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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Tcmsimirt durchzuführen. Daher sind alle Mahnungen, alle Befehle der Regie¬
rung vergeblich, und der lansimat ist nur in den apologetischen und panegyrischen
Stambuler Korrespondenzen gewisser Englischer, Französischer und Deutscher Jour¬
nale eine Thatsache, sonst überall nnr ein Traumbild.

Die Alttürkische Partei in Bosnien hat durch deu Tod des Herzegowina
Veziers Ali Pascha Stoltschewitsch einen durchaus unersetzlichen Berlnst erlitten;
so lange sich nicht irgend ein neues Haupt für dieselbe gesunden hat, wird
ihre Wirksamkeit ohne große Bedeutung sein, und sich ans die Nährung des
Hasses gegen deu verdschaurten Sultan und seine Rathgeber beschränken müssen.
Da aber in so wenig bekannten Ländern auch die Tüchtigkeit der Menschen vor
ihrer Bethätigung in uns bekannt werdenden Affairen nicht bekannt sein kann,
so mag dies keinesfalls als ein Hinderniß der Bewegung angesehen wer¬
den, denn Dinge und Menschen machen sich hier über Nacht, und stehen am
Morgen ganz unerwartet vor den Blicken der Zuschauer. Um indessen auch dies
nach Möglichkeit zu verhindern, läßt Omer-Pascha alle schwerer Gravirteu von
der Jnsurgentenpartci durch ein Kriegsgericht zur Deportation verurtheilen, und
eben hat ein solcher Transport von etwa 300 vunägel^v (Rebellen) Bosnien
verlassen. Er hat ferner die ganze Provinz entwaffnen lassen -- das heißt: die
Entwaffnung angeordnet, ob sie aber von den untergeordneten Vollzngsbehvrden
wirklich vollzogen wird, ist eine andere Frage -- er hat endlich gedroht, jeden
Ort, wo ein Aufruhr ausbrechen sollte, der Erde gleich zu machen. Diese aller¬
dings strengen Befehle dienen nun vor der Hand dazu, die Leute in Furcht zu
erhalten, aber die überaus schlechte Gesinnung der Bohnischen Türken wird damit
nicht gebessert werden. Die Erbitterung über die Maßregeln der Regierung ist
größer als jemals, und wenn sie einmal wieder zum Ausbrüche kommt, wird
es noch gräulichere Scenen gebe", als im letzten Aufstände: aber was läßt sich
da thun? Wollte man auch deu Leuten zu Gefallen handeln, so würde es doch
bald dahin kommen, daß das ganze Land ein einziges Schlachtfeld würde, denn
Jeder will etwas Anderes haben, und nicht zwei Menschen vereinigen sich zu
einem präcis formulirten Wunsche.

, Die Naja ist, wie während der ganzen Dauer des letzten Aufstandes, voll¬
kommen ruhig; der I-rnsumu, scheint ihr nicht eben sehr am Herzen zu liegen,
und sie sieht alle diese Vorgänge mit dem decidirtesten Stoicismus an. Diese
Haltung gefällt nun den Machthabern freilich nicht; sie wünschen, daß sich die
Naja für die neue Ordnung der Dinge interesstrte, und versuchen dies durch
mancherlei Verfügungen zu bewirken; aber Alles vergebens. Die Raja läßt sich
zu keiner Pactition mit dem Tnrkenthume herbei, thut, was ihr befohlen wird,
weil sie es thun muß, und wartet auf ihre Zeit. --

Alle Journale sind mit Nachrichten von Zerwürfnissen zwischen der Pforte
und der Cruogora angefüllt, und prvgnosticircn einen Krieg zwischen diesen beiden


Grenzboten, UI. -ILL-I, 33

Tcmsimirt durchzuführen. Daher sind alle Mahnungen, alle Befehle der Regie¬
rung vergeblich, und der lansimat ist nur in den apologetischen und panegyrischen
Stambuler Korrespondenzen gewisser Englischer, Französischer und Deutscher Jour¬
nale eine Thatsache, sonst überall nnr ein Traumbild.

Die Alttürkische Partei in Bosnien hat durch deu Tod des Herzegowina
Veziers Ali Pascha Stoltschewitsch einen durchaus unersetzlichen Berlnst erlitten;
so lange sich nicht irgend ein neues Haupt für dieselbe gesunden hat, wird
ihre Wirksamkeit ohne große Bedeutung sein, und sich ans die Nährung des
Hasses gegen deu verdschaurten Sultan und seine Rathgeber beschränken müssen.
Da aber in so wenig bekannten Ländern auch die Tüchtigkeit der Menschen vor
ihrer Bethätigung in uns bekannt werdenden Affairen nicht bekannt sein kann,
so mag dies keinesfalls als ein Hinderniß der Bewegung angesehen wer¬
den, denn Dinge und Menschen machen sich hier über Nacht, und stehen am
Morgen ganz unerwartet vor den Blicken der Zuschauer. Um indessen auch dies
nach Möglichkeit zu verhindern, läßt Omer-Pascha alle schwerer Gravirteu von
der Jnsurgentenpartci durch ein Kriegsgericht zur Deportation verurtheilen, und
eben hat ein solcher Transport von etwa 300 vunägel^v (Rebellen) Bosnien
verlassen. Er hat ferner die ganze Provinz entwaffnen lassen — das heißt: die
Entwaffnung angeordnet, ob sie aber von den untergeordneten Vollzngsbehvrden
wirklich vollzogen wird, ist eine andere Frage — er hat endlich gedroht, jeden
Ort, wo ein Aufruhr ausbrechen sollte, der Erde gleich zu machen. Diese aller¬
dings strengen Befehle dienen nun vor der Hand dazu, die Leute in Furcht zu
erhalten, aber die überaus schlechte Gesinnung der Bohnischen Türken wird damit
nicht gebessert werden. Die Erbitterung über die Maßregeln der Regierung ist
größer als jemals, und wenn sie einmal wieder zum Ausbrüche kommt, wird
es noch gräulichere Scenen gebe», als im letzten Aufstände: aber was läßt sich
da thun? Wollte man auch deu Leuten zu Gefallen handeln, so würde es doch
bald dahin kommen, daß das ganze Land ein einziges Schlachtfeld würde, denn
Jeder will etwas Anderes haben, und nicht zwei Menschen vereinigen sich zu
einem präcis formulirten Wunsche.

, Die Naja ist, wie während der ganzen Dauer des letzten Aufstandes, voll¬
kommen ruhig; der I-rnsumu, scheint ihr nicht eben sehr am Herzen zu liegen,
und sie sieht alle diese Vorgänge mit dem decidirtesten Stoicismus an. Diese
Haltung gefällt nun den Machthabern freilich nicht; sie wünschen, daß sich die
Naja für die neue Ordnung der Dinge interesstrte, und versuchen dies durch
mancherlei Verfügungen zu bewirken; aber Alles vergebens. Die Raja läßt sich
zu keiner Pactition mit dem Tnrkenthume herbei, thut, was ihr befohlen wird,
weil sie es thun muß, und wartet auf ihre Zeit. —

Alle Journale sind mit Nachrichten von Zerwürfnissen zwischen der Pforte
und der Cruogora angefüllt, und prvgnosticircn einen Krieg zwischen diesen beiden


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[0265] Tcmsimirt durchzuführen. Daher sind alle Mahnungen, alle Befehle der Regie¬ rung vergeblich, und der lansimat ist nur in den apologetischen und panegyrischen Stambuler Korrespondenzen gewisser Englischer, Französischer und Deutscher Jour¬ nale eine Thatsache, sonst überall nnr ein Traumbild. Die Alttürkische Partei in Bosnien hat durch deu Tod des Herzegowina Veziers Ali Pascha Stoltschewitsch einen durchaus unersetzlichen Berlnst erlitten; so lange sich nicht irgend ein neues Haupt für dieselbe gesunden hat, wird ihre Wirksamkeit ohne große Bedeutung sein, und sich ans die Nährung des Hasses gegen deu verdschaurten Sultan und seine Rathgeber beschränken müssen. Da aber in so wenig bekannten Ländern auch die Tüchtigkeit der Menschen vor ihrer Bethätigung in uns bekannt werdenden Affairen nicht bekannt sein kann, so mag dies keinesfalls als ein Hinderniß der Bewegung angesehen wer¬ den, denn Dinge und Menschen machen sich hier über Nacht, und stehen am Morgen ganz unerwartet vor den Blicken der Zuschauer. Um indessen auch dies nach Möglichkeit zu verhindern, läßt Omer-Pascha alle schwerer Gravirteu von der Jnsurgentenpartci durch ein Kriegsgericht zur Deportation verurtheilen, und eben hat ein solcher Transport von etwa 300 vunägel^v (Rebellen) Bosnien verlassen. Er hat ferner die ganze Provinz entwaffnen lassen — das heißt: die Entwaffnung angeordnet, ob sie aber von den untergeordneten Vollzngsbehvrden wirklich vollzogen wird, ist eine andere Frage — er hat endlich gedroht, jeden Ort, wo ein Aufruhr ausbrechen sollte, der Erde gleich zu machen. Diese aller¬ dings strengen Befehle dienen nun vor der Hand dazu, die Leute in Furcht zu erhalten, aber die überaus schlechte Gesinnung der Bohnischen Türken wird damit nicht gebessert werden. Die Erbitterung über die Maßregeln der Regierung ist größer als jemals, und wenn sie einmal wieder zum Ausbrüche kommt, wird es noch gräulichere Scenen gebe», als im letzten Aufstände: aber was läßt sich da thun? Wollte man auch deu Leuten zu Gefallen handeln, so würde es doch bald dahin kommen, daß das ganze Land ein einziges Schlachtfeld würde, denn Jeder will etwas Anderes haben, und nicht zwei Menschen vereinigen sich zu einem präcis formulirten Wunsche. , Die Naja ist, wie während der ganzen Dauer des letzten Aufstandes, voll¬ kommen ruhig; der I-rnsumu, scheint ihr nicht eben sehr am Herzen zu liegen, und sie sieht alle diese Vorgänge mit dem decidirtesten Stoicismus an. Diese Haltung gefällt nun den Machthabern freilich nicht; sie wünschen, daß sich die Naja für die neue Ordnung der Dinge interesstrte, und versuchen dies durch mancherlei Verfügungen zu bewirken; aber Alles vergebens. Die Raja läßt sich zu keiner Pactition mit dem Tnrkenthume herbei, thut, was ihr befohlen wird, weil sie es thun muß, und wartet auf ihre Zeit. — Alle Journale sind mit Nachrichten von Zerwürfnissen zwischen der Pforte und der Cruogora angefüllt, und prvgnosticircn einen Krieg zwischen diesen beiden Grenzboten, UI. -ILL-I, 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/265>, abgerufen am 02.07.2024.