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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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böte stehenden Kräfte wirklich unzureichend waren, war wieder eine jener Schicksals¬
tücken, welche dem geplagten Manne so oft begegneten.

Nach diesem mißlungenen Sturm traf der Minister Anstalten zu Vertheidigung
der Bäcska gegen die Ueberfälle der Rachen, verließ die Südarmee, um in
sein Ministerialburcan, wo er eigentlich an seinem Platze war, zurückzukehren, und
erließ vor seinem Abgange am 4. October eine Proklamation an die Südarmee,
in welcher sich die ganze Wärme seines patriotischen Herzens ergoß, und er sich
entschieden für die Sache der Revolution erklärte, deren Bahn in Pesth, durch die
am 29. September erfolgte Ernennung des LandesvcrtheidigungsauSschusses, bereits
betreten worden war.

Im Landesverthcidigungsansschusse mußte sich die Privatansicht des Alten
wieder mit einem bescheidenen Winkelchen im Hintergründe seines Herzens begnü¬
gen. Der durch und durch loyale Soldat, der sich uur sür die Sache seines
am Lebensnerv angegriffenen Volkes erklärte, weil er der festen Ueberzeugung
lebte, daß die Partei, welche damals den Hof lenkte, das Verderben der Dynastie
und des Ungarischen Volkes zugleich herbeiführen müsse, sollte mit Pervnyi, Nyäri,
Szemere und Madar-Iß zu Rathe sitzen, die theils ans Ueberzeugung, daß es einst
doch zu einem Kampfe zwischen Oestreich und Ungarn kommen müsse, zur Ent¬
schiedenheit drängten, theils, von einem jacobiniftischen Kitzel getrieben, schon damals
die demokratische Republik im Hintergrunde erblickten. Aber MMroS lebte von
nun an einzig und allein seinem Amte, nämlich der Organisation der Bataillone,
Errichtung von Batterien, Anschaffung von Waffen und Montnrstücken und Er¬
nennung von Officieren, welches Letztere von dem Alten mit besonderer Vorliebe
getrieben wurde, und wo ihm der Umstand, daß er das Oestreichische Officier-
corps fast bis auf einen Mann kannte, nach dem er sein Zutrauen begrenzt hatte,
sehr zu Statten kam. Um die eigentliche Politik kümmerte er sich wenig oder
gar nicht.

In der Nationalversammlung treffen wir ihn erst am 31. December wieder, wo
er aufgefordert wurde, das Commando der neu errichteten Nordarmee gegen Schlick,
der von Kassau ans Debreczin bedrohte, zu übernehmen. Der Kriegsminister
antwortete: "Ich Me mich selbst angeboten, aber ich weiß, daß unter den jetzigen
Umständen ein Unglück gleich schwarzgelben Reminiscenzen zugeschrieben wird.
Ich halte es für meine Pflicht, Alles sür das Vaterland zu thun. Ich werde
trachten Alles auszubieten, bitte aber das Haus, mich zwar zu beurtheilen,
aber uicht zu verurtheilen, oder, wie der Deutsche sagt: Urtheilt, aber vicrthcilt
mich uicht. Ich hoffe übrigens, daß wir den Schlick vcrschlickcn werden." --
Diesen Witz müssen wir keineswegs für eine Gasconade ansehen, denn Nichts stand
diesem Manne ferner als Prahlerei und Selbstüberschätzung, aber er liebte sehr,
in Gleichnissen, Citaten und Wortspielen zu sprechen, was seinem klaren, aber
in etwas veralteter Form gehaltenen Vortrage -- er war während seines langen


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böte stehenden Kräfte wirklich unzureichend waren, war wieder eine jener Schicksals¬
tücken, welche dem geplagten Manne so oft begegneten.

Nach diesem mißlungenen Sturm traf der Minister Anstalten zu Vertheidigung
der Bäcska gegen die Ueberfälle der Rachen, verließ die Südarmee, um in
sein Ministerialburcan, wo er eigentlich an seinem Platze war, zurückzukehren, und
erließ vor seinem Abgange am 4. October eine Proklamation an die Südarmee,
in welcher sich die ganze Wärme seines patriotischen Herzens ergoß, und er sich
entschieden für die Sache der Revolution erklärte, deren Bahn in Pesth, durch die
am 29. September erfolgte Ernennung des LandesvcrtheidigungsauSschusses, bereits
betreten worden war.

Im Landesverthcidigungsansschusse mußte sich die Privatansicht des Alten
wieder mit einem bescheidenen Winkelchen im Hintergründe seines Herzens begnü¬
gen. Der durch und durch loyale Soldat, der sich uur sür die Sache seines
am Lebensnerv angegriffenen Volkes erklärte, weil er der festen Ueberzeugung
lebte, daß die Partei, welche damals den Hof lenkte, das Verderben der Dynastie
und des Ungarischen Volkes zugleich herbeiführen müsse, sollte mit Pervnyi, Nyäri,
Szemere und Madar-Iß zu Rathe sitzen, die theils ans Ueberzeugung, daß es einst
doch zu einem Kampfe zwischen Oestreich und Ungarn kommen müsse, zur Ent¬
schiedenheit drängten, theils, von einem jacobiniftischen Kitzel getrieben, schon damals
die demokratische Republik im Hintergrunde erblickten. Aber MMroS lebte von
nun an einzig und allein seinem Amte, nämlich der Organisation der Bataillone,
Errichtung von Batterien, Anschaffung von Waffen und Montnrstücken und Er¬
nennung von Officieren, welches Letztere von dem Alten mit besonderer Vorliebe
getrieben wurde, und wo ihm der Umstand, daß er das Oestreichische Officier-
corps fast bis auf einen Mann kannte, nach dem er sein Zutrauen begrenzt hatte,
sehr zu Statten kam. Um die eigentliche Politik kümmerte er sich wenig oder
gar nicht.

In der Nationalversammlung treffen wir ihn erst am 31. December wieder, wo
er aufgefordert wurde, das Commando der neu errichteten Nordarmee gegen Schlick,
der von Kassau ans Debreczin bedrohte, zu übernehmen. Der Kriegsminister
antwortete: „Ich Me mich selbst angeboten, aber ich weiß, daß unter den jetzigen
Umständen ein Unglück gleich schwarzgelben Reminiscenzen zugeschrieben wird.
Ich halte es für meine Pflicht, Alles sür das Vaterland zu thun. Ich werde
trachten Alles auszubieten, bitte aber das Haus, mich zwar zu beurtheilen,
aber uicht zu verurtheilen, oder, wie der Deutsche sagt: Urtheilt, aber vicrthcilt
mich uicht. Ich hoffe übrigens, daß wir den Schlick vcrschlickcn werden." —
Diesen Witz müssen wir keineswegs für eine Gasconade ansehen, denn Nichts stand
diesem Manne ferner als Prahlerei und Selbstüberschätzung, aber er liebte sehr,
in Gleichnissen, Citaten und Wortspielen zu sprechen, was seinem klaren, aber
in etwas veralteter Form gehaltenen Vortrage — er war während seines langen


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[0019] böte stehenden Kräfte wirklich unzureichend waren, war wieder eine jener Schicksals¬ tücken, welche dem geplagten Manne so oft begegneten. Nach diesem mißlungenen Sturm traf der Minister Anstalten zu Vertheidigung der Bäcska gegen die Ueberfälle der Rachen, verließ die Südarmee, um in sein Ministerialburcan, wo er eigentlich an seinem Platze war, zurückzukehren, und erließ vor seinem Abgange am 4. October eine Proklamation an die Südarmee, in welcher sich die ganze Wärme seines patriotischen Herzens ergoß, und er sich entschieden für die Sache der Revolution erklärte, deren Bahn in Pesth, durch die am 29. September erfolgte Ernennung des LandesvcrtheidigungsauSschusses, bereits betreten worden war. Im Landesverthcidigungsansschusse mußte sich die Privatansicht des Alten wieder mit einem bescheidenen Winkelchen im Hintergründe seines Herzens begnü¬ gen. Der durch und durch loyale Soldat, der sich uur sür die Sache seines am Lebensnerv angegriffenen Volkes erklärte, weil er der festen Ueberzeugung lebte, daß die Partei, welche damals den Hof lenkte, das Verderben der Dynastie und des Ungarischen Volkes zugleich herbeiführen müsse, sollte mit Pervnyi, Nyäri, Szemere und Madar-Iß zu Rathe sitzen, die theils ans Ueberzeugung, daß es einst doch zu einem Kampfe zwischen Oestreich und Ungarn kommen müsse, zur Ent¬ schiedenheit drängten, theils, von einem jacobiniftischen Kitzel getrieben, schon damals die demokratische Republik im Hintergrunde erblickten. Aber MMroS lebte von nun an einzig und allein seinem Amte, nämlich der Organisation der Bataillone, Errichtung von Batterien, Anschaffung von Waffen und Montnrstücken und Er¬ nennung von Officieren, welches Letztere von dem Alten mit besonderer Vorliebe getrieben wurde, und wo ihm der Umstand, daß er das Oestreichische Officier- corps fast bis auf einen Mann kannte, nach dem er sein Zutrauen begrenzt hatte, sehr zu Statten kam. Um die eigentliche Politik kümmerte er sich wenig oder gar nicht. In der Nationalversammlung treffen wir ihn erst am 31. December wieder, wo er aufgefordert wurde, das Commando der neu errichteten Nordarmee gegen Schlick, der von Kassau ans Debreczin bedrohte, zu übernehmen. Der Kriegsminister antwortete: „Ich Me mich selbst angeboten, aber ich weiß, daß unter den jetzigen Umständen ein Unglück gleich schwarzgelben Reminiscenzen zugeschrieben wird. Ich halte es für meine Pflicht, Alles sür das Vaterland zu thun. Ich werde trachten Alles auszubieten, bitte aber das Haus, mich zwar zu beurtheilen, aber uicht zu verurtheilen, oder, wie der Deutsche sagt: Urtheilt, aber vicrthcilt mich uicht. Ich hoffe übrigens, daß wir den Schlick vcrschlickcn werden." — Diesen Witz müssen wir keineswegs für eine Gasconade ansehen, denn Nichts stand diesem Manne ferner als Prahlerei und Selbstüberschätzung, aber er liebte sehr, in Gleichnissen, Citaten und Wortspielen zu sprechen, was seinem klaren, aber in etwas veralteter Form gehaltenen Vortrage — er war während seines langen 2*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/19>, abgerufen am 30.06.2024.