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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Blätter unsrer Partei, die seit dem verunglückten Versuche, das Ministerium zu
stürzen, in eiuer permanenten Aufregung geblieben sind, haben sich durch die Witz¬
blätter ihrer Gegner zu sehr verwirren lassen. Freilich hat der Ausgang gegen
uns entschieden; allein nicht jede verlorene Schlacht untergräbt die Ehre des
Feldherrn. Im Weidenbusch, in Gotha und in der letzten Berliner Versannnlnng
haben wir ans ein sehr positives "ud sehr mächtiges Gefühl speculirt, aus das
Selbstgefühl des Preußischen Volks, und daß die Berechnung nicht ganz falsch
war, zeigt der Ausgang der beiden Krisen, der nur an einem Haar hing. Es
war sowol im April 1849 als im November 18!i0 die sehr große Möglichkeit
vorhanden, rein durch parlamentarischen Kampf nud durch moralischen Einfluß
das feindliche System zu stürzen. Ein solcher Erfolg wäre aber wol der Opfer
werth gewesen, welche unser persönlicher Stolz ihm bringen mußte, und welche
außerdem die Schrecken einer Revolution vermieden hätten.

Dieselben Vedinguugen aber, die damals unsre Handlungsweise bestimmte",
bestehen noch jetzt in voller Kraft. Noch immer haben wir jenen Preußischen
Geist zu schonen, zu hüten und zu pflegen, aus dem allein unsre Zukunft erblühen
kann. Möchte das namentlich die Kölnische Zeitung bedeuten, die bisher mit an-
erkcnnenöwerthem Eifer und verständiger Beharrlichkeit für diesen Preußischen Geist
nnter sehr widerstrebenden Elementen Propaganda gemacht hat. Die Gefahr,
daß diese Provinzen dem Preußischen Staatswesen entfremdet werden, ist jetzt
größer als je, und erfordert eine um so größere Behutsamkeit. Mit dem Aufgeben
Preußens geben wir "us selbst auf; mit dem Aufgehen in die Demokratie geben
wir aber, so viel an uus ist, Preußen ans. Es kann also nicht in Frage kommen.

Ein unabhängiges Fortbestehen unsrer Partei, wenn wir unsern staat¬
lichen Boden aufgeben, ist, wo nicht gänzlich unmöglich, doch wenigstens sehr un¬
wahrscheinlich. Eine isolirte Stellung der Partei außerhalb des p^s lvxal würde
ihr zunächst alle diejenigen Elemente entfremden, gegen die sie in der letzten Zeit
überhaupt ällzuspröde gewesen ist, und die doch im Wesentlichen zu ihr gehören:
jene liberalen Beamten und Gutsbesitzer, für deren augenblickliche Ratlosig¬
keit das Centrum der letzten Kammer der ungefähre Ausdruck war. Hier
scheint uns das Feld zu liegen, wo wir Eroberungen zu machen haben, nicht links.

Fassen wir uoch einmal die augenblickliche Situation ins Auge. Erdballen
wir uns der Theilnahme an den Kreistagen u. s. w., so geben wir unsern Geg¬
nern eine sehr bedeutende positive Macht in die Hände, welche Dieselben eben so
auszubeuten wissen werden, als es in Sachsen der Fall gewesen ist. Das Beispiel
des passiven Widerstandes, der in diesem Laude geleistet wordeu ist, sollte überhaupt
warnend für uns sein. Nehmen wir Theil an jenen Versammlungen, so geben
wir damit die Giltigkeit unsrer Ansichten von der Verfassung noch keineswegs aus,
eben so wenig wie die Reaction ihre Ansichten aufgegeben hat, als sie an den
Urwähler des Jahres 1849 Theil nahm. Sie hat durch diese Theilnahme keinen


Blätter unsrer Partei, die seit dem verunglückten Versuche, das Ministerium zu
stürzen, in eiuer permanenten Aufregung geblieben sind, haben sich durch die Witz¬
blätter ihrer Gegner zu sehr verwirren lassen. Freilich hat der Ausgang gegen
uns entschieden; allein nicht jede verlorene Schlacht untergräbt die Ehre des
Feldherrn. Im Weidenbusch, in Gotha und in der letzten Berliner Versannnlnng
haben wir ans ein sehr positives »ud sehr mächtiges Gefühl speculirt, aus das
Selbstgefühl des Preußischen Volks, und daß die Berechnung nicht ganz falsch
war, zeigt der Ausgang der beiden Krisen, der nur an einem Haar hing. Es
war sowol im April 1849 als im November 18!i0 die sehr große Möglichkeit
vorhanden, rein durch parlamentarischen Kampf nud durch moralischen Einfluß
das feindliche System zu stürzen. Ein solcher Erfolg wäre aber wol der Opfer
werth gewesen, welche unser persönlicher Stolz ihm bringen mußte, und welche
außerdem die Schrecken einer Revolution vermieden hätten.

Dieselben Vedinguugen aber, die damals unsre Handlungsweise bestimmte»,
bestehen noch jetzt in voller Kraft. Noch immer haben wir jenen Preußischen
Geist zu schonen, zu hüten und zu pflegen, aus dem allein unsre Zukunft erblühen
kann. Möchte das namentlich die Kölnische Zeitung bedeuten, die bisher mit an-
erkcnnenöwerthem Eifer und verständiger Beharrlichkeit für diesen Preußischen Geist
nnter sehr widerstrebenden Elementen Propaganda gemacht hat. Die Gefahr,
daß diese Provinzen dem Preußischen Staatswesen entfremdet werden, ist jetzt
größer als je, und erfordert eine um so größere Behutsamkeit. Mit dem Aufgeben
Preußens geben wir »us selbst auf; mit dem Aufgehen in die Demokratie geben
wir aber, so viel an uus ist, Preußen ans. Es kann also nicht in Frage kommen.

Ein unabhängiges Fortbestehen unsrer Partei, wenn wir unsern staat¬
lichen Boden aufgeben, ist, wo nicht gänzlich unmöglich, doch wenigstens sehr un¬
wahrscheinlich. Eine isolirte Stellung der Partei außerhalb des p^s lvxal würde
ihr zunächst alle diejenigen Elemente entfremden, gegen die sie in der letzten Zeit
überhaupt ällzuspröde gewesen ist, und die doch im Wesentlichen zu ihr gehören:
jene liberalen Beamten und Gutsbesitzer, für deren augenblickliche Ratlosig¬
keit das Centrum der letzten Kammer der ungefähre Ausdruck war. Hier
scheint uns das Feld zu liegen, wo wir Eroberungen zu machen haben, nicht links.

Fassen wir uoch einmal die augenblickliche Situation ins Auge. Erdballen
wir uns der Theilnahme an den Kreistagen u. s. w., so geben wir unsern Geg¬
nern eine sehr bedeutende positive Macht in die Hände, welche Dieselben eben so
auszubeuten wissen werden, als es in Sachsen der Fall gewesen ist. Das Beispiel
des passiven Widerstandes, der in diesem Laude geleistet wordeu ist, sollte überhaupt
warnend für uns sein. Nehmen wir Theil an jenen Versammlungen, so geben
wir damit die Giltigkeit unsrer Ansichten von der Verfassung noch keineswegs aus,
eben so wenig wie die Reaction ihre Ansichten aufgegeben hat, als sie an den
Urwähler des Jahres 1849 Theil nahm. Sie hat durch diese Theilnahme keinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/151>, abgerufen am 02.07.2024.