Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.mel, -- denn die Dämmerung ist in Algerien weit kürzer, als bei uns, -- als wir Italien drei Winter nach der Revolution. I. Neapel. ES war ein heiterer, mehr durch den Kalender, wie dnrch das Wetter be¬ mel, — denn die Dämmerung ist in Algerien weit kürzer, als bei uns, — als wir Italien drei Winter nach der Revolution. I. Neapel. ES war ein heiterer, mehr durch den Kalender, wie dnrch das Wetter be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280305"/> <p xml:id="ID_579" prev="#ID_578"> mel, — denn die Dämmerung ist in Algerien weit kürzer, als bei uns, — als wir<lb/> die Wachfeuer der Feldwachen erblickten und von den Doppelposten derselben<lb/> gestellt wurden. Eine leere Officiershütte im Cantonnement nahm uns auf, und<lb/> nach dem raschen Ritt und dem frühen Ausbruch des heutigen Tages versanken<lb/> wir bald auf der groben Matratze mit den 2 Wollendecken, die uns als Lager<lb/> dienten, in den süßen Schlaf der Ermüdung.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Italien drei Winter nach der Revolution.<lb/> I. Neapel. </head><lb/> <p xml:id="ID_580" next="#ID_581"> ES war ein heiterer, mehr durch den Kalender, wie dnrch das Wetter be¬<lb/> zeichneter Novembcrtag, als ich mich mit meinem Reisegefährten, einem angesehenen<lb/> Engländer, Mr. Black, in Genua einschiffte. Am dritten Morgen landeten wir<lb/> gegen 7 Uhr in dem reizenden Golf von Neapel. Die Sonne war schon auf, —<lb/> aus dem Vesuv stiegen kleine Rauchwolken, als wollte er sich gerade sein Früh¬<lb/> stück bereiten. Das Volk feierte bereits mit ohrenzerreißenden Böllerschüssen das<lb/> Fest der Immaculata; uur die Polizeibeamten schliefen noch, und ließen uns ganz im<lb/> Style vornehmer Herren ein Paar Stunden im Hofe antichambriren. Endlich um<lb/> 9 Uhr kommt die „Salute" in einer Barke, aber nicht, um uns aus der lästigen<lb/> Schiffshast zu befreie», sondern blos, um unsre Pässe und Urkunden in Empfang<lb/> zu nehmen und dieselben in einer großen wahrscheinlich durchräucherten Blech¬<lb/> büchse wohlverschlvsscu nach dem Pvlizeiamt zu schaffen. Nun vergingen wieder<lb/> mehrere Stunden, bis diese Documente durchgesehen und mit gewissen Büchern<lb/> controlirt waren. Indeß gesellte sich ein kleines, dünnes, schäbiges Männlein<lb/> zu uns an Bord, das jeden Einzelnen von Kopf zu Fuß genan betrachtete und<lb/> in alle Schiffsräume hineinlngte —! Um Uhr schlug endlich unsre Stunde.<lb/> Aber selbst dann noch nicht sür Alle! Einem jungen Kaufmann ans Genua, der<lb/> mit seiner jungen Frau die Flitterwochen in den poetischen Gefilden Neapels zu<lb/> verträumen gedachte, wurde die Ausschiffung . us dem einzigen Grunde ver¬<lb/> weigert: „weil er ein Geruche, und die hiesig Regierung sich mit dem demo¬<lb/> kratischen Turiner Cabinet nicht im gute» Einve> lahmen befindet." Der Aermste<lb/> wurde allgemein um so mehr bedauert, als er sich auf der ganzen Fahrt see¬<lb/> krank fühlte, und schon sehnsuchtsvoll des Augenblicks harrte, am Festlande sich<lb/> Pflegen und erholen zu können. Das gleiche Schicksal traf einen andern Pie-<lb/> montesen, der in Handelsgeschäften nach Palermo reisen wollte. Beide mußte»,<lb/> trotz aller Verwendung ihres Consuls, im Schiffe verbleiben, und sind, glaube ich,<lb/> mit dem »ächsten Dampfboote nach Genua zurückgekehrt, ohne ihren Fuß auf</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
mel, — denn die Dämmerung ist in Algerien weit kürzer, als bei uns, — als wir
die Wachfeuer der Feldwachen erblickten und von den Doppelposten derselben
gestellt wurden. Eine leere Officiershütte im Cantonnement nahm uns auf, und
nach dem raschen Ritt und dem frühen Ausbruch des heutigen Tages versanken
wir bald auf der groben Matratze mit den 2 Wollendecken, die uns als Lager
dienten, in den süßen Schlaf der Ermüdung.
Italien drei Winter nach der Revolution.
I. Neapel.
ES war ein heiterer, mehr durch den Kalender, wie dnrch das Wetter be¬
zeichneter Novembcrtag, als ich mich mit meinem Reisegefährten, einem angesehenen
Engländer, Mr. Black, in Genua einschiffte. Am dritten Morgen landeten wir
gegen 7 Uhr in dem reizenden Golf von Neapel. Die Sonne war schon auf, —
aus dem Vesuv stiegen kleine Rauchwolken, als wollte er sich gerade sein Früh¬
stück bereiten. Das Volk feierte bereits mit ohrenzerreißenden Böllerschüssen das
Fest der Immaculata; uur die Polizeibeamten schliefen noch, und ließen uns ganz im
Style vornehmer Herren ein Paar Stunden im Hofe antichambriren. Endlich um
9 Uhr kommt die „Salute" in einer Barke, aber nicht, um uns aus der lästigen
Schiffshast zu befreie», sondern blos, um unsre Pässe und Urkunden in Empfang
zu nehmen und dieselben in einer großen wahrscheinlich durchräucherten Blech¬
büchse wohlverschlvsscu nach dem Pvlizeiamt zu schaffen. Nun vergingen wieder
mehrere Stunden, bis diese Documente durchgesehen und mit gewissen Büchern
controlirt waren. Indeß gesellte sich ein kleines, dünnes, schäbiges Männlein
zu uns an Bord, das jeden Einzelnen von Kopf zu Fuß genan betrachtete und
in alle Schiffsräume hineinlngte —! Um Uhr schlug endlich unsre Stunde.
Aber selbst dann noch nicht sür Alle! Einem jungen Kaufmann ans Genua, der
mit seiner jungen Frau die Flitterwochen in den poetischen Gefilden Neapels zu
verträumen gedachte, wurde die Ausschiffung . us dem einzigen Grunde ver¬
weigert: „weil er ein Geruche, und die hiesig Regierung sich mit dem demo¬
kratischen Turiner Cabinet nicht im gute» Einve> lahmen befindet." Der Aermste
wurde allgemein um so mehr bedauert, als er sich auf der ganzen Fahrt see¬
krank fühlte, und schon sehnsuchtsvoll des Augenblicks harrte, am Festlande sich
Pflegen und erholen zu können. Das gleiche Schicksal traf einen andern Pie-
montesen, der in Handelsgeschäften nach Palermo reisen wollte. Beide mußte»,
trotz aller Verwendung ihres Consuls, im Schiffe verbleiben, und sind, glaube ich,
mit dem »ächsten Dampfboote nach Genua zurückgekehrt, ohne ihren Fuß auf
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |