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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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sehr angegriffen ans. Gar manche mühevolle Arbeit bei der Anlegung von Wegen,
Befestigungen, öffentlichen Gebäuden u. s. w. hat die Fremdenlegion schon in
Algerien verrichten müssen, und viele Soldaten sind den ungewohnten Anstren¬
gungen erlegen.

Im Lager ward es jetzt lebendig, und es zeigten sich die verschiedenartigsten
Gruppen. Viele Soldaten saßen ans dem Rasen umher und putzten ihre Waffen,
oder ließen die Nähnadeln geschäftig stiegen, kleine wie größere Schäden an
Uniformen wie Wäsche auszubessern. Manche wuschen am Bache mit der Schnel¬
ligkeit gewandter Wäscherinnen ihre schmuzige Wäsche, oder hingen dieselbe zum
Trocknen auf die blühenden Büsche auf. Die Kochfeuer, die überall in den ge¬
grabenen Kochlöchern aufloderten, schienen Viele zu beschäftigen, und mau sah
ganze Haufen um dieselben herumhocken; Viele saßen oder lagen auch vor den
kleinen Erdhütten der Marketenderinneu, von denen bei jeder Compagnie eine
sich befand, und ließen sich den dunkelrothen feurigen Wein aus der Provence,
den man in Algerien sehr wohlfeil hat, trefflich schmecken. Ein unbezähmbarer
Haug zur Trunkenheit ist ein großer Fehler, an dem ein guter Theil der Legivus-
soldatcn leidet. Was sie an Geld zusammenbringen können, wird sobald als
möglich für Wein oder Branntwein ausgegeben. Gruppen von Spielern, die mit
vor Schmuz fast unlernbar gewordenen Karten unter lauten Flüchen aller Sprachen
des Weltalls spielten, oder die Würfel auf einem ausgebreiteten Mantel tüchtig
rollen ließen, konnte man auch nicht selten sehen. Das Spielen um Geld ist
zwar den Soldaten eigentlich verboten, geschieht aber dennoch unter allerlei ver¬
schiedenen Umgehungen des Verbotes sehr hänfig. Eine große Zahl von Sol¬
daten lag im Schatten der Bäume auf dem üppig schwellenden Rasen laug aus¬
gestreckt, und schlief den festen Schlaf der Ermüdung.

Das bunte Durcheinander aller nur möglichen Sprachen erinnerte an deu
Babylonischen Thurmbau. Die Mehrzahl der Soldaten des Bataillons bestand
aus Deutschen; man hörte das breite, unbiegsame Plattdeutsch der Pommern,
Mecklenburger, Schleswig-Holsteiner, Hannoveraner, das Verschlucken der End-
consouanten der Badenser, das Schwäbische in allen seinen Nuancen, das kaum
verständliche Allemannische, die hartnäckige Verwandlung des g in ein j der Bran¬
denburger. Süddeutsche sind übrigens im Allgemeinen mehr wie norddeutsche in
der Fremdenlegion zu finden, und besonders Baden, Bayern und Nheinpreußen
liefern ein ansehnliches Contingent. Einen sehr schmerzlichen Eindruck machte es
mir, wie einige frühere Schleswig-Holsteinische Soldaten, die mich hier als ihren
ehemaligen Officier wiedererkannten, mich anredeten. So viel ich nur irgend an
Geld entbehren konnte, gab ich diesen armen Schleswigern, die ich auch später
besonders der Berücksichtigung des Bataillons-Commandanten empfahl. Wohin
der Reisende übrigens jetzt seinen Fuß setzen mag, überall wird er leider ver¬
sprengte Officiere und Soldaten der aus einander gerissenen Schleswig-Holsteinischen


sehr angegriffen ans. Gar manche mühevolle Arbeit bei der Anlegung von Wegen,
Befestigungen, öffentlichen Gebäuden u. s. w. hat die Fremdenlegion schon in
Algerien verrichten müssen, und viele Soldaten sind den ungewohnten Anstren¬
gungen erlegen.

Im Lager ward es jetzt lebendig, und es zeigten sich die verschiedenartigsten
Gruppen. Viele Soldaten saßen ans dem Rasen umher und putzten ihre Waffen,
oder ließen die Nähnadeln geschäftig stiegen, kleine wie größere Schäden an
Uniformen wie Wäsche auszubessern. Manche wuschen am Bache mit der Schnel¬
ligkeit gewandter Wäscherinnen ihre schmuzige Wäsche, oder hingen dieselbe zum
Trocknen auf die blühenden Büsche auf. Die Kochfeuer, die überall in den ge¬
grabenen Kochlöchern aufloderten, schienen Viele zu beschäftigen, und mau sah
ganze Haufen um dieselben herumhocken; Viele saßen oder lagen auch vor den
kleinen Erdhütten der Marketenderinneu, von denen bei jeder Compagnie eine
sich befand, und ließen sich den dunkelrothen feurigen Wein aus der Provence,
den man in Algerien sehr wohlfeil hat, trefflich schmecken. Ein unbezähmbarer
Haug zur Trunkenheit ist ein großer Fehler, an dem ein guter Theil der Legivus-
soldatcn leidet. Was sie an Geld zusammenbringen können, wird sobald als
möglich für Wein oder Branntwein ausgegeben. Gruppen von Spielern, die mit
vor Schmuz fast unlernbar gewordenen Karten unter lauten Flüchen aller Sprachen
des Weltalls spielten, oder die Würfel auf einem ausgebreiteten Mantel tüchtig
rollen ließen, konnte man auch nicht selten sehen. Das Spielen um Geld ist
zwar den Soldaten eigentlich verboten, geschieht aber dennoch unter allerlei ver¬
schiedenen Umgehungen des Verbotes sehr hänfig. Eine große Zahl von Sol¬
daten lag im Schatten der Bäume auf dem üppig schwellenden Rasen laug aus¬
gestreckt, und schlief den festen Schlaf der Ermüdung.

Das bunte Durcheinander aller nur möglichen Sprachen erinnerte an deu
Babylonischen Thurmbau. Die Mehrzahl der Soldaten des Bataillons bestand
aus Deutschen; man hörte das breite, unbiegsame Plattdeutsch der Pommern,
Mecklenburger, Schleswig-Holsteiner, Hannoveraner, das Verschlucken der End-
consouanten der Badenser, das Schwäbische in allen seinen Nuancen, das kaum
verständliche Allemannische, die hartnäckige Verwandlung des g in ein j der Bran¬
denburger. Süddeutsche sind übrigens im Allgemeinen mehr wie norddeutsche in
der Fremdenlegion zu finden, und besonders Baden, Bayern und Nheinpreußen
liefern ein ansehnliches Contingent. Einen sehr schmerzlichen Eindruck machte es
mir, wie einige frühere Schleswig-Holsteinische Soldaten, die mich hier als ihren
ehemaligen Officier wiedererkannten, mich anredeten. So viel ich nur irgend an
Geld entbehren konnte, gab ich diesen armen Schleswigern, die ich auch später
besonders der Berücksichtigung des Bataillons-Commandanten empfahl. Wohin
der Reisende übrigens jetzt seinen Fuß setzen mag, überall wird er leider ver¬
sprengte Officiere und Soldaten der aus einander gerissenen Schleswig-Holsteinischen


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[0214] sehr angegriffen ans. Gar manche mühevolle Arbeit bei der Anlegung von Wegen, Befestigungen, öffentlichen Gebäuden u. s. w. hat die Fremdenlegion schon in Algerien verrichten müssen, und viele Soldaten sind den ungewohnten Anstren¬ gungen erlegen. Im Lager ward es jetzt lebendig, und es zeigten sich die verschiedenartigsten Gruppen. Viele Soldaten saßen ans dem Rasen umher und putzten ihre Waffen, oder ließen die Nähnadeln geschäftig stiegen, kleine wie größere Schäden an Uniformen wie Wäsche auszubessern. Manche wuschen am Bache mit der Schnel¬ ligkeit gewandter Wäscherinnen ihre schmuzige Wäsche, oder hingen dieselbe zum Trocknen auf die blühenden Büsche auf. Die Kochfeuer, die überall in den ge¬ grabenen Kochlöchern aufloderten, schienen Viele zu beschäftigen, und mau sah ganze Haufen um dieselben herumhocken; Viele saßen oder lagen auch vor den kleinen Erdhütten der Marketenderinneu, von denen bei jeder Compagnie eine sich befand, und ließen sich den dunkelrothen feurigen Wein aus der Provence, den man in Algerien sehr wohlfeil hat, trefflich schmecken. Ein unbezähmbarer Haug zur Trunkenheit ist ein großer Fehler, an dem ein guter Theil der Legivus- soldatcn leidet. Was sie an Geld zusammenbringen können, wird sobald als möglich für Wein oder Branntwein ausgegeben. Gruppen von Spielern, die mit vor Schmuz fast unlernbar gewordenen Karten unter lauten Flüchen aller Sprachen des Weltalls spielten, oder die Würfel auf einem ausgebreiteten Mantel tüchtig rollen ließen, konnte man auch nicht selten sehen. Das Spielen um Geld ist zwar den Soldaten eigentlich verboten, geschieht aber dennoch unter allerlei ver¬ schiedenen Umgehungen des Verbotes sehr hänfig. Eine große Zahl von Sol¬ daten lag im Schatten der Bäume auf dem üppig schwellenden Rasen laug aus¬ gestreckt, und schlief den festen Schlaf der Ermüdung. Das bunte Durcheinander aller nur möglichen Sprachen erinnerte an deu Babylonischen Thurmbau. Die Mehrzahl der Soldaten des Bataillons bestand aus Deutschen; man hörte das breite, unbiegsame Plattdeutsch der Pommern, Mecklenburger, Schleswig-Holsteiner, Hannoveraner, das Verschlucken der End- consouanten der Badenser, das Schwäbische in allen seinen Nuancen, das kaum verständliche Allemannische, die hartnäckige Verwandlung des g in ein j der Bran¬ denburger. Süddeutsche sind übrigens im Allgemeinen mehr wie norddeutsche in der Fremdenlegion zu finden, und besonders Baden, Bayern und Nheinpreußen liefern ein ansehnliches Contingent. Einen sehr schmerzlichen Eindruck machte es mir, wie einige frühere Schleswig-Holsteinische Soldaten, die mich hier als ihren ehemaligen Officier wiedererkannten, mich anredeten. So viel ich nur irgend an Geld entbehren konnte, gab ich diesen armen Schleswigern, die ich auch später besonders der Berücksichtigung des Bataillons-Commandanten empfahl. Wohin der Reisende übrigens jetzt seinen Fuß setzen mag, überall wird er leider ver¬ sprengte Officiere und Soldaten der aus einander gerissenen Schleswig-Holsteinischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/214>, abgerufen am 30.06.2024.