Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.Text, den er zu seinem wunderbar schönen Oratorium benutzt hat, ist eine wirk¬ Das dritte Orientalische Gedicht Moore's sind die Lieb esgesch lebten der Text, den er zu seinem wunderbar schönen Oratorium benutzt hat, ist eine wirk¬ Das dritte Orientalische Gedicht Moore's sind die Lieb esgesch lebten der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280349"/> <p xml:id="ID_706" prev="#ID_705"> Text, den er zu seinem wunderbar schönen Oratorium benutzt hat, ist eine wirk¬<lb/> liche Uebersetzung aus Moore, mit genauer Beibehaltung des Rhythmus, nur mit<lb/> Hinzufügung einiger unbedeutenden Chöre, welche die Architektonik deö Oratoriums<lb/> erfordert, und wie schön schmiegt sich die Musik diesen schmeichlerischen Versen an.<lb/> Der heroische Geist im ersten Theil, im zweiten die aufopfernde Liebe, die den<lb/> Schrecken der Pest trotzt, im dritten die immer steigende Schwermuth des hoff¬<lb/> nungslosen Suchens, bis endlich durch ein musikalisch wirklich ausgedrücktes<lb/> Wunder die Versöhnung eintritt, und bei diesen Gegensätzen doch eine strenge<lb/> Einheit in der Haltung des Ganzen: — das Alles ist freilich ein Verdienst des<lb/> Componisten, allein selten hat ein Dichter seinem Komponisten so glänzend vor¬<lb/> gearbeitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_707" next="#ID_708"> Das dritte Orientalische Gedicht Moore's sind die Lieb esgesch lebten der<lb/> Engel. Eine Reihe von gefallenen Engeln sitzen zusammen, und erzählen ihre<lb/> Vermischung mit den Kindern der Sterblichen, die ihnen das Paradies gekostet<lb/> hat. Das Gedicht ist sehr schwach, wie in der Regel, wenn man sich an der¬<lb/> gleichen überirdische Gegenstände wagt. Es erschien gleichzeitig mit Byron's<lb/> „Himmel und Erde", welches sich ungefähr mit dem nämlichen Gegenstand be¬<lb/> schäftigt, aber durch die dämonische Natur dieses mächtigen Genius gewinnt auch<lb/> das Unmögliche und Unsinnliche wenigstens den Schein einer gewissen Realität;<lb/> Moore dagegen wird überschwänglich und sentimental, und das Beste sind noch<lb/> immer die sinnlichen Schilderungen dieser spiritualistischen Verhältnisse, z. B. wie<lb/> die stanbgeborne Geliebte deö ersten Engels ihrem himmlischen Anbeter den<lb/> Zauberspruch abschmeichelt, durch welchen Flügel wachsen, wie sie sich dann in<lb/> einen strahlenden Engel verwandelt, zu den Sternen aufschwingt, und halb weh¬<lb/> müthig, halb spöttisch dem gefallenen Sohn des Himmels, der aus der kalten<lb/> Erde zurückbleiben muß, nachblickt. Freilich gehört eigentlich auch zu solchen Schil¬<lb/> derungen, die doch immer einen komischen Beischmack haben, der Genius eines<lb/> Milton, der in seinen concreten, realistischen, Protestantischen Vorstellungen so fest<lb/> ist, daß ihn kein Widerspruch irre macht; sonst haben wir doch immer nur jene<lb/> rosenblntfarbene, charaktcr- und physiognomielose Seraphe, die wir bereits aus<lb/> Klopstock zur Genüge kennen, und die mehr an die Nococoeleganz der Mode¬<lb/> kupfer erinnern, als an wirkliche Gestalten von Fleisch und Blut, wenn der<lb/> Dichter nicht, wie Herr von Lamartine, es vorzieht, die Ueberschwänglichkeit seines<lb/> Stoffs durch Ungeheuerlichkeiten, die an Tollheit grenzen, auszudrücken. Jo<lb/> Allgemeinen wird der Dichter doch besser daran thun, sich solche Gegenstände zu<lb/> wählen, bei denen wir die Regeln der Sittlichkeit und die Gesetze der Natur<lb/> vor Augen haben können. Jedes Ueberschreiten dieser Grenze in das luftige<lb/> Gebiet des reinen Geistes ist ein Heraustreten aus der Poesie. Um so mehr<lb/> verletzt aber dieser Spiritualismus, wenn wir heransfühlen müssen, daß Alles nur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
Text, den er zu seinem wunderbar schönen Oratorium benutzt hat, ist eine wirk¬
liche Uebersetzung aus Moore, mit genauer Beibehaltung des Rhythmus, nur mit
Hinzufügung einiger unbedeutenden Chöre, welche die Architektonik deö Oratoriums
erfordert, und wie schön schmiegt sich die Musik diesen schmeichlerischen Versen an.
Der heroische Geist im ersten Theil, im zweiten die aufopfernde Liebe, die den
Schrecken der Pest trotzt, im dritten die immer steigende Schwermuth des hoff¬
nungslosen Suchens, bis endlich durch ein musikalisch wirklich ausgedrücktes
Wunder die Versöhnung eintritt, und bei diesen Gegensätzen doch eine strenge
Einheit in der Haltung des Ganzen: — das Alles ist freilich ein Verdienst des
Componisten, allein selten hat ein Dichter seinem Komponisten so glänzend vor¬
gearbeitet.
Das dritte Orientalische Gedicht Moore's sind die Lieb esgesch lebten der
Engel. Eine Reihe von gefallenen Engeln sitzen zusammen, und erzählen ihre
Vermischung mit den Kindern der Sterblichen, die ihnen das Paradies gekostet
hat. Das Gedicht ist sehr schwach, wie in der Regel, wenn man sich an der¬
gleichen überirdische Gegenstände wagt. Es erschien gleichzeitig mit Byron's
„Himmel und Erde", welches sich ungefähr mit dem nämlichen Gegenstand be¬
schäftigt, aber durch die dämonische Natur dieses mächtigen Genius gewinnt auch
das Unmögliche und Unsinnliche wenigstens den Schein einer gewissen Realität;
Moore dagegen wird überschwänglich und sentimental, und das Beste sind noch
immer die sinnlichen Schilderungen dieser spiritualistischen Verhältnisse, z. B. wie
die stanbgeborne Geliebte deö ersten Engels ihrem himmlischen Anbeter den
Zauberspruch abschmeichelt, durch welchen Flügel wachsen, wie sie sich dann in
einen strahlenden Engel verwandelt, zu den Sternen aufschwingt, und halb weh¬
müthig, halb spöttisch dem gefallenen Sohn des Himmels, der aus der kalten
Erde zurückbleiben muß, nachblickt. Freilich gehört eigentlich auch zu solchen Schil¬
derungen, die doch immer einen komischen Beischmack haben, der Genius eines
Milton, der in seinen concreten, realistischen, Protestantischen Vorstellungen so fest
ist, daß ihn kein Widerspruch irre macht; sonst haben wir doch immer nur jene
rosenblntfarbene, charaktcr- und physiognomielose Seraphe, die wir bereits aus
Klopstock zur Genüge kennen, und die mehr an die Nococoeleganz der Mode¬
kupfer erinnern, als an wirkliche Gestalten von Fleisch und Blut, wenn der
Dichter nicht, wie Herr von Lamartine, es vorzieht, die Ueberschwänglichkeit seines
Stoffs durch Ungeheuerlichkeiten, die an Tollheit grenzen, auszudrücken. Jo
Allgemeinen wird der Dichter doch besser daran thun, sich solche Gegenstände zu
wählen, bei denen wir die Regeln der Sittlichkeit und die Gesetze der Natur
vor Augen haben können. Jedes Ueberschreiten dieser Grenze in das luftige
Gebiet des reinen Geistes ist ein Heraustreten aus der Poesie. Um so mehr
verletzt aber dieser Spiritualismus, wenn wir heransfühlen müssen, daß Alles nur
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