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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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das Elysve ließ sich mich gar nicht lange bitten, um ihnen zu zeigen, daß die
Orleanisten den Prinzen von Joinville zum Gegencandidaten Louis Bonaparte's
bestimmt haben. Der Staatsrath wurde befragt, ob man den Prinzen von Join-
ville als Verbannten zum Präsidenten erwählen könne, und durch die Polizei des
Herrn Carlier kam man bald dahinter, daß man von Orleanistischer Seite her
Alles aufbiete, um den Namen des Prinzen oben auf zu bringen. Prinz gegen
Prinz; Louis Bonaparte kann sich nicht beklagen -- es wird ihm kein Plebejer
entgegengestellt, sondern ein königliches Blut. Die Legitimisten, welche zwar stets
Vorwände zu legitimer Angst in Vorrath haben, waren glücklich, einen außer¬
halb der Fusion gelegenen Vorwand gegen die Orleanisten zu haben, und Berrher
führte seine Soldaten per Barsch und Bogen dem Elys^e zu. Sie frugen uicht
lange, ob die Republikaner den Orleanistischen Kandidaten unterstützen werden,
sie untersuchten nicht erst, ob die Orleanisten ohne Einwilligung der Republikaner
die Stellung des Antibonapartistischen Candidaten schwächen wollen werden --
sie laufen den Bonapartisten in die Arme und sind froh, daß sie das Unvermeid¬
liche vollbracht, sie sind glücklich, ihre Schande früher hinter sich zu haben.

Nun werden Sie mich fragen, was es denn mit der Kandidatur des Prinzen
von Joinville für eine Bewandtniß habe. Diese ist wirklich ernstlich gemeint, und
die Orleanisten glauben unter gewissen Verhältnissen auch ans die Zustim¬
mung der Republikaner rechnen zu dürfen. Das heißt, die beiden Parteien sind
darin einverstanden, daß Louis Bonaparte nicht wieder gewählt werden dürfe,
und daß man, um dies zu verhindern, sich gegenseitig Zugeständnisse machen müsse.
Ob aber die Orleanisten für den Kandidaten der Republikaner, ob diese für den
Candidaten Jener stimmen würden, darüber ist noch Nichts gesagt. Hieraus folgt,
daß die Republikaner die stillschweigende Verpflichtung eingegangen sind, einen
allgemein annehmbaren Candidaten aufzustellen, und es ist andererseits natürlich,
daß die Orleanisten sich beeilen werden, bis zur nähern Bezeichnung der repu¬
blikanischen Candidaten den Prinzen Joinville oben auf zu bringen. Erinnern
wir uns an das, was im Jahre 1848 für Napoleon geschehen, so ist es nicht
unmöglich, daß man bei erster Gelegenheit den Prinzen von Joinville zum Can¬
didaten für die Volksvertretcrschaft vorschlägt. Die Republikaner gewinnen durch
das entschiedene Auftreten der Orleanisten zunächst so viel, daß die Revision bei
einer nächsten Verhandlung nicht einmal so viel Stimmen für sich haben wird, als
gegenwärtig, um so weniger, als die Petitionen durch die bisher geschehenen Ent¬
hüllungen gar nicht mehr in Erwägung gebracht werden können. Aus der andern
Seite verliert das Elyfte durch den Bund mit den Legitimisten dem Lande gegen¬
über mehr, als es der Kammer gegenüber durch sie gewinnt. Einmal ist diese
Partei im Lande so unvolksthümlich, daß sich Louis Bonaparte gar keine schlim¬
mere Empfehlung beilegen könnte, als wenn er seine Sache mit jener der Legiti¬
misten identificiren läßt. Zweitens verpflichtet ihn der Beistand dieser Vorkämpfer


das Elysve ließ sich mich gar nicht lange bitten, um ihnen zu zeigen, daß die
Orleanisten den Prinzen von Joinville zum Gegencandidaten Louis Bonaparte's
bestimmt haben. Der Staatsrath wurde befragt, ob man den Prinzen von Join-
ville als Verbannten zum Präsidenten erwählen könne, und durch die Polizei des
Herrn Carlier kam man bald dahinter, daß man von Orleanistischer Seite her
Alles aufbiete, um den Namen des Prinzen oben auf zu bringen. Prinz gegen
Prinz; Louis Bonaparte kann sich nicht beklagen — es wird ihm kein Plebejer
entgegengestellt, sondern ein königliches Blut. Die Legitimisten, welche zwar stets
Vorwände zu legitimer Angst in Vorrath haben, waren glücklich, einen außer¬
halb der Fusion gelegenen Vorwand gegen die Orleanisten zu haben, und Berrher
führte seine Soldaten per Barsch und Bogen dem Elys^e zu. Sie frugen uicht
lange, ob die Republikaner den Orleanistischen Kandidaten unterstützen werden,
sie untersuchten nicht erst, ob die Orleanisten ohne Einwilligung der Republikaner
die Stellung des Antibonapartistischen Candidaten schwächen wollen werden —
sie laufen den Bonapartisten in die Arme und sind froh, daß sie das Unvermeid¬
liche vollbracht, sie sind glücklich, ihre Schande früher hinter sich zu haben.

Nun werden Sie mich fragen, was es denn mit der Kandidatur des Prinzen
von Joinville für eine Bewandtniß habe. Diese ist wirklich ernstlich gemeint, und
die Orleanisten glauben unter gewissen Verhältnissen auch ans die Zustim¬
mung der Republikaner rechnen zu dürfen. Das heißt, die beiden Parteien sind
darin einverstanden, daß Louis Bonaparte nicht wieder gewählt werden dürfe,
und daß man, um dies zu verhindern, sich gegenseitig Zugeständnisse machen müsse.
Ob aber die Orleanisten für den Kandidaten der Republikaner, ob diese für den
Candidaten Jener stimmen würden, darüber ist noch Nichts gesagt. Hieraus folgt,
daß die Republikaner die stillschweigende Verpflichtung eingegangen sind, einen
allgemein annehmbaren Candidaten aufzustellen, und es ist andererseits natürlich,
daß die Orleanisten sich beeilen werden, bis zur nähern Bezeichnung der repu¬
blikanischen Candidaten den Prinzen Joinville oben auf zu bringen. Erinnern
wir uns an das, was im Jahre 1848 für Napoleon geschehen, so ist es nicht
unmöglich, daß man bei erster Gelegenheit den Prinzen von Joinville zum Can¬
didaten für die Volksvertretcrschaft vorschlägt. Die Republikaner gewinnen durch
das entschiedene Auftreten der Orleanisten zunächst so viel, daß die Revision bei
einer nächsten Verhandlung nicht einmal so viel Stimmen für sich haben wird, als
gegenwärtig, um so weniger, als die Petitionen durch die bisher geschehenen Ent¬
hüllungen gar nicht mehr in Erwägung gebracht werden können. Aus der andern
Seite verliert das Elyfte durch den Bund mit den Legitimisten dem Lande gegen¬
über mehr, als es der Kammer gegenüber durch sie gewinnt. Einmal ist diese
Partei im Lande so unvolksthümlich, daß sich Louis Bonaparte gar keine schlim¬
mere Empfehlung beilegen könnte, als wenn er seine Sache mit jener der Legiti¬
misten identificiren läßt. Zweitens verpflichtet ihn der Beistand dieser Vorkämpfer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/230>, abgerufen am 02.07.2024.