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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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General Changarnier, nur mit Hilfe der Linken durchgebracht wurde. Dies sagt
Alles, was die Eile, mit der die Legislative in ihre Vertagung willigte, allenfalls
noch nicht gesagt haben mochte. Die Nationalversammlung fühlt ihre Schwäche
der vollziehenden Gewalt gegenüber, so wie sie ihre Haltlosigkeit dem Lande ge¬
genüber erkennt. Sie ist froh, das Weite suchen zu dürfen, es bedarf gar keines
18. Brumaire. Die urplötzliche Freundschaft der Henricinqnisten mit dem Elysve
hat neben dem allgemeinen Grunde, neben der historischen Wankelmüthigkeit und
Zaghaftigkeit der Partei noch einen specifischen Grund. Dieser ist das totale
Fiasco der Fusion.

In meiner ersten Botschaft sagte ich Ihnen, daß Herr Guizot mit seiner
Fnsiouskvmödie nur die Angelegenheiten des Elysve befördere. Die Orleauisten
hassen die Bourbons eben so, wie sie dem ganzen Lande verhaßt sind, und Guizot
hat sich mit seinen Plänen als wahrer Stubengelehrter erwiesen. Ein Theil der
Orleanisten hatte sich von vornherein dem Elysee angeschlossen, und die Legitimisten
schlugen nur so lange Lärm gegen Louis Bonaparte, als sie hoffen dursten, die
Barricadenfamilie werde reuig zum Legitimitätsprincip zurückkehren. Da hat der
Herzog von Montebello deu unglücklichen Einfall, die Fusion anch außerhalb der
Redactionszimmer der ^88omdlöv nationale eine Rolle spielen zu lassen, und er
bietet sich an, die drei Matadore der legitimistischen Partei in Claremont vorzu¬
stellen. Berryer, Se. Priese und Berolft d'Arq begeben sich frohen Muths auf
den Weg, und diese alten Füchse kehren nicht gleich um, als man ihnen ankün¬
digt, daß die Herzogin von Orleans zufälliger Weise abgereist sei. Die Kö¬
nigin, der Prinz von Joinville und der Herzog von Nemours empfangen die
Gäste höflich, aber kalt, nud sie sind noch kaum zur Thür hinaus, als der Prinz
von Joinville schon an seinen Adjutanten Ernonf einen Brief schreibt, in dem er
sich über die Projectenmacher weidlich lustig macht. Die Legitimisten vernichten
in ihren Blättern die Reise Jason Berryer's im günstigsten Lichte darzustellen,
aber Herr Ernonf zeigt den Brief vom Prinzen von Joinville Jedermann, wer
ihn nur zu sehen begehrt. Die wahre Sachlage wird ruchbar, der Fnsionscomits
trennt sich unter Thränen der Rührung, und Guizot dankt feierlich ab wie Na¬
poleon in Fontainebleau. Die Legitimisten stecken, wie Girardin sagt, ihre Fahne
in die Tasche wie ein Schnupftuch, und schleiche" sich ins Elysve, um dort Buße
ZU thun für ihre stolze Sprache.'

Das Fiasco der Fusion in Claremont, und namentlich Thiers Stellung von
Anfang her brachte die Legitimisten nämlich bald auf die Spur einer andern
Gefahr. Es war bekannt, daß Thiers in letzterer Zeit sich viel mit Changaruier
und Cavaignac zu schassen gegeben, und die nahe Berührung, in der diese drei
Männer auf einmal zu stehen kamen, mußte in der That vielerlei zu denken geben.
Wird Thiers, werde" die Orleanisten sich ans eine passive Opposition gegen den
gegenwärtigen Präsident?n beschränken? So fragten sich die Legitimisten, und


General Changarnier, nur mit Hilfe der Linken durchgebracht wurde. Dies sagt
Alles, was die Eile, mit der die Legislative in ihre Vertagung willigte, allenfalls
noch nicht gesagt haben mochte. Die Nationalversammlung fühlt ihre Schwäche
der vollziehenden Gewalt gegenüber, so wie sie ihre Haltlosigkeit dem Lande ge¬
genüber erkennt. Sie ist froh, das Weite suchen zu dürfen, es bedarf gar keines
18. Brumaire. Die urplötzliche Freundschaft der Henricinqnisten mit dem Elysve
hat neben dem allgemeinen Grunde, neben der historischen Wankelmüthigkeit und
Zaghaftigkeit der Partei noch einen specifischen Grund. Dieser ist das totale
Fiasco der Fusion.

In meiner ersten Botschaft sagte ich Ihnen, daß Herr Guizot mit seiner
Fnsiouskvmödie nur die Angelegenheiten des Elysve befördere. Die Orleauisten
hassen die Bourbons eben so, wie sie dem ganzen Lande verhaßt sind, und Guizot
hat sich mit seinen Plänen als wahrer Stubengelehrter erwiesen. Ein Theil der
Orleanisten hatte sich von vornherein dem Elysee angeschlossen, und die Legitimisten
schlugen nur so lange Lärm gegen Louis Bonaparte, als sie hoffen dursten, die
Barricadenfamilie werde reuig zum Legitimitätsprincip zurückkehren. Da hat der
Herzog von Montebello deu unglücklichen Einfall, die Fusion anch außerhalb der
Redactionszimmer der ^88omdlöv nationale eine Rolle spielen zu lassen, und er
bietet sich an, die drei Matadore der legitimistischen Partei in Claremont vorzu¬
stellen. Berryer, Se. Priese und Berolft d'Arq begeben sich frohen Muths auf
den Weg, und diese alten Füchse kehren nicht gleich um, als man ihnen ankün¬
digt, daß die Herzogin von Orleans zufälliger Weise abgereist sei. Die Kö¬
nigin, der Prinz von Joinville und der Herzog von Nemours empfangen die
Gäste höflich, aber kalt, nud sie sind noch kaum zur Thür hinaus, als der Prinz
von Joinville schon an seinen Adjutanten Ernonf einen Brief schreibt, in dem er
sich über die Projectenmacher weidlich lustig macht. Die Legitimisten vernichten
in ihren Blättern die Reise Jason Berryer's im günstigsten Lichte darzustellen,
aber Herr Ernonf zeigt den Brief vom Prinzen von Joinville Jedermann, wer
ihn nur zu sehen begehrt. Die wahre Sachlage wird ruchbar, der Fnsionscomits
trennt sich unter Thränen der Rührung, und Guizot dankt feierlich ab wie Na¬
poleon in Fontainebleau. Die Legitimisten stecken, wie Girardin sagt, ihre Fahne
in die Tasche wie ein Schnupftuch, und schleiche» sich ins Elysve, um dort Buße
ZU thun für ihre stolze Sprache.'

Das Fiasco der Fusion in Claremont, und namentlich Thiers Stellung von
Anfang her brachte die Legitimisten nämlich bald auf die Spur einer andern
Gefahr. Es war bekannt, daß Thiers in letzterer Zeit sich viel mit Changaruier
und Cavaignac zu schassen gegeben, und die nahe Berührung, in der diese drei
Männer auf einmal zu stehen kamen, mußte in der That vielerlei zu denken geben.
Wird Thiers, werde» die Orleanisten sich ans eine passive Opposition gegen den
gegenwärtigen Präsident?n beschränken? So fragten sich die Legitimisten, und


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[0229] General Changarnier, nur mit Hilfe der Linken durchgebracht wurde. Dies sagt Alles, was die Eile, mit der die Legislative in ihre Vertagung willigte, allenfalls noch nicht gesagt haben mochte. Die Nationalversammlung fühlt ihre Schwäche der vollziehenden Gewalt gegenüber, so wie sie ihre Haltlosigkeit dem Lande ge¬ genüber erkennt. Sie ist froh, das Weite suchen zu dürfen, es bedarf gar keines 18. Brumaire. Die urplötzliche Freundschaft der Henricinqnisten mit dem Elysve hat neben dem allgemeinen Grunde, neben der historischen Wankelmüthigkeit und Zaghaftigkeit der Partei noch einen specifischen Grund. Dieser ist das totale Fiasco der Fusion. In meiner ersten Botschaft sagte ich Ihnen, daß Herr Guizot mit seiner Fnsiouskvmödie nur die Angelegenheiten des Elysve befördere. Die Orleauisten hassen die Bourbons eben so, wie sie dem ganzen Lande verhaßt sind, und Guizot hat sich mit seinen Plänen als wahrer Stubengelehrter erwiesen. Ein Theil der Orleanisten hatte sich von vornherein dem Elysee angeschlossen, und die Legitimisten schlugen nur so lange Lärm gegen Louis Bonaparte, als sie hoffen dursten, die Barricadenfamilie werde reuig zum Legitimitätsprincip zurückkehren. Da hat der Herzog von Montebello deu unglücklichen Einfall, die Fusion anch außerhalb der Redactionszimmer der ^88omdlöv nationale eine Rolle spielen zu lassen, und er bietet sich an, die drei Matadore der legitimistischen Partei in Claremont vorzu¬ stellen. Berryer, Se. Priese und Berolft d'Arq begeben sich frohen Muths auf den Weg, und diese alten Füchse kehren nicht gleich um, als man ihnen ankün¬ digt, daß die Herzogin von Orleans zufälliger Weise abgereist sei. Die Kö¬ nigin, der Prinz von Joinville und der Herzog von Nemours empfangen die Gäste höflich, aber kalt, nud sie sind noch kaum zur Thür hinaus, als der Prinz von Joinville schon an seinen Adjutanten Ernonf einen Brief schreibt, in dem er sich über die Projectenmacher weidlich lustig macht. Die Legitimisten vernichten in ihren Blättern die Reise Jason Berryer's im günstigsten Lichte darzustellen, aber Herr Ernonf zeigt den Brief vom Prinzen von Joinville Jedermann, wer ihn nur zu sehen begehrt. Die wahre Sachlage wird ruchbar, der Fnsionscomits trennt sich unter Thränen der Rührung, und Guizot dankt feierlich ab wie Na¬ poleon in Fontainebleau. Die Legitimisten stecken, wie Girardin sagt, ihre Fahne in die Tasche wie ein Schnupftuch, und schleiche» sich ins Elysve, um dort Buße ZU thun für ihre stolze Sprache.' Das Fiasco der Fusion in Claremont, und namentlich Thiers Stellung von Anfang her brachte die Legitimisten nämlich bald auf die Spur einer andern Gefahr. Es war bekannt, daß Thiers in letzterer Zeit sich viel mit Changaruier und Cavaignac zu schassen gegeben, und die nahe Berührung, in der diese drei Männer auf einmal zu stehen kamen, mußte in der That vielerlei zu denken geben. Wird Thiers, werde» die Orleanisten sich ans eine passive Opposition gegen den gegenwärtigen Präsident?n beschränken? So fragten sich die Legitimisten, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/229>, abgerufen am 02.07.2024.