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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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eine ziemliche Anzahl Kürassier- und Chevauxlegers-Escadrons vermehrte, die dem
Gnadendienst im Ungarischen Heere entsagten, und sich zu dem Gesalbten ihres
Herrn begaben; so kam es endlich, das; die Festungen, welche nur in den ersten
Wochen leichten Kaufs zu gewinnen und zu sichern waren, Mitte Sommers noch
immer in unsichern Händen standen, mehrere, wie Temesvar, Arad und die Sla¬
vonischen Festungen, für immer verloren gingen, andere, wie Komorn, Petcrmardein,
Leopoldstadt und Esseg, mir durch die besondere Energie einiger Männer, und zum
Theil auch durch Zufälligkeiten in die Hände der Ungarischen Regierung geriethen.

Indessen war man damals gewohnt, diese Widersprüche nicht mir an dem
aus einem k. k, Soldaten gewordenen Kriegsminister, sondern an dem ganzen
Ministerium Batthyänyi überhaupt sehr oft wahrzunehmen. -- Dieses Ministerium
war eine Koalition, in welcher nicht nur dem linken Centrum dnrch De-1k und
Klausel, und dem rechten Centrum durch SzLchvnyi, sondern auch der äußersten
Rechten, oder doch der hohen Aristokratie, durch Esterhazy Rechnung getragen
wurde. Ein Koalitionsministerium darf aber nie auf ein langes Leben Anspruch
machen, und muß stets nnr ein Uebergangsstadium bilden. Nach den einfachsten
Regeln der Staatskunst mußte also das Ministerium Batthyänyi gleich nach dem
Znsamineiitritt des Parlaments in Pesth am 3. Juli eine Modifikation erleiden,
und entweder -- was bei der damaligen, der Friedenspolitik geneigten Majorität
am Wahrscheinlichsten war -- Kossuth und Szemere ans dein Ministerium treten,
und einem Ministerium! SM)ünyi Platz machen, oder, wenn ein solches in der
Majorität des Parlaments gegen die auf Entschiedenheit dringenden Stimmen
im Volke und in der Presse keine genügende Stütze zu finden hoffte, schon damals
ein Ministerium der Landesvertheidiguugsauöschußpartei entstehen. Doch es ge¬
schah keines vou beiden. Es schien, als betrachtete man dieses erste Ungarische
Ministerium als ein Palladium, an dem nicht gerüttelt werden dürste, und man
machte sich gegenseitig Concessionen, um nnr beisammen bleiben zu können. Kossuth
opferte seine Ueberzeugung, und vertheidigte die Politik des Ministeriums in der
Italienischen Subsidienfrage, -- Ungarn sollte Truppen und Geld bewilligen, um
"seinem König einen ehrenvollen Frieden erkämpfen zu helfen" -- gab aber deut¬
lich zu verstehen, wie wenig die Worte des cvalirten Ministers mit der Privat¬
ansicht des Agitators übereinstimmten. Das Centrum und die rechte Seite des
Ministeriums war noch weniger ehrlich, denn sie stimmte in die abschlägige Ant¬
wort Batthyilnyi'ö auf die StaatSschnldsorderuug überein, was unmöglich ihrer
Politik gemäß sein konnte, und hatte nicht einmal den Muth, dies als eine Con¬
cession zu bezeichnen. Von dem einstigen k. k. Hnßarcnoberstcn war diese staats-
männische Consequenz am Wenigsten zu erwarten, und als er am 20. Juli bei
der Verhandlung der Italienischen Frage seine "schwarzgelben Reminiscenzen" aus¬
kramte, verschwand dessen Wirkung in dem großen Fragezeichen über das Beneh¬
men des radicalen Theils des Ministeriums.


eine ziemliche Anzahl Kürassier- und Chevauxlegers-Escadrons vermehrte, die dem
Gnadendienst im Ungarischen Heere entsagten, und sich zu dem Gesalbten ihres
Herrn begaben; so kam es endlich, das; die Festungen, welche nur in den ersten
Wochen leichten Kaufs zu gewinnen und zu sichern waren, Mitte Sommers noch
immer in unsichern Händen standen, mehrere, wie Temesvar, Arad und die Sla¬
vonischen Festungen, für immer verloren gingen, andere, wie Komorn, Petcrmardein,
Leopoldstadt und Esseg, mir durch die besondere Energie einiger Männer, und zum
Theil auch durch Zufälligkeiten in die Hände der Ungarischen Regierung geriethen.

Indessen war man damals gewohnt, diese Widersprüche nicht mir an dem
aus einem k. k, Soldaten gewordenen Kriegsminister, sondern an dem ganzen
Ministerium Batthyänyi überhaupt sehr oft wahrzunehmen. — Dieses Ministerium
war eine Koalition, in welcher nicht nur dem linken Centrum dnrch De-1k und
Klausel, und dem rechten Centrum durch SzLchvnyi, sondern auch der äußersten
Rechten, oder doch der hohen Aristokratie, durch Esterhazy Rechnung getragen
wurde. Ein Koalitionsministerium darf aber nie auf ein langes Leben Anspruch
machen, und muß stets nnr ein Uebergangsstadium bilden. Nach den einfachsten
Regeln der Staatskunst mußte also das Ministerium Batthyänyi gleich nach dem
Znsamineiitritt des Parlaments in Pesth am 3. Juli eine Modifikation erleiden,
und entweder — was bei der damaligen, der Friedenspolitik geneigten Majorität
am Wahrscheinlichsten war — Kossuth und Szemere ans dein Ministerium treten,
und einem Ministerium! SM)ünyi Platz machen, oder, wenn ein solches in der
Majorität des Parlaments gegen die auf Entschiedenheit dringenden Stimmen
im Volke und in der Presse keine genügende Stütze zu finden hoffte, schon damals
ein Ministerium der Landesvertheidiguugsauöschußpartei entstehen. Doch es ge¬
schah keines vou beiden. Es schien, als betrachtete man dieses erste Ungarische
Ministerium als ein Palladium, an dem nicht gerüttelt werden dürste, und man
machte sich gegenseitig Concessionen, um nnr beisammen bleiben zu können. Kossuth
opferte seine Ueberzeugung, und vertheidigte die Politik des Ministeriums in der
Italienischen Subsidienfrage, — Ungarn sollte Truppen und Geld bewilligen, um
„seinem König einen ehrenvollen Frieden erkämpfen zu helfen" — gab aber deut¬
lich zu verstehen, wie wenig die Worte des cvalirten Ministers mit der Privat¬
ansicht des Agitators übereinstimmten. Das Centrum und die rechte Seite des
Ministeriums war noch weniger ehrlich, denn sie stimmte in die abschlägige Ant¬
wort Batthyilnyi'ö auf die StaatSschnldsorderuug überein, was unmöglich ihrer
Politik gemäß sein konnte, und hatte nicht einmal den Muth, dies als eine Con¬
cession zu bezeichnen. Von dem einstigen k. k. Hnßarcnoberstcn war diese staats-
männische Consequenz am Wenigsten zu erwarten, und als er am 20. Juli bei
der Verhandlung der Italienischen Frage seine „schwarzgelben Reminiscenzen" aus¬
kramte, verschwand dessen Wirkung in dem großen Fragezeichen über das Beneh¬
men des radicalen Theils des Ministeriums.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/16>, abgerufen am 30.06.2024.