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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Armee finden, die größtentheils hart gegen die Ungunst des Schicksals anzukämpfen
haben. -- Außer der Deutschen Sprache hörte man am Meisten das Französische.
Fast alle Officiere sind Franzosen. Sonst hörte man noch viel Italienisch in den
verschiedensten Dialekten, Polnisch, Spanisch, Ungarisch, aber anch Holländisch,
schwedisch, Dänisch, Russisch, Flämisch, dazwischen aber auch Arabisch, Griechisch,
oder oft auch die sogenannte "ImA'un lranea". Ein Mczzofanti hätte sein
Sprachtalent zu zeigen Gelegenheit gehabt. Eben so verschiedenartig wie das
Vaterland ist auch der frühere Stand oder die Beschäftigung der Legionssoldaten.
Söhne der edelsten Geschlechter Deutschlands stehen neben geborenen Vagabunden,
die in irgend einer Scheune eines mitleidigen Bauern das Licht der Welt erblickt
haben; frühere Officiere neben ihren ehemaligen Tambouren; höhere gewesene
Beamte, die einmal zu tief in fremde Kassen gegriffen haben, neben dem Hand¬
werksburschen, der früher dem gestrengen Herrn nur mit Zittern und Zagen sich
zu nahen wagte. Die Mehrzahl der Deutschen Soldaten der Legion sind leicht¬
sinnige Deserteure aus deu Preußischen, Badischen und Bayerschen Regimentern,
die glaubten, wenn sie den Französischen Boden erreicht hätten, das Glück in Hülle
und Fülle zu finden. In letzter Zeit sind leider viele politische Flüchtlinge, aus
bitterer Noth getrieben, hier eingetreten. Manche treffliche Männer von Geist,
Herz und Bildung befinden sich unter Denselben, und man kann es nur aus tiefer
Seele beklagen, daß ihre reichen Kräfte dem eigenen Vaterland, wenn ein Deut¬
scher überhaupt noch von einem solchen reden kann, nicht erhalten wurden. -- Ein
großer Theil der Legionaire sind übrigens Soldaten von Handwerk, die jetzt ge¬
rade hier dienen, weil sie nirgends anders augenblicklich unterkommen konnten.
Kein Krieg in Europa, Asien und Amerika ist in den letzten is--20 Jahren ge¬
führt worden, von dem nicht einige Theilnehmer hier dienen. Es sind noch die
alten Landsknechte des Mittelalters, die Dem ihre Faust verkaufen, der sie
am Besten bezahlt. Besonders viele Deutsche, Schweizer und Polen findet
man uuter diesen abenteuernden Soldaten, sehr selten Spanier, Italiener und
geborne Franzosen. Die Italiener, die hier dienen, sind größtentheils Flüchtlinge
aus dem Römischen, Neapolitanischen und Lombardischer, hänfig anch Deserteure
aus deu Italienischen Regimentern Oestreichs, die wenigen Spanier nach Frank¬
reich versprengte Soldaten der frühern Karlistischen Heerestheile.

In rein militärischer Hinsicht betrachtet, ist die Fremdenlegion ein ungemein
brauchbares Corps. Zwar ist die Disciplin, wie man sich denken kann, sehr
schwer zu handhaben, und erfordert große Energie von Seiten der Officiere.
Ueber fünf Mal so viel Straffälle, wie in einem gleich starken Französischen Regi-
mente sollen durchschnittlich in einem Regiment der Fremdenlegion vorkommen.
Auch ihre Verluste an Mannschaften in den Hospitälern sind in Folge der großen
Unmäßigkeit vieler Soldaten verhältnißmäßig groß, wie denn anch alljährlich eine
bedeutende Zahl der Neueingetretenen darauf gehen soll, bevor sie gehörig alli-


Armee finden, die größtentheils hart gegen die Ungunst des Schicksals anzukämpfen
haben. — Außer der Deutschen Sprache hörte man am Meisten das Französische.
Fast alle Officiere sind Franzosen. Sonst hörte man noch viel Italienisch in den
verschiedensten Dialekten, Polnisch, Spanisch, Ungarisch, aber anch Holländisch,
schwedisch, Dänisch, Russisch, Flämisch, dazwischen aber auch Arabisch, Griechisch,
oder oft auch die sogenannte „ImA'un lranea". Ein Mczzofanti hätte sein
Sprachtalent zu zeigen Gelegenheit gehabt. Eben so verschiedenartig wie das
Vaterland ist auch der frühere Stand oder die Beschäftigung der Legionssoldaten.
Söhne der edelsten Geschlechter Deutschlands stehen neben geborenen Vagabunden,
die in irgend einer Scheune eines mitleidigen Bauern das Licht der Welt erblickt
haben; frühere Officiere neben ihren ehemaligen Tambouren; höhere gewesene
Beamte, die einmal zu tief in fremde Kassen gegriffen haben, neben dem Hand¬
werksburschen, der früher dem gestrengen Herrn nur mit Zittern und Zagen sich
zu nahen wagte. Die Mehrzahl der Deutschen Soldaten der Legion sind leicht¬
sinnige Deserteure aus deu Preußischen, Badischen und Bayerschen Regimentern,
die glaubten, wenn sie den Französischen Boden erreicht hätten, das Glück in Hülle
und Fülle zu finden. In letzter Zeit sind leider viele politische Flüchtlinge, aus
bitterer Noth getrieben, hier eingetreten. Manche treffliche Männer von Geist,
Herz und Bildung befinden sich unter Denselben, und man kann es nur aus tiefer
Seele beklagen, daß ihre reichen Kräfte dem eigenen Vaterland, wenn ein Deut¬
scher überhaupt noch von einem solchen reden kann, nicht erhalten wurden. — Ein
großer Theil der Legionaire sind übrigens Soldaten von Handwerk, die jetzt ge¬
rade hier dienen, weil sie nirgends anders augenblicklich unterkommen konnten.
Kein Krieg in Europa, Asien und Amerika ist in den letzten is—20 Jahren ge¬
führt worden, von dem nicht einige Theilnehmer hier dienen. Es sind noch die
alten Landsknechte des Mittelalters, die Dem ihre Faust verkaufen, der sie
am Besten bezahlt. Besonders viele Deutsche, Schweizer und Polen findet
man uuter diesen abenteuernden Soldaten, sehr selten Spanier, Italiener und
geborne Franzosen. Die Italiener, die hier dienen, sind größtentheils Flüchtlinge
aus dem Römischen, Neapolitanischen und Lombardischer, hänfig anch Deserteure
aus deu Italienischen Regimentern Oestreichs, die wenigen Spanier nach Frank¬
reich versprengte Soldaten der frühern Karlistischen Heerestheile.

In rein militärischer Hinsicht betrachtet, ist die Fremdenlegion ein ungemein
brauchbares Corps. Zwar ist die Disciplin, wie man sich denken kann, sehr
schwer zu handhaben, und erfordert große Energie von Seiten der Officiere.
Ueber fünf Mal so viel Straffälle, wie in einem gleich starken Französischen Regi-
mente sollen durchschnittlich in einem Regiment der Fremdenlegion vorkommen.
Auch ihre Verluste an Mannschaften in den Hospitälern sind in Folge der großen
Unmäßigkeit vieler Soldaten verhältnißmäßig groß, wie denn anch alljährlich eine
bedeutende Zahl der Neueingetretenen darauf gehen soll, bevor sie gehörig alli-


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[0215] Armee finden, die größtentheils hart gegen die Ungunst des Schicksals anzukämpfen haben. — Außer der Deutschen Sprache hörte man am Meisten das Französische. Fast alle Officiere sind Franzosen. Sonst hörte man noch viel Italienisch in den verschiedensten Dialekten, Polnisch, Spanisch, Ungarisch, aber anch Holländisch, schwedisch, Dänisch, Russisch, Flämisch, dazwischen aber auch Arabisch, Griechisch, oder oft auch die sogenannte „ImA'un lranea". Ein Mczzofanti hätte sein Sprachtalent zu zeigen Gelegenheit gehabt. Eben so verschiedenartig wie das Vaterland ist auch der frühere Stand oder die Beschäftigung der Legionssoldaten. Söhne der edelsten Geschlechter Deutschlands stehen neben geborenen Vagabunden, die in irgend einer Scheune eines mitleidigen Bauern das Licht der Welt erblickt haben; frühere Officiere neben ihren ehemaligen Tambouren; höhere gewesene Beamte, die einmal zu tief in fremde Kassen gegriffen haben, neben dem Hand¬ werksburschen, der früher dem gestrengen Herrn nur mit Zittern und Zagen sich zu nahen wagte. Die Mehrzahl der Deutschen Soldaten der Legion sind leicht¬ sinnige Deserteure aus deu Preußischen, Badischen und Bayerschen Regimentern, die glaubten, wenn sie den Französischen Boden erreicht hätten, das Glück in Hülle und Fülle zu finden. In letzter Zeit sind leider viele politische Flüchtlinge, aus bitterer Noth getrieben, hier eingetreten. Manche treffliche Männer von Geist, Herz und Bildung befinden sich unter Denselben, und man kann es nur aus tiefer Seele beklagen, daß ihre reichen Kräfte dem eigenen Vaterland, wenn ein Deut¬ scher überhaupt noch von einem solchen reden kann, nicht erhalten wurden. — Ein großer Theil der Legionaire sind übrigens Soldaten von Handwerk, die jetzt ge¬ rade hier dienen, weil sie nirgends anders augenblicklich unterkommen konnten. Kein Krieg in Europa, Asien und Amerika ist in den letzten is—20 Jahren ge¬ führt worden, von dem nicht einige Theilnehmer hier dienen. Es sind noch die alten Landsknechte des Mittelalters, die Dem ihre Faust verkaufen, der sie am Besten bezahlt. Besonders viele Deutsche, Schweizer und Polen findet man uuter diesen abenteuernden Soldaten, sehr selten Spanier, Italiener und geborne Franzosen. Die Italiener, die hier dienen, sind größtentheils Flüchtlinge aus dem Römischen, Neapolitanischen und Lombardischer, hänfig anch Deserteure aus deu Italienischen Regimentern Oestreichs, die wenigen Spanier nach Frank¬ reich versprengte Soldaten der frühern Karlistischen Heerestheile. In rein militärischer Hinsicht betrachtet, ist die Fremdenlegion ein ungemein brauchbares Corps. Zwar ist die Disciplin, wie man sich denken kann, sehr schwer zu handhaben, und erfordert große Energie von Seiten der Officiere. Ueber fünf Mal so viel Straffälle, wie in einem gleich starken Französischen Regi- mente sollen durchschnittlich in einem Regiment der Fremdenlegion vorkommen. Auch ihre Verluste an Mannschaften in den Hospitälern sind in Folge der großen Unmäßigkeit vieler Soldaten verhältnißmäßig groß, wie denn anch alljährlich eine bedeutende Zahl der Neueingetretenen darauf gehen soll, bevor sie gehörig alli-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/215>, abgerufen am 02.07.2024.