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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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wollten, ihre Geltung verloren haben, werden wir wieder von einem Ocean von Liebes¬
klagen und unverstandenen Herzen überschwemmt. Die Dichter sollten endlich strenger
gegen sich selbst werden. Daß sie ihre Empfindungen zu Papier bringen, und sie in
eleganter Ausstattung ihrem Schatz überreichen, dagegen läßt sich Nichts sagen; aber
ehe sie dieselben drucken lassen, sollten sie sich doch die Frage vorlegen, ob sie denn
wirklich damit der Welt etwas Neues und Schönes bieten.


Gedichte von Adolf Glaßbrenncr.

3. Aufl. Berlin, Simion. -- Auch der
Berliner macht Gedichte, es ist das kein ausschließlich schwäbisches Pivilegium! Er
macht Gedichte, so gut er den Kladderadatsch schreibt, und die Bussey, die Rande u, s. w.
zu dramatische" Figuren verarbeitet. Und diese Gedichte sind gar nicht schlecht. Zuerst
altlibcralc Entrüstung über die Censur, den Bundestag u s. w., das Genre Hvffmaun-
Prutz; dann wieder Liebesgedichte, zum Theil recht zart und ätherisch, aber doch mit
obligater Ironie gegen die Liebe; darauf im Jahre 18i7 die feste Erklärung: "Ich
sehe keinen Frühling mehr, bis daß die Freiheit blüht; es duftet keine Rose mir, bis
jedes Herz ihr (nämlich der Freiheit) glüht. Ich höre keinen Vogelsang als unsrer
Dichter Wort; mich trägt kein Strom mehr als der Tag zum Weltenmeere fort."
Das Letztere ist freilich schon etwas mystisch, und daher darf man sich nicht verwundern,
wenn gleich darauf, trotz aller festen Entschlüsse, Wein- und Liebeslieder in der Manier
des Danaer'schen Hafis folgen, wenn der Frühling blüht ohne Rücksicht auf die Freiheit,
die Rose duftet, der Vogel singt, als ob kein Tyrann und keine Reaction in der Welt
wäre. -- Am Klarsten und Unumwundensten scheint mir folgender lyrische Stoßseufzer:
"Ach zwei Wünsche wünscht' ich immer, leider immer noch vergebens, und doch sind's
die innig frömmsten, schönsten meines ganzen Lebens: daß ich alle, alle Menschen könnt'
mit gleicher Lieb' umfassen, und daß ein'ge ich von ihnen morgen dürfte hängen lassen." --


Dunkles Laub,

Jugendgedichtc von Friedrich Rupcrti. Bremen, Geister.
-- Es ist gut, daß auf dem Titel die Bezeichnung "Jugendgedichtc" steht. Man
kann voraussetzen, daß der Verfasser jetzt über die Zeit der Jugend hinaus ist, und
die verschiedenen Todesgefahren, welche ihm nach dem Zeugniß dieser Gedichte un¬
glückliche Liebe bereitet, glücklich überstanden hat. Die ungeheuren Schmerzen dieser
Liebe, die sich bald in finstern Grabgedanken, bald in der Furcht vor dem Wahn¬
sinn offenbaren, flößen uns um so größeres Bedauern ein, da der Dichter in seinen
Liebcsausprüchcu vou einer Bescheidenheit ist, wie sie im 49. Jahrhundert nnr selten
vorkommen mag. Er will der Geliebten nnr zu Füßen fallen und ihres Kleides Saum
küssen, nur ihre Hand mit leisem Beben berühre", dann will er gern erblassen und zu
seinem Schlafgesellcn, dem Wurm, hinuntersteigen; aber auch diese bescheidenen Wünsche
werden ihm nicht erfüllt, und so ist es ihm in düsterer Trauer, als hätte er nie ge¬
lebt. -- Kann sich auch der Unbetheiligte bei diesen Uebertreibungen der Liebe, die
einmal von dem Gefühl der Liebe nicht zu trennen sind, eines gelinden Humors nicht
erwehren, so ist doch nicht zu verkennen, daß wenigstens eine subjective Wahrheit in
diesen Gedichten waltet. Die Empfindungen sind nicht gemacht; sie sind zwar etwas
stark für die Situation, allein sie kommen natürlich und fließen melodisch dahin.
Einzelne von den Anschauungen sind sogar trotz der schüchternen Sentimentalität, >wu
der sie gefärbt sind, recht schön, z. B. das erste Gedicht von der Trauerweide, die
nicht wagt in die Sonne zu blicken, sondern sich nur zu ihrem Bilde in den Fluthen
wendet, und da ganz natürlich ans die Idee kommt, ihr Glück sei nur ein Traum.
Das Gedicht giebt ein hübsches Bild und eine zarte Melodie. Die Sonette, die den
zweiten Theil der Sammlung ausmachen, zeigen wenigstens eine große Gewandtheit in
der Form und eine anerkennenswerthe Gewissenhaftigkeit in der Sprache, im Reime
und im Metrum. Den Schluß macht eine Reihe Uebersetzungen aus Camoi-us.




Verantw. Red. F. W. Grunow. -- Mitredact.: G. Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.

wollten, ihre Geltung verloren haben, werden wir wieder von einem Ocean von Liebes¬
klagen und unverstandenen Herzen überschwemmt. Die Dichter sollten endlich strenger
gegen sich selbst werden. Daß sie ihre Empfindungen zu Papier bringen, und sie in
eleganter Ausstattung ihrem Schatz überreichen, dagegen läßt sich Nichts sagen; aber
ehe sie dieselben drucken lassen, sollten sie sich doch die Frage vorlegen, ob sie denn
wirklich damit der Welt etwas Neues und Schönes bieten.


Gedichte von Adolf Glaßbrenncr.

3. Aufl. Berlin, Simion. — Auch der
Berliner macht Gedichte, es ist das kein ausschließlich schwäbisches Pivilegium! Er
macht Gedichte, so gut er den Kladderadatsch schreibt, und die Bussey, die Rande u, s. w.
zu dramatische» Figuren verarbeitet. Und diese Gedichte sind gar nicht schlecht. Zuerst
altlibcralc Entrüstung über die Censur, den Bundestag u s. w., das Genre Hvffmaun-
Prutz; dann wieder Liebesgedichte, zum Theil recht zart und ätherisch, aber doch mit
obligater Ironie gegen die Liebe; darauf im Jahre 18i7 die feste Erklärung: „Ich
sehe keinen Frühling mehr, bis daß die Freiheit blüht; es duftet keine Rose mir, bis
jedes Herz ihr (nämlich der Freiheit) glüht. Ich höre keinen Vogelsang als unsrer
Dichter Wort; mich trägt kein Strom mehr als der Tag zum Weltenmeere fort."
Das Letztere ist freilich schon etwas mystisch, und daher darf man sich nicht verwundern,
wenn gleich darauf, trotz aller festen Entschlüsse, Wein- und Liebeslieder in der Manier
des Danaer'schen Hafis folgen, wenn der Frühling blüht ohne Rücksicht auf die Freiheit,
die Rose duftet, der Vogel singt, als ob kein Tyrann und keine Reaction in der Welt
wäre. — Am Klarsten und Unumwundensten scheint mir folgender lyrische Stoßseufzer:
„Ach zwei Wünsche wünscht' ich immer, leider immer noch vergebens, und doch sind's
die innig frömmsten, schönsten meines ganzen Lebens: daß ich alle, alle Menschen könnt'
mit gleicher Lieb' umfassen, und daß ein'ge ich von ihnen morgen dürfte hängen lassen." —


Dunkles Laub,

Jugendgedichtc von Friedrich Rupcrti. Bremen, Geister.
— Es ist gut, daß auf dem Titel die Bezeichnung „Jugendgedichtc" steht. Man
kann voraussetzen, daß der Verfasser jetzt über die Zeit der Jugend hinaus ist, und
die verschiedenen Todesgefahren, welche ihm nach dem Zeugniß dieser Gedichte un¬
glückliche Liebe bereitet, glücklich überstanden hat. Die ungeheuren Schmerzen dieser
Liebe, die sich bald in finstern Grabgedanken, bald in der Furcht vor dem Wahn¬
sinn offenbaren, flößen uns um so größeres Bedauern ein, da der Dichter in seinen
Liebcsausprüchcu vou einer Bescheidenheit ist, wie sie im 49. Jahrhundert nnr selten
vorkommen mag. Er will der Geliebten nnr zu Füßen fallen und ihres Kleides Saum
küssen, nur ihre Hand mit leisem Beben berühre», dann will er gern erblassen und zu
seinem Schlafgesellcn, dem Wurm, hinuntersteigen; aber auch diese bescheidenen Wünsche
werden ihm nicht erfüllt, und so ist es ihm in düsterer Trauer, als hätte er nie ge¬
lebt. — Kann sich auch der Unbetheiligte bei diesen Uebertreibungen der Liebe, die
einmal von dem Gefühl der Liebe nicht zu trennen sind, eines gelinden Humors nicht
erwehren, so ist doch nicht zu verkennen, daß wenigstens eine subjective Wahrheit in
diesen Gedichten waltet. Die Empfindungen sind nicht gemacht; sie sind zwar etwas
stark für die Situation, allein sie kommen natürlich und fließen melodisch dahin.
Einzelne von den Anschauungen sind sogar trotz der schüchternen Sentimentalität, >wu
der sie gefärbt sind, recht schön, z. B. das erste Gedicht von der Trauerweide, die
nicht wagt in die Sonne zu blicken, sondern sich nur zu ihrem Bilde in den Fluthen
wendet, und da ganz natürlich ans die Idee kommt, ihr Glück sei nur ein Traum.
Das Gedicht giebt ein hübsches Bild und eine zarte Melodie. Die Sonette, die den
zweiten Theil der Sammlung ausmachen, zeigen wenigstens eine große Gewandtheit in
der Form und eine anerkennenswerthe Gewissenhaftigkeit in der Sprache, im Reime
und im Metrum. Den Schluß macht eine Reihe Uebersetzungen aus Camoi-us.




Verantw. Red. F. W. Grunow. — Mitredact.: G. Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.
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[0248] wollten, ihre Geltung verloren haben, werden wir wieder von einem Ocean von Liebes¬ klagen und unverstandenen Herzen überschwemmt. Die Dichter sollten endlich strenger gegen sich selbst werden. Daß sie ihre Empfindungen zu Papier bringen, und sie in eleganter Ausstattung ihrem Schatz überreichen, dagegen läßt sich Nichts sagen; aber ehe sie dieselben drucken lassen, sollten sie sich doch die Frage vorlegen, ob sie denn wirklich damit der Welt etwas Neues und Schönes bieten. Gedichte von Adolf Glaßbrenncr. 3. Aufl. Berlin, Simion. — Auch der Berliner macht Gedichte, es ist das kein ausschließlich schwäbisches Pivilegium! Er macht Gedichte, so gut er den Kladderadatsch schreibt, und die Bussey, die Rande u, s. w. zu dramatische» Figuren verarbeitet. Und diese Gedichte sind gar nicht schlecht. Zuerst altlibcralc Entrüstung über die Censur, den Bundestag u s. w., das Genre Hvffmaun- Prutz; dann wieder Liebesgedichte, zum Theil recht zart und ätherisch, aber doch mit obligater Ironie gegen die Liebe; darauf im Jahre 18i7 die feste Erklärung: „Ich sehe keinen Frühling mehr, bis daß die Freiheit blüht; es duftet keine Rose mir, bis jedes Herz ihr (nämlich der Freiheit) glüht. Ich höre keinen Vogelsang als unsrer Dichter Wort; mich trägt kein Strom mehr als der Tag zum Weltenmeere fort." Das Letztere ist freilich schon etwas mystisch, und daher darf man sich nicht verwundern, wenn gleich darauf, trotz aller festen Entschlüsse, Wein- und Liebeslieder in der Manier des Danaer'schen Hafis folgen, wenn der Frühling blüht ohne Rücksicht auf die Freiheit, die Rose duftet, der Vogel singt, als ob kein Tyrann und keine Reaction in der Welt wäre. — Am Klarsten und Unumwundensten scheint mir folgender lyrische Stoßseufzer: „Ach zwei Wünsche wünscht' ich immer, leider immer noch vergebens, und doch sind's die innig frömmsten, schönsten meines ganzen Lebens: daß ich alle, alle Menschen könnt' mit gleicher Lieb' umfassen, und daß ein'ge ich von ihnen morgen dürfte hängen lassen." — Dunkles Laub, Jugendgedichtc von Friedrich Rupcrti. Bremen, Geister. — Es ist gut, daß auf dem Titel die Bezeichnung „Jugendgedichtc" steht. Man kann voraussetzen, daß der Verfasser jetzt über die Zeit der Jugend hinaus ist, und die verschiedenen Todesgefahren, welche ihm nach dem Zeugniß dieser Gedichte un¬ glückliche Liebe bereitet, glücklich überstanden hat. Die ungeheuren Schmerzen dieser Liebe, die sich bald in finstern Grabgedanken, bald in der Furcht vor dem Wahn¬ sinn offenbaren, flößen uns um so größeres Bedauern ein, da der Dichter in seinen Liebcsausprüchcu vou einer Bescheidenheit ist, wie sie im 49. Jahrhundert nnr selten vorkommen mag. Er will der Geliebten nnr zu Füßen fallen und ihres Kleides Saum küssen, nur ihre Hand mit leisem Beben berühre», dann will er gern erblassen und zu seinem Schlafgesellcn, dem Wurm, hinuntersteigen; aber auch diese bescheidenen Wünsche werden ihm nicht erfüllt, und so ist es ihm in düsterer Trauer, als hätte er nie ge¬ lebt. — Kann sich auch der Unbetheiligte bei diesen Uebertreibungen der Liebe, die einmal von dem Gefühl der Liebe nicht zu trennen sind, eines gelinden Humors nicht erwehren, so ist doch nicht zu verkennen, daß wenigstens eine subjective Wahrheit in diesen Gedichten waltet. Die Empfindungen sind nicht gemacht; sie sind zwar etwas stark für die Situation, allein sie kommen natürlich und fließen melodisch dahin. Einzelne von den Anschauungen sind sogar trotz der schüchternen Sentimentalität, >wu der sie gefärbt sind, recht schön, z. B. das erste Gedicht von der Trauerweide, die nicht wagt in die Sonne zu blicken, sondern sich nur zu ihrem Bilde in den Fluthen wendet, und da ganz natürlich ans die Idee kommt, ihr Glück sei nur ein Traum. Das Gedicht giebt ein hübsches Bild und eine zarte Melodie. Die Sonette, die den zweiten Theil der Sammlung ausmachen, zeigen wenigstens eine große Gewandtheit in der Form und eine anerkennenswerthe Gewissenhaftigkeit in der Sprache, im Reime und im Metrum. Den Schluß macht eine Reihe Uebersetzungen aus Camoi-us. Verantw. Red. F. W. Grunow. — Mitredact.: G. Freytag und Julian Schmidt. Druck von C. E. Elbert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/248>, abgerufen am 02.07.2024.