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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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verschämt um sich blickend, die geschlossenen Angen, als suchten sie ängstlich die
Wirkung ihres Geständnisses zu prüfen. Dann, wo sie im Auge des Geliebten
die beseligende Hoffnung der Erwiederung zu lesen glaubt, will sie die Gewißheit
dessen erlangen, was der Blick des Angebeteten nur zu versprechen scheint. Da
öffnen sich mit einem Male alle Schleußen der reizenden Coguetterie, welche das
Arsenal des weiblichen Herzens ausmachen, und sie nmgaukelt und umgarnt den
Siuubctäubten wie ein Schmetterling die duftende, nährende Blume. Erst fällt
sie auf die Knie und scheint als Gnade zu erflehen, was doch nur das Gluck deö
Geliebten wäre, -- jetzt neigt sie sich zur Erde und scheint mit dem süßen Leibe
wie die Schlange des Paradieses den Gebieter ihres Herzens verführen zu wollen.
-- Jetzt erhebt sie sich wieder, und entfaltet die Reize ihres Leibes im stolzen
Selbstbewußtsein der Schönheit. Nun wieder bricht sie schmachtend und liebes¬
durstig zusammen, als hätte sie nur zwischen zweifachen Tode zu wählen, dem be¬
glückenden Sterben im Kusse des Geliebten, oder dem Ersticken der verlangen¬
bewältigten Seele. Ihr feuchter Blick, der unter den halbgeschlossenen Wimpern
wie der Sonnenstrahl aus dem Diamant des Thautropfens hervorschießt, ruft
bittend und beschwörend jenen ersten Tod herbei. Sie will sterben: die Lebens¬
fülle, die ihr Herz zusammenpreßt, kann nur in dem süßen Verscheiden an den
Lippen des Geliebten ihre Auferstehung feiern. Da umschlingt der Liebende nnn
ihren Leib, und das Glück der Befriedigung steigert ihre Gefühle zum Dithyram¬
bus, zur Hymne -- keusch und leidenschaftlich zugleich wirft sie sich dem Geliebten
an die Brust, sie empfängt das ganze Glück erwiedernder Liebe, so wie sie ihr
ganzes Herz in jenes des Mannes ihrer Leidenschaft schüttet. Wie das unge¬
zwungen wahr, naiv, keusch und schön ist! In der Petra Camera ist keine Spur
jener erlernten Lüsternheit, jener gemachten Herausforderung, jeuer brutalen, in
schönen Stellungen schlecht verhüllten, kalten, bezahlten Sinnlichkeit unsrer Euro¬
päischen Ballettänzerinnen. Die Leidenschaft, die den schönen Leib, daß süße Blut
durchströmt, hat ihre Quelle im Herzen, und sie findet im Körper nur ihren Aus¬
druck, weil sich das Herz nicht anders hingeben kann. Mit welch rührender Naive¬
tät macht sie uicht das Inventar ihrer Reize, um dem Geliebte" ja den ganzen
Werth ihrer Huldigung fühlbar zu machen. Sie will nnr schön sein sür ihn, und
selbst der äußerliche Schmuck soll nnr dazu dienen, dem Geliebten die Vorzüge
in ein schöneres Licht zu stellen, die sonst seinen Augen vielleicht entgangen wären.
Ich habe Aehnliches nnr in Ungarn gesehen, und der egäräus gemahnt in mancher
Beziehung an dieses leidenschaftliche Licbesdrama, wie es im Tanze der Petra
Camera auftritt. Auch dort ist der Tanz nur eine Improvisation eines liebedurch-
glnhtcn Herzens, auch beim Ungarischen Volke hat die leidenschaftliche Sinnlichkeit
jene keusche Natürlichkeit, die uns bei den Spanierinnen entzückt. Das in die
Hände Klatschen, das jauchzende Rufen der erhitzten Tänzer haben die beiden
Nationen gemeinschaftlich. Die andern Tänze, welche den Leistungen der Petra


verschämt um sich blickend, die geschlossenen Angen, als suchten sie ängstlich die
Wirkung ihres Geständnisses zu prüfen. Dann, wo sie im Auge des Geliebten
die beseligende Hoffnung der Erwiederung zu lesen glaubt, will sie die Gewißheit
dessen erlangen, was der Blick des Angebeteten nur zu versprechen scheint. Da
öffnen sich mit einem Male alle Schleußen der reizenden Coguetterie, welche das
Arsenal des weiblichen Herzens ausmachen, und sie nmgaukelt und umgarnt den
Siuubctäubten wie ein Schmetterling die duftende, nährende Blume. Erst fällt
sie auf die Knie und scheint als Gnade zu erflehen, was doch nur das Gluck deö
Geliebten wäre, — jetzt neigt sie sich zur Erde und scheint mit dem süßen Leibe
wie die Schlange des Paradieses den Gebieter ihres Herzens verführen zu wollen.
— Jetzt erhebt sie sich wieder, und entfaltet die Reize ihres Leibes im stolzen
Selbstbewußtsein der Schönheit. Nun wieder bricht sie schmachtend und liebes¬
durstig zusammen, als hätte sie nur zwischen zweifachen Tode zu wählen, dem be¬
glückenden Sterben im Kusse des Geliebten, oder dem Ersticken der verlangen¬
bewältigten Seele. Ihr feuchter Blick, der unter den halbgeschlossenen Wimpern
wie der Sonnenstrahl aus dem Diamant des Thautropfens hervorschießt, ruft
bittend und beschwörend jenen ersten Tod herbei. Sie will sterben: die Lebens¬
fülle, die ihr Herz zusammenpreßt, kann nur in dem süßen Verscheiden an den
Lippen des Geliebten ihre Auferstehung feiern. Da umschlingt der Liebende nnn
ihren Leib, und das Glück der Befriedigung steigert ihre Gefühle zum Dithyram¬
bus, zur Hymne — keusch und leidenschaftlich zugleich wirft sie sich dem Geliebten
an die Brust, sie empfängt das ganze Glück erwiedernder Liebe, so wie sie ihr
ganzes Herz in jenes des Mannes ihrer Leidenschaft schüttet. Wie das unge¬
zwungen wahr, naiv, keusch und schön ist! In der Petra Camera ist keine Spur
jener erlernten Lüsternheit, jener gemachten Herausforderung, jeuer brutalen, in
schönen Stellungen schlecht verhüllten, kalten, bezahlten Sinnlichkeit unsrer Euro¬
päischen Ballettänzerinnen. Die Leidenschaft, die den schönen Leib, daß süße Blut
durchströmt, hat ihre Quelle im Herzen, und sie findet im Körper nur ihren Aus¬
druck, weil sich das Herz nicht anders hingeben kann. Mit welch rührender Naive¬
tät macht sie uicht das Inventar ihrer Reize, um dem Geliebte« ja den ganzen
Werth ihrer Huldigung fühlbar zu machen. Sie will nnr schön sein sür ihn, und
selbst der äußerliche Schmuck soll nnr dazu dienen, dem Geliebten die Vorzüge
in ein schöneres Licht zu stellen, die sonst seinen Augen vielleicht entgangen wären.
Ich habe Aehnliches nnr in Ungarn gesehen, und der egäräus gemahnt in mancher
Beziehung an dieses leidenschaftliche Licbesdrama, wie es im Tanze der Petra
Camera auftritt. Auch dort ist der Tanz nur eine Improvisation eines liebedurch-
glnhtcn Herzens, auch beim Ungarischen Volke hat die leidenschaftliche Sinnlichkeit
jene keusche Natürlichkeit, die uns bei den Spanierinnen entzückt. Das in die
Hände Klatschen, das jauchzende Rufen der erhitzten Tänzer haben die beiden
Nationen gemeinschaftlich. Die andern Tänze, welche den Leistungen der Petra


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/26>, abgerufen am 30.06.2024.