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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Anders war es in der Sitzung vom 16. August, wo die "zwerghafte Mino¬
rität" eine Riesengestalt anzunehmen begann, und in das Ministerium und seine
crgebenstgehorsamste Majorität die erste Bresche schoß. Es wurde das Recru-
tiruugsgesetz besprochen, und Mvßlrros wollte die Nativnalisirnng der Armee in
Montur, Farben und Commando für eine ruhige Zeit aufgespart wissen, von
den zu stellenden Recruten den größten Theil in die alten, in ihrer bisherigen
Form und Organisation zu belassenden Regimenter einreihen, und nur bei den
wenigen neu zu errichtenden Bataillonen die Magyarisirung vornehmen. Für den
Moment -- meinte er -- sei die Nationalisirung der ganzen Armee überhaupt
unausführbar, da dadurch eine große Verwirrung in den vor dem Feinde stehenden
Truppenkörpern hervorgebracht würde, ein Ungarisches Kommando erst geschaffen
werden müßte, und viele ausländische Officiere, die es mit uus gut meinten, sich
doch nie bequemen würden, ein neues Commando zu lernen. -- Die radicale
Opposition wußte aber nur zu gut, daß sich in uMma ratiove mit einer kaiser¬
lichen Armee gegen eine kaiserliche Armee nicht wohl kämpfen ließe, und der Um¬
stand mit den fremden Officieren, die ihnen ohnedies verhaßt und verdächtig
waren, konnte nur im Gegentheil maßgebend sein. Nach einer langen und hef¬
tigen Debatte wurde ein großer Theil der Majorität durch den von Ladislaus
Teleki, Pälfi, Perczel und Madaräß aufgeschütteten nationalen Honig angelockt,
und die radicale Partei trug den Sieg davon. Indessen hatte der Kriegsminister
diese Frage zu keiner Existenzfrage gemacht, und er unterwarf sich dem Willen
der Versammlung, obwol er die Sache vor einigen Minuten für unausführbar
^ hielt. Doch müssen wir dies weder einer Mißachtung des constitutionellen Princips,
noch jener bei den rcactionairen Ministern unsrer Zeit so sehr überhandnehmenden
Wuth, ir Wut prix Minister zu bleiben, sondern einzig und allein seiner Ueber¬
zeugung zuschreiben, daß ein anderer Minister, der mehr verspräche, es gewiß doch
nicht besser mache" würde, als er, und daß das Repräsentantenhaus, seinen Eifer
und seine Thätigkeit würdigend, nichts Unmögliches vou ihm verlangen werde.

Gefährlicher als diese Niederlage war für das Ministerium, nud besonders
für Mvsjäros, sein Sieg am 2-1. Angust bei der Verhandlung über die Krieg¬
führung im Süden und namentlich der vergeblichen Stürme ans Sz. Tamäs. --
Der Kriegsminister war von einer Inspectionsreise von der untern Donau zurück¬
gekehrt, und hatte natürlich in seinem unerschütterlichen Glauben an der Oestreichi¬
schen "Soldatenehre" Alles in bester Ordnung gefunden. Nun trat Moritz
Perczel, der einstige k. k. Feuerwerker, gegen den einstigen k. k. Obersten in die
Schranken, und, als wollte er diese Insubordination rechtfertigen, rief er aus:
"Wenn man durch einen Englischen oder Französischen Korporal die Ereignisse der
letzten Woche in der untern Gegend untersuchen ließe, würde er beweisen, daß
der größte Verrath begangen wurde." Der Oestreichische Feuerwerker -- der
bekanntlich erst später gegen Jellachich zu seinem einstigen Metier zurückkehrte --


Grenzboten. III. 18ö-l. 2

Anders war es in der Sitzung vom 16. August, wo die „zwerghafte Mino¬
rität" eine Riesengestalt anzunehmen begann, und in das Ministerium und seine
crgebenstgehorsamste Majorität die erste Bresche schoß. Es wurde das Recru-
tiruugsgesetz besprochen, und Mvßlrros wollte die Nativnalisirnng der Armee in
Montur, Farben und Commando für eine ruhige Zeit aufgespart wissen, von
den zu stellenden Recruten den größten Theil in die alten, in ihrer bisherigen
Form und Organisation zu belassenden Regimenter einreihen, und nur bei den
wenigen neu zu errichtenden Bataillonen die Magyarisirung vornehmen. Für den
Moment — meinte er — sei die Nationalisirung der ganzen Armee überhaupt
unausführbar, da dadurch eine große Verwirrung in den vor dem Feinde stehenden
Truppenkörpern hervorgebracht würde, ein Ungarisches Kommando erst geschaffen
werden müßte, und viele ausländische Officiere, die es mit uus gut meinten, sich
doch nie bequemen würden, ein neues Commando zu lernen. — Die radicale
Opposition wußte aber nur zu gut, daß sich in uMma ratiove mit einer kaiser¬
lichen Armee gegen eine kaiserliche Armee nicht wohl kämpfen ließe, und der Um¬
stand mit den fremden Officieren, die ihnen ohnedies verhaßt und verdächtig
waren, konnte nur im Gegentheil maßgebend sein. Nach einer langen und hef¬
tigen Debatte wurde ein großer Theil der Majorität durch den von Ladislaus
Teleki, Pälfi, Perczel und Madaräß aufgeschütteten nationalen Honig angelockt,
und die radicale Partei trug den Sieg davon. Indessen hatte der Kriegsminister
diese Frage zu keiner Existenzfrage gemacht, und er unterwarf sich dem Willen
der Versammlung, obwol er die Sache vor einigen Minuten für unausführbar
^ hielt. Doch müssen wir dies weder einer Mißachtung des constitutionellen Princips,
noch jener bei den rcactionairen Ministern unsrer Zeit so sehr überhandnehmenden
Wuth, ir Wut prix Minister zu bleiben, sondern einzig und allein seiner Ueber¬
zeugung zuschreiben, daß ein anderer Minister, der mehr verspräche, es gewiß doch
nicht besser mache» würde, als er, und daß das Repräsentantenhaus, seinen Eifer
und seine Thätigkeit würdigend, nichts Unmögliches vou ihm verlangen werde.

Gefährlicher als diese Niederlage war für das Ministerium, nud besonders
für Mvsjäros, sein Sieg am 2-1. Angust bei der Verhandlung über die Krieg¬
führung im Süden und namentlich der vergeblichen Stürme ans Sz. Tamäs. —
Der Kriegsminister war von einer Inspectionsreise von der untern Donau zurück¬
gekehrt, und hatte natürlich in seinem unerschütterlichen Glauben an der Oestreichi¬
schen „Soldatenehre" Alles in bester Ordnung gefunden. Nun trat Moritz
Perczel, der einstige k. k. Feuerwerker, gegen den einstigen k. k. Obersten in die
Schranken, und, als wollte er diese Insubordination rechtfertigen, rief er aus:
„Wenn man durch einen Englischen oder Französischen Korporal die Ereignisse der
letzten Woche in der untern Gegend untersuchen ließe, würde er beweisen, daß
der größte Verrath begangen wurde." Der Oestreichische Feuerwerker — der
bekanntlich erst später gegen Jellachich zu seinem einstigen Metier zurückkehrte —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/17>, abgerufen am 30.06.2024.