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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Art, wie die Goethe'schen Jugendgedichte, mit Anklängen an die ältere Lyrik,
aber doch mehr an unmittelbare Anschauungen erinnernd. Was uns dabei
auffällt, ist die Gewissenhaftigkeit, mit der in den Anmerkungen die Anklänge
an antike Wendungen angegeben werden, und dabei die Feinheit, mit der diese
Anklänge in den Ton des Ganzen verarbeitet find. Charakteristisch für Moore's
Art, die einfachen alten Empfindungen zu modernisiren, ist das kleine Lied (in
der Tauchnilzcr Ausgabe I. pax, 268), welches Shakspeare's "Maß für Maß"
nachgebildet ist; die alte Weise ist beibehalten, dagegen drängt sich eine Masse
von Reflexionen in die einfache Vorstellung hinein, und doch kann man nicht
sagen, daß dadurch die Einheit des Eindrucks gestört wird. -- Neben den volks-
thümlichen Vorstellungen und Empfindungen muß auch die antike Welt Stoffe
hergeben, und eine dithyrambische Ode: Hebe's Fall (pag'. 283), erinnert ihrem
Inhalt wie ihrem Rhythmus uach an ähnliche Gedichte von Schiller, obgleich die
zarte, landschaftliche Stimmung und Empfindung des Englischen Dichters den
Vorzug verdient. Es ist nicht eine solche Unruhe in den Bildern, wie sie uns
bei Schiller hänfig stört. Die Bilder, die zum Theilsehr schön sind, werden mit
Maß, aber doch sehr deutlich ausgeführt, und dienen nicht blos zu Reflexen des
Gedankens.

Im Jahre 1803 erhielt Moore, der nach Beendigung der Universitätszeit
Sachwalter geworden war, die Stelle eines Schreibers bei dem Admiralitätsgericht
auf den Bermudischen Inseln, doch nahm er es mit derselben sehr bequem, ließ
sie durch einen Stellvertreter verwalten, und kam dadurch in Unannehmlichkeiten,
die ihn endlich bewogen, sich von allen öffentlichen Geschäften zurückzuziehen.
Die Frucht dieser Reise waren die Gedichte über Amerika (?o<zmL i'ölktmK t-o
^Mlzrioa), die 1806 herauskamen. Die Engländer haben überhaupt eine gewisse
Neigung zu vcrsificirten Reisebeschreibungen, deren epistolarische Form nicht eben
der höhern Form - der Poesie entspricht. Am Besten in dieser Sammlung sind
einige eingestreute Ballade", z. B. 'I'liL late ol tlo üismcü svmnp (p, 328),
elf snov sM-it (p, 3i>9), und ddo "zvll Spirit ok ete V00Ü8 (p. 372); vor allen
aber der Stcuermauusgesang (i>, 3ü7), in einem kräftigen, echt Englischen Rhyth¬
mus gesungen.

Seit der Zeit lebte er als Privatmann zu Dublin. Von seiner poetischen
Thätigkeit wollen wir hier die beiden Richtungen unterscheiden, die satyrische und
die eigentlich lyrische. Was die erste betrifft, so ist er einer der fruchtbarsten
Englischen Satyriker. Er bewegt sich fast ausschließlich auf dem Felde der Politik,
und nimmt sich der Sache seines engern Vaterlandes und der Religion desselben
mit einer Wärme an, die zuweilen über das Maß hinausgeht, und nicht eben einen
erfreulichen Eindruck macht. Wir führen hier gleich die sämmtlichen satyrischen Ge¬
dichte im Zusammenhang ans. Im Jahre 1808 erschienen die beiden Gedichte:
"CvrruMon" und "latolsranee"; 1809 "tlo 8KöMo", 1810 l.sttLi' to tK"Z


Art, wie die Goethe'schen Jugendgedichte, mit Anklängen an die ältere Lyrik,
aber doch mehr an unmittelbare Anschauungen erinnernd. Was uns dabei
auffällt, ist die Gewissenhaftigkeit, mit der in den Anmerkungen die Anklänge
an antike Wendungen angegeben werden, und dabei die Feinheit, mit der diese
Anklänge in den Ton des Ganzen verarbeitet find. Charakteristisch für Moore's
Art, die einfachen alten Empfindungen zu modernisiren, ist das kleine Lied (in
der Tauchnilzcr Ausgabe I. pax, 268), welches Shakspeare's „Maß für Maß"
nachgebildet ist; die alte Weise ist beibehalten, dagegen drängt sich eine Masse
von Reflexionen in die einfache Vorstellung hinein, und doch kann man nicht
sagen, daß dadurch die Einheit des Eindrucks gestört wird. — Neben den volks-
thümlichen Vorstellungen und Empfindungen muß auch die antike Welt Stoffe
hergeben, und eine dithyrambische Ode: Hebe's Fall (pag'. 283), erinnert ihrem
Inhalt wie ihrem Rhythmus uach an ähnliche Gedichte von Schiller, obgleich die
zarte, landschaftliche Stimmung und Empfindung des Englischen Dichters den
Vorzug verdient. Es ist nicht eine solche Unruhe in den Bildern, wie sie uns
bei Schiller hänfig stört. Die Bilder, die zum Theilsehr schön sind, werden mit
Maß, aber doch sehr deutlich ausgeführt, und dienen nicht blos zu Reflexen des
Gedankens.

Im Jahre 1803 erhielt Moore, der nach Beendigung der Universitätszeit
Sachwalter geworden war, die Stelle eines Schreibers bei dem Admiralitätsgericht
auf den Bermudischen Inseln, doch nahm er es mit derselben sehr bequem, ließ
sie durch einen Stellvertreter verwalten, und kam dadurch in Unannehmlichkeiten,
die ihn endlich bewogen, sich von allen öffentlichen Geschäften zurückzuziehen.
Die Frucht dieser Reise waren die Gedichte über Amerika (?o<zmL i'ölktmK t-o
^Mlzrioa), die 1806 herauskamen. Die Engländer haben überhaupt eine gewisse
Neigung zu vcrsificirten Reisebeschreibungen, deren epistolarische Form nicht eben
der höhern Form - der Poesie entspricht. Am Besten in dieser Sammlung sind
einige eingestreute Ballade», z. B. 'I'liL late ol tlo üismcü svmnp (p, 328),
elf snov sM-it (p, 3i>9), und ddo «zvll Spirit ok ete V00Ü8 (p. 372); vor allen
aber der Stcuermauusgesang (i>, 3ü7), in einem kräftigen, echt Englischen Rhyth¬
mus gesungen.

Seit der Zeit lebte er als Privatmann zu Dublin. Von seiner poetischen
Thätigkeit wollen wir hier die beiden Richtungen unterscheiden, die satyrische und
die eigentlich lyrische. Was die erste betrifft, so ist er einer der fruchtbarsten
Englischen Satyriker. Er bewegt sich fast ausschließlich auf dem Felde der Politik,
und nimmt sich der Sache seines engern Vaterlandes und der Religion desselben
mit einer Wärme an, die zuweilen über das Maß hinausgeht, und nicht eben einen
erfreulichen Eindruck macht. Wir führen hier gleich die sämmtlichen satyrischen Ge¬
dichte im Zusammenhang ans. Im Jahre 1808 erschienen die beiden Gedichte:
„CvrruMon" und „latolsranee"; 1809 „tlo 8KöMo", 1810 l.sttLi' to tK«Z


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/252>, abgerufen am 04.07.2024.