Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.darf ihm jedoch daraus kein Verdienst machen, denn seine Opposition galt nicht darf ihm jedoch daraus kein Verdienst machen, denn seine Opposition galt nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280116"/> <p xml:id="ID_58" prev="#ID_57" next="#ID_59"> darf ihm jedoch daraus kein Verdienst machen, denn seine Opposition galt nicht<lb/> der despotischen Regierungsweise des neuen Ministers, sondern der geringen Nach¬<lb/> giebigkeit Desselben gegen seine persönlichen Ansprüche. Dem Herzog von Sal-<lb/> danha ist die Politik nie etwas Anderes gewesen, als eine Angelegenheit persön¬<lb/> lichen Interesses, und er hat stets Sorge getragen, sich an die Partei zu halten,<lb/> welche sich geneigt zeigte, seinem Eigennutz zu dienen. Er ist sehr popnlair bei<lb/> der Armee, und dies giebt ihm eine große Wichtigkeit in einem Staate, wo eine<lb/> langjährige Mißregiernng jede gesunde Stütze des Staats systematisch geschwächt<lb/> und zerstört hat, und die Regierung, die sich durch Festhalten an der Verfassung<lb/> nicht die Liebe und das Vertrauen ihrer Unterthanen hat gewinnen können, aus<lb/> das Heer als ans ihren einzigen Hort angewiesen ist. Den Herzog machte das<lb/> Bewußtsein seiner einflußreichen Stellung zudringlich und unmäßig in seinen<lb/> Forderungen an das Ministerium, das ihm gern mit Gesandtschaften und ähnlichen<lb/> einträglichen Ehrenposten lohnen wollte, aber nicht mit einem Antheil an der Re-<lb/> gierungsgewalt, wonach Saldanha hauptsächlich strebte, während der Graf Thomar<lb/> durchaus nicht geneigt war, den geringsten Theil davon in andere Hände als die<lb/> seinen fallen zu lassen. So konnte die Spaltung nicht ausbleiben, die sich<lb/> immer mehr erweiterte, bis sie jetzt zu einem von Saldanha geleiteten Militair-<lb/> aufstand geführt hat, ein Schritt, der allerdings nicht von dem allen insurrectionellen<lb/> Bewegungen abgeneigten Charakter des Herzogs zu erwarten war. Das Pu-<lb/> blicum vou Lissabon war daher höchlich von der Nachricht überrascht, daß der<lb/> Herzog am 9. April nur von einigen Adjutanten begleitet, nach Cintra gegangen<lb/> sei, um von dort aus mit den Truppen ein Pronunciamento gegen den Grafen<lb/> Thomar zu organisiren. Alle Welt war überzeugt, daß die Truppen dem Rufe<lb/> des geliebten Führers Folge leisten würden und daß Thouars Sturz unfehlbar<lb/> folgen müßte — aber nahezu war die ganze Revolution fehlgeschlagen. Ans die<lb/> erste Nachricht von dem Aufstande warf sich der König mit rascher Entschlossen¬<lb/> heit auf die wichtige Festung Santarem, erreichte sie vor Saldanha, und konnte<lb/> hier einen großen Theil der Truppen an sich ziehen, auf deren Beistand der<lb/> Herzog gerechnet hatte, während er sich durch diese Bewegung zugleich von den<lb/> Regimentern abgeschickten sah, welche sich bereits im Süden des Landes zu seinen<lb/> Gunsten erhoben hatten. Vergebens hoffte er, daß die Regimenter, welche der<lb/> König gegen ihn führte, zu ihm desertiren würden, wenn er sie nnr erst haranguiren<lb/> könnte; der König hatte diese Gefahr recht gut erkannt, und hütete sich wohl, seine<lb/> Truppen in versnchungsweise Nähe zu bringen; er hielt sich sorgfältig in Santarem<lb/> eingeschlossen und ließ Saldanha unverfolgt seines Weges gegen Norden ziehen.<lb/> Unter dem Volke fand dieser keine Anhänger, und suchte sie wol auch Anfangs<lb/> nicht, da er die Bewegung blos mit Hilfe der Armee durchsetzen wollte. Um<lb/> einen letzten Versuch zu macheu, entschloß sich der Marschall, die wenigen Truppen,<lb/> die er zusammen gebracht hatte, zu verlassen, und sich allein nach dem Duero zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
darf ihm jedoch daraus kein Verdienst machen, denn seine Opposition galt nicht
der despotischen Regierungsweise des neuen Ministers, sondern der geringen Nach¬
giebigkeit Desselben gegen seine persönlichen Ansprüche. Dem Herzog von Sal-
danha ist die Politik nie etwas Anderes gewesen, als eine Angelegenheit persön¬
lichen Interesses, und er hat stets Sorge getragen, sich an die Partei zu halten,
welche sich geneigt zeigte, seinem Eigennutz zu dienen. Er ist sehr popnlair bei
der Armee, und dies giebt ihm eine große Wichtigkeit in einem Staate, wo eine
langjährige Mißregiernng jede gesunde Stütze des Staats systematisch geschwächt
und zerstört hat, und die Regierung, die sich durch Festhalten an der Verfassung
nicht die Liebe und das Vertrauen ihrer Unterthanen hat gewinnen können, aus
das Heer als ans ihren einzigen Hort angewiesen ist. Den Herzog machte das
Bewußtsein seiner einflußreichen Stellung zudringlich und unmäßig in seinen
Forderungen an das Ministerium, das ihm gern mit Gesandtschaften und ähnlichen
einträglichen Ehrenposten lohnen wollte, aber nicht mit einem Antheil an der Re-
gierungsgewalt, wonach Saldanha hauptsächlich strebte, während der Graf Thomar
durchaus nicht geneigt war, den geringsten Theil davon in andere Hände als die
seinen fallen zu lassen. So konnte die Spaltung nicht ausbleiben, die sich
immer mehr erweiterte, bis sie jetzt zu einem von Saldanha geleiteten Militair-
aufstand geführt hat, ein Schritt, der allerdings nicht von dem allen insurrectionellen
Bewegungen abgeneigten Charakter des Herzogs zu erwarten war. Das Pu-
blicum vou Lissabon war daher höchlich von der Nachricht überrascht, daß der
Herzog am 9. April nur von einigen Adjutanten begleitet, nach Cintra gegangen
sei, um von dort aus mit den Truppen ein Pronunciamento gegen den Grafen
Thomar zu organisiren. Alle Welt war überzeugt, daß die Truppen dem Rufe
des geliebten Führers Folge leisten würden und daß Thouars Sturz unfehlbar
folgen müßte — aber nahezu war die ganze Revolution fehlgeschlagen. Ans die
erste Nachricht von dem Aufstande warf sich der König mit rascher Entschlossen¬
heit auf die wichtige Festung Santarem, erreichte sie vor Saldanha, und konnte
hier einen großen Theil der Truppen an sich ziehen, auf deren Beistand der
Herzog gerechnet hatte, während er sich durch diese Bewegung zugleich von den
Regimentern abgeschickten sah, welche sich bereits im Süden des Landes zu seinen
Gunsten erhoben hatten. Vergebens hoffte er, daß die Regimenter, welche der
König gegen ihn führte, zu ihm desertiren würden, wenn er sie nnr erst haranguiren
könnte; der König hatte diese Gefahr recht gut erkannt, und hütete sich wohl, seine
Truppen in versnchungsweise Nähe zu bringen; er hielt sich sorgfältig in Santarem
eingeschlossen und ließ Saldanha unverfolgt seines Weges gegen Norden ziehen.
Unter dem Volke fand dieser keine Anhänger, und suchte sie wol auch Anfangs
nicht, da er die Bewegung blos mit Hilfe der Armee durchsetzen wollte. Um
einen letzten Versuch zu macheu, entschloß sich der Marschall, die wenigen Truppen,
die er zusammen gebracht hatte, zu verlassen, und sich allein nach dem Duero zu
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