Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Aufenthaltes beim Regimente von den Fortschritten, welche die Ungarische Sprache
während der letzten As Jahre machte, etwas zurückgeblieben -- sehr wohl stand, und
oft selbst seinem heftigsten Gegner ein Lächeln abzwang. Hier müssen wir auch
eines Wortes erwähnen, dessen er sich oft bediente, und welches später von der
Oppositionöpresse sehr oft gegen ihn selbst gebraucht wurde. Ich meine das Un¬
garische Wort "KöliL?", welches eigentlich "Wasscrbrei" bedeutet, worunter aber der
Ungar jede wässerige, kraftlose Speise versteht. Dem Alten war das Treiben der
Camarilla, wie die hochfliegenden Plane der Radicalen gleich Köficz, nud wenn
ihn jetzt Jemand über seine Ansicht von Oestreichs Wirthschaft in Ungarn und
Deutschland, über die Zustände in Frankreich oder der Türkei befragen sollte, so
wäre wahrscheinlich die lakonische Antwort: Köficz. -- Mit Schlick ist ihm sein
Witz am Allerwenigsten gelungen, denn Dieser wurde nicht nur uicht verschlickt,
sondern brachte sogar dem Ungarischen Minister, der einst sein Adjutant gewesen
sein soll, am i. Januar 1849 von den Hohen von Bärcza eine Niederlage bei.
Auch hier war es so gekommen, daß der gute Alte unter allen Feldherren den
mißlichsten Posten bekam, denn Schlick war bekanntlich einer der tüchtigsten, und
im Ungarischen Kriege glücklichsten Oestreichischen Generale, und M'-ßäros sollte
ihn mit einer kleinern Zahl -- Recruten ans seiner vortrefflichen Position schlagen;
aber anch mit dieser Niederlage hat Mvßäros der Ungarischen Sache einen großen
Dienst geleistet, denn die unter ihm geschlagenen Recruten hatten bei Bärcza das
Pulversieber überstanden, und sein von ihm mit richtigem Blick ersehener Nach¬
folger, Klapka, nahm mit denselben Truppen bald darauf bei Tokay und Tarczal
an Schlick glänzende Nevange.

Die Affaire gegen Schlick war die letzte, wo Mvßüros persönlich eine Schlacht
leitete. Er ging im Januar nach Debreczin, und arbeitete dort mit unermüd¬
lichem Eifer an der Organisirung und Completirung jener Armee, welche im Früh¬
ling Europa in Staunen setzen sollte. Hier machte er die Bekanntschaft Dcm-
binöky's, mit dem er bald in ein intimes Verhältniß trat, und mau sah seit dieser
Zeit die "beiden Alten" fast immer beisammen. Erst nach dem 14. April, als
Szemere ein neues Ministerium bilden sollte, zeigte er der Nationalversammlung
seinen Rücktritt an, indem er sehe, daß er von der jungen Armee überflügelt sei.
"Hufeland habe gesagt: Wer in seinem 30. Jahre nicht wisse, was seinem Or¬
ganismus zuträglich oder schädlich sei, verdiene nicht gesund zu sein; er aber meine,
wer mit grauen Haaren an der Spitze der Geschäfte steht, und nicht einsieht,
wann seine Zeit abgelaufen ist, sei ein schlechter Patriot. Er bitte das Haus,
ihn von nun an einfach als Deputirten von Baja zu betrachten." Was eigent¬
lich den guten Alten zu diesem plötzlichen Rücktritt nach der Unabhängigkeitser-
klärnng bewogen, ist bis jetzt noch nicht bekannt. Eine einfache Mißbilligung
der Unabhängigkeitserklärnng kann es unmöglich gewesen sein, denn in diesem Falle
hätte der unerschrockene Mann gewiß anch seiner Deputirtenstelle entsagt; Manche


Aufenthaltes beim Regimente von den Fortschritten, welche die Ungarische Sprache
während der letzten As Jahre machte, etwas zurückgeblieben — sehr wohl stand, und
oft selbst seinem heftigsten Gegner ein Lächeln abzwang. Hier müssen wir auch
eines Wortes erwähnen, dessen er sich oft bediente, und welches später von der
Oppositionöpresse sehr oft gegen ihn selbst gebraucht wurde. Ich meine das Un¬
garische Wort „KöliL?", welches eigentlich „Wasscrbrei" bedeutet, worunter aber der
Ungar jede wässerige, kraftlose Speise versteht. Dem Alten war das Treiben der
Camarilla, wie die hochfliegenden Plane der Radicalen gleich Köficz, nud wenn
ihn jetzt Jemand über seine Ansicht von Oestreichs Wirthschaft in Ungarn und
Deutschland, über die Zustände in Frankreich oder der Türkei befragen sollte, so
wäre wahrscheinlich die lakonische Antwort: Köficz. — Mit Schlick ist ihm sein
Witz am Allerwenigsten gelungen, denn Dieser wurde nicht nur uicht verschlickt,
sondern brachte sogar dem Ungarischen Minister, der einst sein Adjutant gewesen
sein soll, am i. Januar 1849 von den Hohen von Bärcza eine Niederlage bei.
Auch hier war es so gekommen, daß der gute Alte unter allen Feldherren den
mißlichsten Posten bekam, denn Schlick war bekanntlich einer der tüchtigsten, und
im Ungarischen Kriege glücklichsten Oestreichischen Generale, und M'-ßäros sollte
ihn mit einer kleinern Zahl — Recruten ans seiner vortrefflichen Position schlagen;
aber anch mit dieser Niederlage hat Mvßäros der Ungarischen Sache einen großen
Dienst geleistet, denn die unter ihm geschlagenen Recruten hatten bei Bärcza das
Pulversieber überstanden, und sein von ihm mit richtigem Blick ersehener Nach¬
folger, Klapka, nahm mit denselben Truppen bald darauf bei Tokay und Tarczal
an Schlick glänzende Nevange.

Die Affaire gegen Schlick war die letzte, wo Mvßüros persönlich eine Schlacht
leitete. Er ging im Januar nach Debreczin, und arbeitete dort mit unermüd¬
lichem Eifer an der Organisirung und Completirung jener Armee, welche im Früh¬
ling Europa in Staunen setzen sollte. Hier machte er die Bekanntschaft Dcm-
binöky's, mit dem er bald in ein intimes Verhältniß trat, und mau sah seit dieser
Zeit die „beiden Alten" fast immer beisammen. Erst nach dem 14. April, als
Szemere ein neues Ministerium bilden sollte, zeigte er der Nationalversammlung
seinen Rücktritt an, indem er sehe, daß er von der jungen Armee überflügelt sei.
„Hufeland habe gesagt: Wer in seinem 30. Jahre nicht wisse, was seinem Or¬
ganismus zuträglich oder schädlich sei, verdiene nicht gesund zu sein; er aber meine,
wer mit grauen Haaren an der Spitze der Geschäfte steht, und nicht einsieht,
wann seine Zeit abgelaufen ist, sei ein schlechter Patriot. Er bitte das Haus,
ihn von nun an einfach als Deputirten von Baja zu betrachten." Was eigent¬
lich den guten Alten zu diesem plötzlichen Rücktritt nach der Unabhängigkeitser-
klärnng bewogen, ist bis jetzt noch nicht bekannt. Eine einfache Mißbilligung
der Unabhängigkeitserklärnng kann es unmöglich gewesen sein, denn in diesem Falle
hätte der unerschrockene Mann gewiß anch seiner Deputirtenstelle entsagt; Manche


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280107"/>
          <p xml:id="ID_41" prev="#ID_40"> Aufenthaltes beim Regimente von den Fortschritten, welche die Ungarische Sprache<lb/>
während der letzten As Jahre machte, etwas zurückgeblieben &#x2014; sehr wohl stand, und<lb/>
oft selbst seinem heftigsten Gegner ein Lächeln abzwang. Hier müssen wir auch<lb/>
eines Wortes erwähnen, dessen er sich oft bediente, und welches später von der<lb/>
Oppositionöpresse sehr oft gegen ihn selbst gebraucht wurde. Ich meine das Un¬<lb/>
garische Wort &#x201E;KöliL?", welches eigentlich &#x201E;Wasscrbrei" bedeutet, worunter aber der<lb/>
Ungar jede wässerige, kraftlose Speise versteht. Dem Alten war das Treiben der<lb/>
Camarilla, wie die hochfliegenden Plane der Radicalen gleich Köficz, nud wenn<lb/>
ihn jetzt Jemand über seine Ansicht von Oestreichs Wirthschaft in Ungarn und<lb/>
Deutschland, über die Zustände in Frankreich oder der Türkei befragen sollte, so<lb/>
wäre wahrscheinlich die lakonische Antwort: Köficz. &#x2014; Mit Schlick ist ihm sein<lb/>
Witz am Allerwenigsten gelungen, denn Dieser wurde nicht nur uicht verschlickt,<lb/>
sondern brachte sogar dem Ungarischen Minister, der einst sein Adjutant gewesen<lb/>
sein soll, am i. Januar 1849 von den Hohen von Bärcza eine Niederlage bei.<lb/>
Auch hier war es so gekommen, daß der gute Alte unter allen Feldherren den<lb/>
mißlichsten Posten bekam, denn Schlick war bekanntlich einer der tüchtigsten, und<lb/>
im Ungarischen Kriege glücklichsten Oestreichischen Generale, und M'-ßäros sollte<lb/>
ihn mit einer kleinern Zahl &#x2014; Recruten ans seiner vortrefflichen Position schlagen;<lb/>
aber anch mit dieser Niederlage hat Mvßäros der Ungarischen Sache einen großen<lb/>
Dienst geleistet, denn die unter ihm geschlagenen Recruten hatten bei Bärcza das<lb/>
Pulversieber überstanden, und sein von ihm mit richtigem Blick ersehener Nach¬<lb/>
folger, Klapka, nahm mit denselben Truppen bald darauf bei Tokay und Tarczal<lb/>
an Schlick glänzende Nevange.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_42" next="#ID_43"> Die Affaire gegen Schlick war die letzte, wo Mvßüros persönlich eine Schlacht<lb/>
leitete. Er ging im Januar nach Debreczin, und arbeitete dort mit unermüd¬<lb/>
lichem Eifer an der Organisirung und Completirung jener Armee, welche im Früh¬<lb/>
ling Europa in Staunen setzen sollte. Hier machte er die Bekanntschaft Dcm-<lb/>
binöky's, mit dem er bald in ein intimes Verhältniß trat, und mau sah seit dieser<lb/>
Zeit die &#x201E;beiden Alten" fast immer beisammen. Erst nach dem 14. April, als<lb/>
Szemere ein neues Ministerium bilden sollte, zeigte er der Nationalversammlung<lb/>
seinen Rücktritt an, indem er sehe, daß er von der jungen Armee überflügelt sei.<lb/>
&#x201E;Hufeland habe gesagt: Wer in seinem 30. Jahre nicht wisse, was seinem Or¬<lb/>
ganismus zuträglich oder schädlich sei, verdiene nicht gesund zu sein; er aber meine,<lb/>
wer mit grauen Haaren an der Spitze der Geschäfte steht, und nicht einsieht,<lb/>
wann seine Zeit abgelaufen ist, sei ein schlechter Patriot. Er bitte das Haus,<lb/>
ihn von nun an einfach als Deputirten von Baja zu betrachten." Was eigent¬<lb/>
lich den guten Alten zu diesem plötzlichen Rücktritt nach der Unabhängigkeitser-<lb/>
klärnng bewogen, ist bis jetzt noch nicht bekannt. Eine einfache Mißbilligung<lb/>
der Unabhängigkeitserklärnng kann es unmöglich gewesen sein, denn in diesem Falle<lb/>
hätte der unerschrockene Mann gewiß anch seiner Deputirtenstelle entsagt; Manche</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0020] Aufenthaltes beim Regimente von den Fortschritten, welche die Ungarische Sprache während der letzten As Jahre machte, etwas zurückgeblieben — sehr wohl stand, und oft selbst seinem heftigsten Gegner ein Lächeln abzwang. Hier müssen wir auch eines Wortes erwähnen, dessen er sich oft bediente, und welches später von der Oppositionöpresse sehr oft gegen ihn selbst gebraucht wurde. Ich meine das Un¬ garische Wort „KöliL?", welches eigentlich „Wasscrbrei" bedeutet, worunter aber der Ungar jede wässerige, kraftlose Speise versteht. Dem Alten war das Treiben der Camarilla, wie die hochfliegenden Plane der Radicalen gleich Köficz, nud wenn ihn jetzt Jemand über seine Ansicht von Oestreichs Wirthschaft in Ungarn und Deutschland, über die Zustände in Frankreich oder der Türkei befragen sollte, so wäre wahrscheinlich die lakonische Antwort: Köficz. — Mit Schlick ist ihm sein Witz am Allerwenigsten gelungen, denn Dieser wurde nicht nur uicht verschlickt, sondern brachte sogar dem Ungarischen Minister, der einst sein Adjutant gewesen sein soll, am i. Januar 1849 von den Hohen von Bärcza eine Niederlage bei. Auch hier war es so gekommen, daß der gute Alte unter allen Feldherren den mißlichsten Posten bekam, denn Schlick war bekanntlich einer der tüchtigsten, und im Ungarischen Kriege glücklichsten Oestreichischen Generale, und M'-ßäros sollte ihn mit einer kleinern Zahl — Recruten ans seiner vortrefflichen Position schlagen; aber anch mit dieser Niederlage hat Mvßäros der Ungarischen Sache einen großen Dienst geleistet, denn die unter ihm geschlagenen Recruten hatten bei Bärcza das Pulversieber überstanden, und sein von ihm mit richtigem Blick ersehener Nach¬ folger, Klapka, nahm mit denselben Truppen bald darauf bei Tokay und Tarczal an Schlick glänzende Nevange. Die Affaire gegen Schlick war die letzte, wo Mvßüros persönlich eine Schlacht leitete. Er ging im Januar nach Debreczin, und arbeitete dort mit unermüd¬ lichem Eifer an der Organisirung und Completirung jener Armee, welche im Früh¬ ling Europa in Staunen setzen sollte. Hier machte er die Bekanntschaft Dcm- binöky's, mit dem er bald in ein intimes Verhältniß trat, und mau sah seit dieser Zeit die „beiden Alten" fast immer beisammen. Erst nach dem 14. April, als Szemere ein neues Ministerium bilden sollte, zeigte er der Nationalversammlung seinen Rücktritt an, indem er sehe, daß er von der jungen Armee überflügelt sei. „Hufeland habe gesagt: Wer in seinem 30. Jahre nicht wisse, was seinem Or¬ ganismus zuträglich oder schädlich sei, verdiene nicht gesund zu sein; er aber meine, wer mit grauen Haaren an der Spitze der Geschäfte steht, und nicht einsieht, wann seine Zeit abgelaufen ist, sei ein schlechter Patriot. Er bitte das Haus, ihn von nun an einfach als Deputirten von Baja zu betrachten." Was eigent¬ lich den guten Alten zu diesem plötzlichen Rücktritt nach der Unabhängigkeitser- klärnng bewogen, ist bis jetzt noch nicht bekannt. Eine einfache Mißbilligung der Unabhängigkeitserklärnng kann es unmöglich gewesen sein, denn in diesem Falle hätte der unerschrockene Mann gewiß anch seiner Deputirtenstelle entsagt; Manche

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/20
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/20>, abgerufen am 30.06.2024.