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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Englische Literatur.*)
Thomas Moore.

Moore gehört zu der Reihe jener trefflichen Dichter, die in dem ersten Viertel
unsres Jahrhunderts der Poesie in England eine neue Richtung gaben. In
Deutschland ist nnr Einiges vini ihm populair geworden; Walter Scott und
Byron haben, und zwar ganz mit Recht, die Aufmerksamkeit des Publicums zu
sehr in Anspruch genommen, als daß von den Dichtern zweiten Ranges soviel
die Rede hätte sein können, wie sie es an sich, abgesehen von ihrer Zusammen¬
stellung mit bedeutenderen Kräften, wol verdienen möchten. Dennoch bietet Moore
auch für uns hinlängliches Interesse, um seine Leistungen im Zusammenhang
unter einander und im Verhältniß zu der allgemeinen Bewegung der Literatur
zu verfolge".

Derjenige Zweig der Poesie, welcher Moore vorzugsweise einen wesentlichen
Fortschritt verdankt, ist die Lyrik. Einmal hat er der Englischen Lyrik jenen
Musikalischen Charakter aufgeprägt, ohne den sie nie vollständig das ist, was sie
sein soll. Unter den Englischen Lyrikern sind Diejenigen, welche ein Verständniß
für Musik hatten, nicht sehr zahlreich. Selbst Burns hatte keine musikalische
Bildung. Von Walter Scott erzählt Moore in einer seiner Vorreden in dieser
Beziehung eine sehr spaßhafte Anekdote. Der edle Baronet nahm zwar vielen
Antheil an den schönen, zum Theil auch musikalisch sehr interessanten National-
mclodien, welche ihm Moore vortrug; zu einer eigentlichen Begeisterung aber
kam es erst, als ein altes, höchst einfaches, Jacobitisches Parteilied mit dem Re¬
frain wMe tMw vorgetragen wurde, eins von jenen Liedern, bei denen es
mehr ans die Kraft und Energie der Lunge, als auf die Feinheit des Ohrs an¬
kommt. Die Begeisterung wurde so allgemein, daß alle die zum Theil schon alten
Herren znlejzt wetteifernd brüllten,, und mit Händen und Füßen den Takt schlugen,



') Vgl. Dickens. I- ". x>- -I"I--" W. Scott. I. d. p. it--LZ. -- Bulwer.
p- -IZ1--130. -- Cooper. II. !u 4-1--48, -- Ainsworth, p. 107--U7.
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Englische Literatur.*)
Thomas Moore.

Moore gehört zu der Reihe jener trefflichen Dichter, die in dem ersten Viertel
unsres Jahrhunderts der Poesie in England eine neue Richtung gaben. In
Deutschland ist nnr Einiges vini ihm populair geworden; Walter Scott und
Byron haben, und zwar ganz mit Recht, die Aufmerksamkeit des Publicums zu
sehr in Anspruch genommen, als daß von den Dichtern zweiten Ranges soviel
die Rede hätte sein können, wie sie es an sich, abgesehen von ihrer Zusammen¬
stellung mit bedeutenderen Kräften, wol verdienen möchten. Dennoch bietet Moore
auch für uns hinlängliches Interesse, um seine Leistungen im Zusammenhang
unter einander und im Verhältniß zu der allgemeinen Bewegung der Literatur
zu verfolge».

Derjenige Zweig der Poesie, welcher Moore vorzugsweise einen wesentlichen
Fortschritt verdankt, ist die Lyrik. Einmal hat er der Englischen Lyrik jenen
Musikalischen Charakter aufgeprägt, ohne den sie nie vollständig das ist, was sie
sein soll. Unter den Englischen Lyrikern sind Diejenigen, welche ein Verständniß
für Musik hatten, nicht sehr zahlreich. Selbst Burns hatte keine musikalische
Bildung. Von Walter Scott erzählt Moore in einer seiner Vorreden in dieser
Beziehung eine sehr spaßhafte Anekdote. Der edle Baronet nahm zwar vielen
Antheil an den schönen, zum Theil auch musikalisch sehr interessanten National-
mclodien, welche ihm Moore vortrug; zu einer eigentlichen Begeisterung aber
kam es erst, als ein altes, höchst einfaches, Jacobitisches Parteilied mit dem Re¬
frain wMe tMw vorgetragen wurde, eins von jenen Liedern, bei denen es
mehr ans die Kraft und Energie der Lunge, als auf die Feinheit des Ohrs an¬
kommt. Die Begeisterung wurde so allgemein, daß alle die zum Theil schon alten
Herren znlejzt wetteifernd brüllten,, und mit Händen und Füßen den Takt schlugen,



') Vgl. Dickens. I- ». x>- -I«I—" W. Scott. I. d. p. it—LZ. — Bulwer.
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[0249] Englische Literatur.*) Thomas Moore. Moore gehört zu der Reihe jener trefflichen Dichter, die in dem ersten Viertel unsres Jahrhunderts der Poesie in England eine neue Richtung gaben. In Deutschland ist nnr Einiges vini ihm populair geworden; Walter Scott und Byron haben, und zwar ganz mit Recht, die Aufmerksamkeit des Publicums zu sehr in Anspruch genommen, als daß von den Dichtern zweiten Ranges soviel die Rede hätte sein können, wie sie es an sich, abgesehen von ihrer Zusammen¬ stellung mit bedeutenderen Kräften, wol verdienen möchten. Dennoch bietet Moore auch für uns hinlängliches Interesse, um seine Leistungen im Zusammenhang unter einander und im Verhältniß zu der allgemeinen Bewegung der Literatur zu verfolge». Derjenige Zweig der Poesie, welcher Moore vorzugsweise einen wesentlichen Fortschritt verdankt, ist die Lyrik. Einmal hat er der Englischen Lyrik jenen Musikalischen Charakter aufgeprägt, ohne den sie nie vollständig das ist, was sie sein soll. Unter den Englischen Lyrikern sind Diejenigen, welche ein Verständniß für Musik hatten, nicht sehr zahlreich. Selbst Burns hatte keine musikalische Bildung. Von Walter Scott erzählt Moore in einer seiner Vorreden in dieser Beziehung eine sehr spaßhafte Anekdote. Der edle Baronet nahm zwar vielen Antheil an den schönen, zum Theil auch musikalisch sehr interessanten National- mclodien, welche ihm Moore vortrug; zu einer eigentlichen Begeisterung aber kam es erst, als ein altes, höchst einfaches, Jacobitisches Parteilied mit dem Re¬ frain wMe tMw vorgetragen wurde, eins von jenen Liedern, bei denen es mehr ans die Kraft und Energie der Lunge, als auf die Feinheit des Ohrs an¬ kommt. Die Begeisterung wurde so allgemein, daß alle die zum Theil schon alten Herren znlejzt wetteifernd brüllten,, und mit Händen und Füßen den Takt schlugen, ') Vgl. Dickens. I- ». x>- -I«I—" W. Scott. I. d. p. it—LZ. — Bulwer. p- -IZ1—130. — Cooper. II. !u 4-1—48, — Ainsworth, p. 107—U7. Grenzboten. III. I8!>-I. 3-1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/249>, abgerufen am 02.07.2024.