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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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183i. Der Anklang, den diese Lieder fanden, war ungeheuer. Sie wurden
ins Lateinische, ins Italienische, Französische, Deutsche, Russische und Polnische
übersehe. Einen Theil dieses Erfolgs verdankt Moore wol den Melodien,'auf
die seine Lieder begründet sind, und deren Werth man nach der bekannten "letzten
Rose" ermessen kann, die durch Flotow'ö "Martha" in Deutschland populair ge¬
worden ist (II, 1i>,°>.). Allein die Lieder haben anch ihren eigenen Werth.
Sie schmiegen sich auf eine so wunderbare Weise der Stimmung des Tones an,
die Sprache hat einen so reinen Fluß, die Empfindungen siud so klar und natür¬
lich und so innig in die Bilder verwebt, daß kaum einer der andern Englischen
Dichter jener Zeit ihm verglichen werden kann. In Byron's Gedichten weht
uns hänfig ein frischerer poetischer Geist an, er ergreift die Seele durch kühne,
gewaltige Züge, aber seine Empstndung wird doch fast immer durch Reflexion ver¬
mittelt und es fehlt die melodische Einheit; der Periodenbau, namentlich in seine"
größern Gedichten, widerspricht hänfig allem Rhythmus und aller Melodie. Moore
versteht auch die einfachsten Empfindungen durch ihre edle Haltung interessant zu
machen. ES sind eine ziemliche Zahl von einfachen Trink- und Liebesliedern,
Abschiedslicdern, SchifffahrtSgesäugeu und dergleichen; Gedanken und Bilder sind
nicht wesentlich von einander verschieden, aber doch hat jedes seinen eigenen Ton
und seinen eigenen Reiz. Ich führe einige von diesen lieblichen Liedern, über die
sich eine saufte, aber keineswegs gegcnstaudlose Melancholie breitet, und die doch
im Ganzen genommen einen heitern Eindruck machen, hier an: II. 162, 195,
218, 228, 229,") 357 u. s. w. Dann finden sich anch eine Reihe patriotischer
Heldenlieder mit einem etwas Ossianischen Anstrich, denn Erin'S tapfere Sohne
sind vergebens gefallen, und der Sachse hat ihr grünes Vaterland in Ketten ge¬
schlagen; aber die Hoffnung der einstigen Befreiung ist "och immer geblieben und
walt sich freundliche Bilder aus. Solche Lieder sind unter andern p. 124, 136,
170, 201, 202, 235u. s. w. Ganz eigenthümlich aber ist das Lied eines Irischen
Bauern an seine Geliebte, p. 138. Die Geliebte ist, wie in der Anmerkung
ausdrücklich angeführt wird, allegorisch gemeint, es ist die alte Kirche von Jr-



Das Thema- ein Abend vor der Schlacht, wo man noch zum letzten Male mit den
Kameraden beim Weinglas- sitzt und der Zukunft und Vergangenheit gedenkt, ist von vielen
Lyrikern behandelt worden, und fast immer mit Glück; anch Herwegh hat eins seiner hübschesten
Lieder ans dasselbe bezogen. Wir sichren hier die erste Strophe von einem Moore'schen
Acte "n, welches denselben Gegenstand behandelt, nnr des Tonsalls wegen. Das klebrige
möge man in der angeführten Stelle nachsehen.

183i. Der Anklang, den diese Lieder fanden, war ungeheuer. Sie wurden
ins Lateinische, ins Italienische, Französische, Deutsche, Russische und Polnische
übersehe. Einen Theil dieses Erfolgs verdankt Moore wol den Melodien,'auf
die seine Lieder begründet sind, und deren Werth man nach der bekannten „letzten
Rose" ermessen kann, die durch Flotow'ö „Martha" in Deutschland populair ge¬
worden ist (II, 1i>,°>.). Allein die Lieder haben anch ihren eigenen Werth.
Sie schmiegen sich auf eine so wunderbare Weise der Stimmung des Tones an,
die Sprache hat einen so reinen Fluß, die Empfindungen siud so klar und natür¬
lich und so innig in die Bilder verwebt, daß kaum einer der andern Englischen
Dichter jener Zeit ihm verglichen werden kann. In Byron's Gedichten weht
uns hänfig ein frischerer poetischer Geist an, er ergreift die Seele durch kühne,
gewaltige Züge, aber seine Empstndung wird doch fast immer durch Reflexion ver¬
mittelt und es fehlt die melodische Einheit; der Periodenbau, namentlich in seine»
größern Gedichten, widerspricht hänfig allem Rhythmus und aller Melodie. Moore
versteht auch die einfachsten Empfindungen durch ihre edle Haltung interessant zu
machen. ES sind eine ziemliche Zahl von einfachen Trink- und Liebesliedern,
Abschiedslicdern, SchifffahrtSgesäugeu und dergleichen; Gedanken und Bilder sind
nicht wesentlich von einander verschieden, aber doch hat jedes seinen eigenen Ton
und seinen eigenen Reiz. Ich führe einige von diesen lieblichen Liedern, über die
sich eine saufte, aber keineswegs gegcnstaudlose Melancholie breitet, und die doch
im Ganzen genommen einen heitern Eindruck machen, hier an: II. 162, 195,
218, 228, 229,") 357 u. s. w. Dann finden sich anch eine Reihe patriotischer
Heldenlieder mit einem etwas Ossianischen Anstrich, denn Erin'S tapfere Sohne
sind vergebens gefallen, und der Sachse hat ihr grünes Vaterland in Ketten ge¬
schlagen; aber die Hoffnung der einstigen Befreiung ist «och immer geblieben und
walt sich freundliche Bilder aus. Solche Lieder sind unter andern p. 124, 136,
170, 201, 202, 235u. s. w. Ganz eigenthümlich aber ist das Lied eines Irischen
Bauern an seine Geliebte, p. 138. Die Geliebte ist, wie in der Anmerkung
ausdrücklich angeführt wird, allegorisch gemeint, es ist die alte Kirche von Jr-



Das Thema- ein Abend vor der Schlacht, wo man noch zum letzten Male mit den
Kameraden beim Weinglas- sitzt und der Zukunft und Vergangenheit gedenkt, ist von vielen
Lyrikern behandelt worden, und fast immer mit Glück; anch Herwegh hat eins seiner hübschesten
Lieder ans dasselbe bezogen. Wir sichren hier die erste Strophe von einem Moore'schen
Acte «n, welches denselben Gegenstand behandelt, nnr des Tonsalls wegen. Das klebrige
möge man in der angeführten Stelle nachsehen.
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[0255] 183i. Der Anklang, den diese Lieder fanden, war ungeheuer. Sie wurden ins Lateinische, ins Italienische, Französische, Deutsche, Russische und Polnische übersehe. Einen Theil dieses Erfolgs verdankt Moore wol den Melodien,'auf die seine Lieder begründet sind, und deren Werth man nach der bekannten „letzten Rose" ermessen kann, die durch Flotow'ö „Martha" in Deutschland populair ge¬ worden ist (II, 1i>,°>.). Allein die Lieder haben anch ihren eigenen Werth. Sie schmiegen sich auf eine so wunderbare Weise der Stimmung des Tones an, die Sprache hat einen so reinen Fluß, die Empfindungen siud so klar und natür¬ lich und so innig in die Bilder verwebt, daß kaum einer der andern Englischen Dichter jener Zeit ihm verglichen werden kann. In Byron's Gedichten weht uns hänfig ein frischerer poetischer Geist an, er ergreift die Seele durch kühne, gewaltige Züge, aber seine Empstndung wird doch fast immer durch Reflexion ver¬ mittelt und es fehlt die melodische Einheit; der Periodenbau, namentlich in seine» größern Gedichten, widerspricht hänfig allem Rhythmus und aller Melodie. Moore versteht auch die einfachsten Empfindungen durch ihre edle Haltung interessant zu machen. ES sind eine ziemliche Zahl von einfachen Trink- und Liebesliedern, Abschiedslicdern, SchifffahrtSgesäugeu und dergleichen; Gedanken und Bilder sind nicht wesentlich von einander verschieden, aber doch hat jedes seinen eigenen Ton und seinen eigenen Reiz. Ich führe einige von diesen lieblichen Liedern, über die sich eine saufte, aber keineswegs gegcnstaudlose Melancholie breitet, und die doch im Ganzen genommen einen heitern Eindruck machen, hier an: II. 162, 195, 218, 228, 229,") 357 u. s. w. Dann finden sich anch eine Reihe patriotischer Heldenlieder mit einem etwas Ossianischen Anstrich, denn Erin'S tapfere Sohne sind vergebens gefallen, und der Sachse hat ihr grünes Vaterland in Ketten ge¬ schlagen; aber die Hoffnung der einstigen Befreiung ist «och immer geblieben und walt sich freundliche Bilder aus. Solche Lieder sind unter andern p. 124, 136, 170, 201, 202, 235u. s. w. Ganz eigenthümlich aber ist das Lied eines Irischen Bauern an seine Geliebte, p. 138. Die Geliebte ist, wie in der Anmerkung ausdrücklich angeführt wird, allegorisch gemeint, es ist die alte Kirche von Jr- Das Thema- ein Abend vor der Schlacht, wo man noch zum letzten Male mit den Kameraden beim Weinglas- sitzt und der Zukunft und Vergangenheit gedenkt, ist von vielen Lyrikern behandelt worden, und fast immer mit Glück; anch Herwegh hat eins seiner hübschesten Lieder ans dasselbe bezogen. Wir sichren hier die erste Strophe von einem Moore'schen Acte «n, welches denselben Gegenstand behandelt, nnr des Tonsalls wegen. Das klebrige möge man in der angeführten Stelle nachsehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/255>, abgerufen am 04.07.2024.