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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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länger" Aussatz von Rosenkranz über dasselbe Thema gebracht, in welchem noch
eine sehr wcitgetriebcne Toleranz vorwaltete. Uebrigens ist bekanntlich durch jenen
Aufsatz die Gewohnheit^eingeführt worden, deu Ausdruck "Romantik" im Begriff
zu verengern, in der historischen Evolution zu erweitern, was im Princip voll¬
kommen richtig ist, für die literarhistorische Darstellung aber große Nachtheile mit
sich führt, denn es verleitet leicht zu einem systematische" spioniren "ach Spuren
dieser Richtung, die in den einzelnen literarischen Persönlichkeiten doch immer nur
bis zu einem gewissen Grade vorhanden ist, und sie erschwert die objective abge¬
rundete Charakteristik concreter Erscheinungen, weil sie der Abstraction einen zu
großen Raum läßt.

Aus der Unschuld dieser vorwiegend literarischen Tendenz wurden die Jahr¬
bücher bald herausgetrieben.

Das historische Recht trug in Preußen den Sieg davon. Mau fing an,
auch auf die halbwisseuschastlichcu Journale ein strengeres Augenmerk zu richten.
Bisher waren die Jahrbücher in Leipzig gedruckt worden, welches sich damals
eiuer gelindern Censur erfreute, als die Preußischen Städte. Man verlangte
nun von Ruge, er solle den Druck uach Halle verlegen; er zog es vor, sich nach
Sachsen überzusiedeln, und so wurden aus deu "Hallischen Jahrbüchern" die
"Deutschen Jahrbücher".

Der Charakter der Zeitschrift wurde bald ein anderer. Mit der immer wach¬
senden Verbreitung derselben verschärften sich auch die Jnstructionen, die mau den
Censoren ertheilte, und die Erbitterung dieses kleinen Krieges ging aus den
Ton der Aufsätze über. Allmählich zog sich der größere Theil der bisherigen Mit¬
arbeiter zurück; sie konnten der Vehemenz, mit welcher die Jahrbücher einen Stand¬
punkt nach dem andern überwanden, nicht mehr folgen. Es folgten sehr bald
Manifeste gegen die bisherigen Glaubensartikel. Unter der Maske eines Würt¬
tembergers sagte sich Rüge von der Idee deö Preußeuthumö los, weil das er¬
scheinende Preußen mit dem ideellen Preußen in keine Uebereinstimmung gebracht
werden konnte, und die kleinen Deutschen Staaten mit ihren Duodezconstitntionen,
die der Preußische Philosoph bisher von oben herab angesehen hatte, erhielten
plötzlich eine größere Wichtigkeit. Der Grund war auch hier wieder ein endlicher.
Als Docent in Halle hatte Ruge kein Glück gemacht, dagegen erwarb er sich als
Stadtverordneter in Dresden eine Art von Position, die ihm einen unmittelbaren
Einblick in das Wesen des Constitutionalismus verstattete. Ueberhaupt wäre bei
seiner Neigung, alle allgemeinen Ideen aus unmittelbaren Beziehungen zu ent¬
lehnen, für ihn eine dauerhafte Stellung im realen Staatsleben ein unendlicher
Gewinn gewesen.

Eben so wie mit dem Preußenthum, wurde auch mit dem Protestantismus
gebrochen. Es erfolgte ein Manifest, worin der Unterschied zwischen dem er¬
scheinenden und dem ideellen Protestantismus auseinandergesetzt und der erste


länger» Aussatz von Rosenkranz über dasselbe Thema gebracht, in welchem noch
eine sehr wcitgetriebcne Toleranz vorwaltete. Uebrigens ist bekanntlich durch jenen
Aufsatz die Gewohnheit^eingeführt worden, deu Ausdruck „Romantik" im Begriff
zu verengern, in der historischen Evolution zu erweitern, was im Princip voll¬
kommen richtig ist, für die literarhistorische Darstellung aber große Nachtheile mit
sich führt, denn es verleitet leicht zu einem systematische» spioniren »ach Spuren
dieser Richtung, die in den einzelnen literarischen Persönlichkeiten doch immer nur
bis zu einem gewissen Grade vorhanden ist, und sie erschwert die objective abge¬
rundete Charakteristik concreter Erscheinungen, weil sie der Abstraction einen zu
großen Raum läßt.

Aus der Unschuld dieser vorwiegend literarischen Tendenz wurden die Jahr¬
bücher bald herausgetrieben.

Das historische Recht trug in Preußen den Sieg davon. Mau fing an,
auch auf die halbwisseuschastlichcu Journale ein strengeres Augenmerk zu richten.
Bisher waren die Jahrbücher in Leipzig gedruckt worden, welches sich damals
eiuer gelindern Censur erfreute, als die Preußischen Städte. Man verlangte
nun von Ruge, er solle den Druck uach Halle verlegen; er zog es vor, sich nach
Sachsen überzusiedeln, und so wurden aus deu „Hallischen Jahrbüchern" die
„Deutschen Jahrbücher".

Der Charakter der Zeitschrift wurde bald ein anderer. Mit der immer wach¬
senden Verbreitung derselben verschärften sich auch die Jnstructionen, die mau den
Censoren ertheilte, und die Erbitterung dieses kleinen Krieges ging aus den
Ton der Aufsätze über. Allmählich zog sich der größere Theil der bisherigen Mit¬
arbeiter zurück; sie konnten der Vehemenz, mit welcher die Jahrbücher einen Stand¬
punkt nach dem andern überwanden, nicht mehr folgen. Es folgten sehr bald
Manifeste gegen die bisherigen Glaubensartikel. Unter der Maske eines Würt¬
tembergers sagte sich Rüge von der Idee deö Preußeuthumö los, weil das er¬
scheinende Preußen mit dem ideellen Preußen in keine Uebereinstimmung gebracht
werden konnte, und die kleinen Deutschen Staaten mit ihren Duodezconstitntionen,
die der Preußische Philosoph bisher von oben herab angesehen hatte, erhielten
plötzlich eine größere Wichtigkeit. Der Grund war auch hier wieder ein endlicher.
Als Docent in Halle hatte Ruge kein Glück gemacht, dagegen erwarb er sich als
Stadtverordneter in Dresden eine Art von Position, die ihm einen unmittelbaren
Einblick in das Wesen des Constitutionalismus verstattete. Ueberhaupt wäre bei
seiner Neigung, alle allgemeinen Ideen aus unmittelbaren Beziehungen zu ent¬
lehnen, für ihn eine dauerhafte Stellung im realen Staatsleben ein unendlicher
Gewinn gewesen.

Eben so wie mit dem Preußenthum, wurde auch mit dem Protestantismus
gebrochen. Es erfolgte ein Manifest, worin der Unterschied zwischen dem er¬
scheinenden und dem ideellen Protestantismus auseinandergesetzt und der erste


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/178>, abgerufen am 02.07.2024.