Anfang der Bewegung sorgfältig von der der Königin feind¬
selig gesinnten Septembristenpartei frei hielt, und sich blos auf die Armee stützte,
was beinahe zum Scheitern seines Planes geführt hätte. Bald jedoch erkannte
er die Nothwendigkeit, seiner Regierung eine andere Basis zu geben, und ver¬
suchte dies in der Ausdehnung, daß er seinen ältesten Gegnern die Hand reichte.
Der Ueberwinder Don Mignelö ruft die proscribirteu Miguclistischen Pairs wieder
in das active politische Leben zurück, und der General, welcher 1846 gegen die
Junta von Oporto marschiric, zieht selbst das Schwert gegen die Königin,
und giebt einigen seiner damaligen Gegner wichtige Stellen im Heer. Darunter
war selbst Das Ardas, einer der vornehmsten Führer der septembristischen
Bewegung von 18iK, dessen Ernennung zum Commandanten der 7. Division fast
eine militairische Contrerevolution veranlaßt hätte. Seitdem sind die militärischen
Ernennungen Saldanha's etwas weniger prononcirt septembristisch. Die Miguelisti-
sche Partei, welche ans den ältesten und reichsten Familien des Landes besteht,
sah nicht ungern ihren frühern Gegner Saldanha im offenen Aufstand gegen die
Königin, die er zu ihrem Nachtheil ans den Thron gesetzt, und sie ließen sich die
neue Revolution gefallen, wie die Französischen Legitimisten die Republik von
18i8, nicht weil sie den neuen Zustand liebten, sondern weil sie den umgestürzten
haßten. Saldanha hat gehofft, sich dnrch die Miguelistischen Pairs im Oberhause
eine Majorität gegen Cabral zu verschaffen, aber es fällt der Partei nicht bei,
dem Ministerium eine active Unterstützung angedeihen zu lassen. Von den 27
zurückberufene» Pairs haben -is protestirt, und nur -i haben sich zum Eintritt
in die Pairskammer bereit erklärt. Während so die Miguelisteu das Entgegen¬
kommen des Ministeriums kalt zurückweisen, ist es sehr zu befürchten, daß die
Septembristen seiue Isolirung benutzen, um sich dasselbe ganz dienstbar zu macheu,
und ihre autiroyalistischen Pläne zu fördern.

Die einzigen Stützen des gegenwärtigen Zustandes sind daher immer noch
das Heer und der Beamtenstand. Eine Armee aber, welche eben an einer Re¬
volution Theil genommen hat, und dafür, daß sie ihren Fahneneid gebrochen,
mit Orden und Beförderungen belohnt worden ist, wird nur allzugeneigt sein,
das Experiment zu wiederholen. Diejenigen, welche bei der Theilung der Bente
zu kurz gekommen sind, hoffen bei einer neuen Umwälzung die Gelegenheit besser
zu benutzen, und Die, welche das erste Mal glücklich waren, werden eine neue Aus¬
sicht, sich zu bereichern, mit Freude» begrüßen. Eben so wenig verläßlich ist die
Beamtenschaft, die sich bei jedem Systemwechsel mit einer massenhaften Entlassung
bedroht sieht, und daher stets in der sclavischsten Unterwürfigkeit gegen die zur
Herrschaft gelangende Partei ihre Rettung sucht.

Das Ausland hat sich über den neuen Zustand der Dinge noch nicht ent¬
schieden ausgesprochen. Bon den zunächst Betheiligten war Spanien während
des Verlaufs der Revolution gerade zu sehr mit deu Wahlen beschäftigt, als daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/31>, abgerufen am 30.06.2024.