Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Staatsämtern, und ste traten als eine geschlossene legitimistische Opposition der
noch immer viel zu rationalistischen und aufgeklärten Preußischen Bureaukratie ge¬
genüber. Das "Berliner politische Wochenblatt" war ihr Organ, und sie hofften,
daß mit der Thronbesteigung des damaligen Kronprinzen ihr Reich gekommen
sein würde.

Es zeigte sich also, daß der Widerspruch zwischen den Principien innerhalb
des bestehenden Staatslebens eingedrungen sei. Die Kölner Wirren gaben zuerst
Gelegenheit, diesen Widerspruch aus Licht der Oeffentlichkeit zu ziehen. Es war
das die Zeit, wo Rüge mit Echtcrmeyer die Hallischen Jahrbücher gegründet
hatte (1838), ein Organ, welches eine innere Nothwendigkeit in sich trug, weil
die Philosophie, die sich als liberal begriffen hatte, das Bestreben fühlen mußte,
sich von ihren alten Voraussetzungen zu scheiden. In den Berliner Jahrbü¬
chern war dieser Liberalismus noch latent gewesen. Sie hatten sich, wie Hegel
selbst, eben so gegen die Flachheit des alten Rationalismus, als gegen die Capricen
der pietistisch-aristokratischen Romantik gewendet. In den Hallischen Jahrbüchern
kam die Philosophie zum Bewußtsein, daß sie im Wesentlichen eine Erneuerung
des alten Rationalismus sei, uur daß sie mit einem großem Inhalt, weil sie den
von der Aufklärung nur ncgirtcn Aberglauben begriffen und überwunden hatte,
und daher mit größerer Energie und Bestimmtheit auftreten konnte. Die blos
äußerliche Accommodation der frühem Schule wurde vollständig ausgegeben. Aus
dem bekannten Hegesscheu Satz: Das Wirkliche ist vernünftig, wurde nun: Die
Vernunft ist das Wirkliche, und was ihr nicht entspricht, ist unwirklich, Schein,
Romantik, und muß aufgehoben werden, aufgehoben dadurch, daß man es in seiner
Nichtigkeit begreift.

Die Romantik war also der Gegenstand der Jahrbücher, und ihre Entwickelung
mußte sich an die Entwickelung ihres Gegensatzes anschließen. Da aber die Ro¬
mantik, wie jede Caprice, maß- und gesetzlos ist, so wurde die Entwickelung aus
endlichen Beziehungen genommen. Dazu war in Halle die beste Veranlassung,
da Heinrich Leo, der zuerst, als genialer Mann und als Verächter der flachen
Aufklärung, mit der jungen Schule fraternisirte, in seiner Reaction gegen den
Geist derselben immer weiter ging, und so die Jahrbücher gleichsam dnrch un¬
mittelbare persönliche Beleidigungen zu immer neuen Angriffen trieb.

Leo ist eine zu interessante Erscheinung und heut zu Tage wieder viel zu sehr
in den Vordergrund getreten, als daß wir ihn hier nebenbei abmachen konnten.
Wir kommen auf ihn noch zurück. Er mischte sich damals auch in den Conflict
zwischen Staat und Kirche, dem Anschein nach zu Gunsten des erstem, aber mit
so viel Reservationen und so eigenthümlichen Motiven, daß diese Apologie ans
einen Angriff gegen die Uebergriffe des rationalistischen Ministeriums Altenstein
herauskam. Die Kirche erkaufte sich damals ein wohlfeiles Martyrium, und fand
als in!nor üolvrvsa viel Interesse bei angeblich unparteiischen Gemüthern. Die


Staatsämtern, und ste traten als eine geschlossene legitimistische Opposition der
noch immer viel zu rationalistischen und aufgeklärten Preußischen Bureaukratie ge¬
genüber. Das „Berliner politische Wochenblatt" war ihr Organ, und sie hofften,
daß mit der Thronbesteigung des damaligen Kronprinzen ihr Reich gekommen
sein würde.

Es zeigte sich also, daß der Widerspruch zwischen den Principien innerhalb
des bestehenden Staatslebens eingedrungen sei. Die Kölner Wirren gaben zuerst
Gelegenheit, diesen Widerspruch aus Licht der Oeffentlichkeit zu ziehen. Es war
das die Zeit, wo Rüge mit Echtcrmeyer die Hallischen Jahrbücher gegründet
hatte (1838), ein Organ, welches eine innere Nothwendigkeit in sich trug, weil
die Philosophie, die sich als liberal begriffen hatte, das Bestreben fühlen mußte,
sich von ihren alten Voraussetzungen zu scheiden. In den Berliner Jahrbü¬
chern war dieser Liberalismus noch latent gewesen. Sie hatten sich, wie Hegel
selbst, eben so gegen die Flachheit des alten Rationalismus, als gegen die Capricen
der pietistisch-aristokratischen Romantik gewendet. In den Hallischen Jahrbüchern
kam die Philosophie zum Bewußtsein, daß sie im Wesentlichen eine Erneuerung
des alten Rationalismus sei, uur daß sie mit einem großem Inhalt, weil sie den
von der Aufklärung nur ncgirtcn Aberglauben begriffen und überwunden hatte,
und daher mit größerer Energie und Bestimmtheit auftreten konnte. Die blos
äußerliche Accommodation der frühem Schule wurde vollständig ausgegeben. Aus
dem bekannten Hegesscheu Satz: Das Wirkliche ist vernünftig, wurde nun: Die
Vernunft ist das Wirkliche, und was ihr nicht entspricht, ist unwirklich, Schein,
Romantik, und muß aufgehoben werden, aufgehoben dadurch, daß man es in seiner
Nichtigkeit begreift.

Die Romantik war also der Gegenstand der Jahrbücher, und ihre Entwickelung
mußte sich an die Entwickelung ihres Gegensatzes anschließen. Da aber die Ro¬
mantik, wie jede Caprice, maß- und gesetzlos ist, so wurde die Entwickelung aus
endlichen Beziehungen genommen. Dazu war in Halle die beste Veranlassung,
da Heinrich Leo, der zuerst, als genialer Mann und als Verächter der flachen
Aufklärung, mit der jungen Schule fraternisirte, in seiner Reaction gegen den
Geist derselben immer weiter ging, und so die Jahrbücher gleichsam dnrch un¬
mittelbare persönliche Beleidigungen zu immer neuen Angriffen trieb.

Leo ist eine zu interessante Erscheinung und heut zu Tage wieder viel zu sehr
in den Vordergrund getreten, als daß wir ihn hier nebenbei abmachen konnten.
Wir kommen auf ihn noch zurück. Er mischte sich damals auch in den Conflict
zwischen Staat und Kirche, dem Anschein nach zu Gunsten des erstem, aber mit
so viel Reservationen und so eigenthümlichen Motiven, daß diese Apologie ans
einen Angriff gegen die Uebergriffe des rationalistischen Ministeriums Altenstein
herauskam. Die Kirche erkaufte sich damals ein wohlfeiles Martyrium, und fand
als in!nor üolvrvsa viel Interesse bei angeblich unparteiischen Gemüthern. Die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280263"/>
          <p xml:id="ID_460" prev="#ID_459"> Staatsämtern, und ste traten als eine geschlossene legitimistische Opposition der<lb/>
noch immer viel zu rationalistischen und aufgeklärten Preußischen Bureaukratie ge¬<lb/>
genüber. Das &#x201E;Berliner politische Wochenblatt" war ihr Organ, und sie hofften,<lb/>
daß mit der Thronbesteigung des damaligen Kronprinzen ihr Reich gekommen<lb/>
sein würde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_461"> Es zeigte sich also, daß der Widerspruch zwischen den Principien innerhalb<lb/>
des bestehenden Staatslebens eingedrungen sei. Die Kölner Wirren gaben zuerst<lb/>
Gelegenheit, diesen Widerspruch aus Licht der Oeffentlichkeit zu ziehen. Es war<lb/>
das die Zeit, wo Rüge mit Echtcrmeyer die Hallischen Jahrbücher gegründet<lb/>
hatte (1838), ein Organ, welches eine innere Nothwendigkeit in sich trug, weil<lb/>
die Philosophie, die sich als liberal begriffen hatte, das Bestreben fühlen mußte,<lb/>
sich von ihren alten Voraussetzungen zu scheiden. In den Berliner Jahrbü¬<lb/>
chern war dieser Liberalismus noch latent gewesen. Sie hatten sich, wie Hegel<lb/>
selbst, eben so gegen die Flachheit des alten Rationalismus, als gegen die Capricen<lb/>
der pietistisch-aristokratischen Romantik gewendet. In den Hallischen Jahrbüchern<lb/>
kam die Philosophie zum Bewußtsein, daß sie im Wesentlichen eine Erneuerung<lb/>
des alten Rationalismus sei, uur daß sie mit einem großem Inhalt, weil sie den<lb/>
von der Aufklärung nur ncgirtcn Aberglauben begriffen und überwunden hatte,<lb/>
und daher mit größerer Energie und Bestimmtheit auftreten konnte. Die blos<lb/>
äußerliche Accommodation der frühem Schule wurde vollständig ausgegeben. Aus<lb/>
dem bekannten Hegesscheu Satz: Das Wirkliche ist vernünftig, wurde nun: Die<lb/>
Vernunft ist das Wirkliche, und was ihr nicht entspricht, ist unwirklich, Schein,<lb/>
Romantik, und muß aufgehoben werden, aufgehoben dadurch, daß man es in seiner<lb/>
Nichtigkeit begreift.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_462"> Die Romantik war also der Gegenstand der Jahrbücher, und ihre Entwickelung<lb/>
mußte sich an die Entwickelung ihres Gegensatzes anschließen. Da aber die Ro¬<lb/>
mantik, wie jede Caprice, maß- und gesetzlos ist, so wurde die Entwickelung aus<lb/>
endlichen Beziehungen genommen. Dazu war in Halle die beste Veranlassung,<lb/>
da Heinrich Leo, der zuerst, als genialer Mann und als Verächter der flachen<lb/>
Aufklärung, mit der jungen Schule fraternisirte, in seiner Reaction gegen den<lb/>
Geist derselben immer weiter ging, und so die Jahrbücher gleichsam dnrch un¬<lb/>
mittelbare persönliche Beleidigungen zu immer neuen Angriffen trieb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_463" next="#ID_464"> Leo ist eine zu interessante Erscheinung und heut zu Tage wieder viel zu sehr<lb/>
in den Vordergrund getreten, als daß wir ihn hier nebenbei abmachen konnten.<lb/>
Wir kommen auf ihn noch zurück. Er mischte sich damals auch in den Conflict<lb/>
zwischen Staat und Kirche, dem Anschein nach zu Gunsten des erstem, aber mit<lb/>
so viel Reservationen und so eigenthümlichen Motiven, daß diese Apologie ans<lb/>
einen Angriff gegen die Uebergriffe des rationalistischen Ministeriums Altenstein<lb/>
herauskam. Die Kirche erkaufte sich damals ein wohlfeiles Martyrium, und fand<lb/>
als in!nor üolvrvsa viel Interesse bei angeblich unparteiischen Gemüthern. Die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0176] Staatsämtern, und ste traten als eine geschlossene legitimistische Opposition der noch immer viel zu rationalistischen und aufgeklärten Preußischen Bureaukratie ge¬ genüber. Das „Berliner politische Wochenblatt" war ihr Organ, und sie hofften, daß mit der Thronbesteigung des damaligen Kronprinzen ihr Reich gekommen sein würde. Es zeigte sich also, daß der Widerspruch zwischen den Principien innerhalb des bestehenden Staatslebens eingedrungen sei. Die Kölner Wirren gaben zuerst Gelegenheit, diesen Widerspruch aus Licht der Oeffentlichkeit zu ziehen. Es war das die Zeit, wo Rüge mit Echtcrmeyer die Hallischen Jahrbücher gegründet hatte (1838), ein Organ, welches eine innere Nothwendigkeit in sich trug, weil die Philosophie, die sich als liberal begriffen hatte, das Bestreben fühlen mußte, sich von ihren alten Voraussetzungen zu scheiden. In den Berliner Jahrbü¬ chern war dieser Liberalismus noch latent gewesen. Sie hatten sich, wie Hegel selbst, eben so gegen die Flachheit des alten Rationalismus, als gegen die Capricen der pietistisch-aristokratischen Romantik gewendet. In den Hallischen Jahrbüchern kam die Philosophie zum Bewußtsein, daß sie im Wesentlichen eine Erneuerung des alten Rationalismus sei, uur daß sie mit einem großem Inhalt, weil sie den von der Aufklärung nur ncgirtcn Aberglauben begriffen und überwunden hatte, und daher mit größerer Energie und Bestimmtheit auftreten konnte. Die blos äußerliche Accommodation der frühem Schule wurde vollständig ausgegeben. Aus dem bekannten Hegesscheu Satz: Das Wirkliche ist vernünftig, wurde nun: Die Vernunft ist das Wirkliche, und was ihr nicht entspricht, ist unwirklich, Schein, Romantik, und muß aufgehoben werden, aufgehoben dadurch, daß man es in seiner Nichtigkeit begreift. Die Romantik war also der Gegenstand der Jahrbücher, und ihre Entwickelung mußte sich an die Entwickelung ihres Gegensatzes anschließen. Da aber die Ro¬ mantik, wie jede Caprice, maß- und gesetzlos ist, so wurde die Entwickelung aus endlichen Beziehungen genommen. Dazu war in Halle die beste Veranlassung, da Heinrich Leo, der zuerst, als genialer Mann und als Verächter der flachen Aufklärung, mit der jungen Schule fraternisirte, in seiner Reaction gegen den Geist derselben immer weiter ging, und so die Jahrbücher gleichsam dnrch un¬ mittelbare persönliche Beleidigungen zu immer neuen Angriffen trieb. Leo ist eine zu interessante Erscheinung und heut zu Tage wieder viel zu sehr in den Vordergrund getreten, als daß wir ihn hier nebenbei abmachen konnten. Wir kommen auf ihn noch zurück. Er mischte sich damals auch in den Conflict zwischen Staat und Kirche, dem Anschein nach zu Gunsten des erstem, aber mit so viel Reservationen und so eigenthümlichen Motiven, daß diese Apologie ans einen Angriff gegen die Uebergriffe des rationalistischen Ministeriums Altenstein herauskam. Die Kirche erkaufte sich damals ein wohlfeiles Martyrium, und fand als in!nor üolvrvsa viel Interesse bei angeblich unparteiischen Gemüthern. Die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/176
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/176>, abgerufen am 02.07.2024.