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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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land, die katholische. "Durch Schmerz und durch Gefahr hat dein Lächeln mei¬
nen Weg erheitert, bis ans jedem Dorn, der meine Füße zerriß, eine Hoffnung
zu knospen schien. Je finstrer unser Schicksal, desto Heller flammte unsre reine
Liebe, bis Schande in Ruhm, bis Furcht in Glauben sich verwandelte. Ja, ein
Sclave, der ich war, fühlte in Deinen Armen mein Geist sich frei, und segnete
selbst die Leiden, die mich Dir theuer machten. Deine Nebenbuhlerin ward ge¬
ehrt, Du wurdest verachtet, Deine Krone war von Waldgebüsch, ihre Stirn
umkränzte ein goldnes Diadem, sie lockte mich zu Tempeln, während Du Dich in
Höhlen bargst, ihre Freunde waren Herren, die Deinen waren Sclaven, aber
kalt in der Erde wollte ich lieber zu Deinen Füßen sein, als einen Gedanken von
Dir wenden, und werben, wo ich nicht liebe. Verleumder sind es, die behaupten,
daß Deine Gelübde zerbrechlich wären. Wärest Dn falsch gewesen, Deine Wange hätte
nicht so blaß ausgesehen. Sie sagen, Du hättest so lange Deine Ketten gerra¬
gen, daß tief in Dein Herz sie ihre Sclavcnflecken eingedrückt. Elende Lüge!
Keine Kette konnte Deine Seele bezwingen; wo Dein Geist strahlt, da leuchtet
die Freiheit." -- Eine sonderbare Behauptung von der katholischen Kirche. Wir
trauen nicht der bleichen Magdalena, so schön sie auch in ihrer Buße aussieht.

Die Melodie und die Stimmung ist bei Moore immer das Erste, und das
ist ganz in der Ordnung bei einem lyrischen Gedicht. Unsre Lyrik geräth jetzt
darum so in Verfall, weil wir mühsam Reflexionen und Bilder zusammenheften,
und die Hauptsache dem Zufall überlassen. Um die Art und Weise seines Dich¬
tens durch ein Beispiel zu erläutern, führen wir ein Lied an, welches er selber
componirt hat. Der Inhalt ist nicht bedeutend und der Rhythmus sehr frei;
aber er schmiegt sich der Stimmung an, wie das Gewand einer Griechischen Statue
dem schonen Körper, der nur durch diese Falten scheint.



"Ich kenne ein Lied aus der alten Zeit, das traurig das Ohr berührt, wie der Traum
von der Glocke in einer Dorfi'irchc, die wir in der Jugend gern hörten. Mitten nnter den
Großen und Fröhlichen, wenn die Musik ihre gefälligste Kunst versuchte, horte ich nimmer
eine so süße Weise, oder eine, die so fest mein Herz umfängt, als dieses Lied ans der alten
Zeit, das traurig das Ohr berührt, wie der Traum von der Glocke in einer Dorfkirche, die
wir in der Jugend gern hörten. -- Und wenn Alles in diesem Leben vorbei ist, selbst die
Hoffnung, die noch zaudert, wie das letzte Blatt ans des Herbstes dürrem, vertrocknetem Zweig,
so wird es mir scheinen, als ob noch immer die Freunde nahe wäre", die mich in der Jugend
frühen Tagen liebten, wenn ich in dieser Scheidestunde die nämlichen süßen Töne höre und
mit ihnen dahin sterbe; dieses Lied ans der alten Zeit, welches mir mit dem letzten Lebewohl
der Hoffnung zuflüstert, daß in einem Hellem Licht das Leben und die Jngend wieder leuchten
werden."

land, die katholische. „Durch Schmerz und durch Gefahr hat dein Lächeln mei¬
nen Weg erheitert, bis ans jedem Dorn, der meine Füße zerriß, eine Hoffnung
zu knospen schien. Je finstrer unser Schicksal, desto Heller flammte unsre reine
Liebe, bis Schande in Ruhm, bis Furcht in Glauben sich verwandelte. Ja, ein
Sclave, der ich war, fühlte in Deinen Armen mein Geist sich frei, und segnete
selbst die Leiden, die mich Dir theuer machten. Deine Nebenbuhlerin ward ge¬
ehrt, Du wurdest verachtet, Deine Krone war von Waldgebüsch, ihre Stirn
umkränzte ein goldnes Diadem, sie lockte mich zu Tempeln, während Du Dich in
Höhlen bargst, ihre Freunde waren Herren, die Deinen waren Sclaven, aber
kalt in der Erde wollte ich lieber zu Deinen Füßen sein, als einen Gedanken von
Dir wenden, und werben, wo ich nicht liebe. Verleumder sind es, die behaupten,
daß Deine Gelübde zerbrechlich wären. Wärest Dn falsch gewesen, Deine Wange hätte
nicht so blaß ausgesehen. Sie sagen, Du hättest so lange Deine Ketten gerra¬
gen, daß tief in Dein Herz sie ihre Sclavcnflecken eingedrückt. Elende Lüge!
Keine Kette konnte Deine Seele bezwingen; wo Dein Geist strahlt, da leuchtet
die Freiheit." — Eine sonderbare Behauptung von der katholischen Kirche. Wir
trauen nicht der bleichen Magdalena, so schön sie auch in ihrer Buße aussieht.

Die Melodie und die Stimmung ist bei Moore immer das Erste, und das
ist ganz in der Ordnung bei einem lyrischen Gedicht. Unsre Lyrik geräth jetzt
darum so in Verfall, weil wir mühsam Reflexionen und Bilder zusammenheften,
und die Hauptsache dem Zufall überlassen. Um die Art und Weise seines Dich¬
tens durch ein Beispiel zu erläutern, führen wir ein Lied an, welches er selber
componirt hat. Der Inhalt ist nicht bedeutend und der Rhythmus sehr frei;
aber er schmiegt sich der Stimmung an, wie das Gewand einer Griechischen Statue
dem schonen Körper, der nur durch diese Falten scheint.



»Ich kenne ein Lied aus der alten Zeit, das traurig das Ohr berührt, wie der Traum
von der Glocke in einer Dorfi'irchc, die wir in der Jugend gern hörten. Mitten nnter den
Großen und Fröhlichen, wenn die Musik ihre gefälligste Kunst versuchte, horte ich nimmer
eine so süße Weise, oder eine, die so fest mein Herz umfängt, als dieses Lied ans der alten
Zeit, das traurig das Ohr berührt, wie der Traum von der Glocke in einer Dorfkirche, die
wir in der Jugend gern hörten. — Und wenn Alles in diesem Leben vorbei ist, selbst die
Hoffnung, die noch zaudert, wie das letzte Blatt ans des Herbstes dürrem, vertrocknetem Zweig,
so wird es mir scheinen, als ob noch immer die Freunde nahe wäre», die mich in der Jugend
frühen Tagen liebten, wenn ich in dieser Scheidestunde die nämlichen süßen Töne höre und
mit ihnen dahin sterbe; dieses Lied ans der alten Zeit, welches mir mit dem letzten Lebewohl
der Hoffnung zuflüstert, daß in einem Hellem Licht das Leben und die Jngend wieder leuchten
werden."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/256>, abgerufen am 04.07.2024.