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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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Fuß breit Terrain verloren, sie hat im Gegentheil gewonnen. Die Landtage sind
nicht ein Recht, dem wir uns gefangen geben, sondern ein Factum, innerhalb
dessen wir unsre Rechts- und sonstigen Ansprüche eben so zu vertheidigen haben,
als wir es in der Kammer thun müssen. Die Verfassung selbst hütet noch immer
vor einem gewaltsamen Umsturz der Eid. Die Einrichtung der Landtage kann
nicht als ein Attentat gegen die Existenz der Verfassung betrachtet werde", son¬
dern nur als ein Versuch, zu entsprechenden geschlichen Modificativiieu derselben
zu verlocken; in wie weit wir auf dieselbe" eingehen, wird von dem Werth ab¬
hängen, den wir auf den materiellen Inhalt der bezüglichen Stellen legen müssen.
Jedenfalls stellen wir uns jetzt noch kein Präjudiz.

Man möge dabei nnr immer Eins im Auge halten. Wenn wir wirklich so
weit gekommen sind, daß uns die Zustände unerträglich erscheinen, so wird nicht eine
passive Resignation, sondern eine Activitnt erfordert, deren Umfang wir doch erst
berechne" müssen, ehe wir uns darauf einlassen. Worin aber diese Activität be¬
stehen müßte, wenn wir allen Boden, innerhalb der bestehende" Institutionen zu
kämpfen, aufgeben, ist wol nicht schwer zu sagen. Jene passive Resignation würde
zu sehr an die Kinderspiele erinnern, wo man auch sagt, "lau spielt uicht mit, wenn
die Spielgesctze uicht gehalten werden. Im wirkliche" Leben ist das doch anders.

Wir müssen schließlich noch auf einen Punkt aufmerksam machen. Unsre
Blätter haben sich in der Hitze der beständige" Entrüstung seit dem Anfang die¬
ses Jahres -- wenigstens scheint uns das so -- verleiten lasse", .ihre Empfin¬
dungen gewaltsam zu steigern; es würden sonst Ansichten wie die, daß unser
jetziger Preßznstand wenigstens eben so schlimm sei, als der frühere unter der
Censur, absolut unverständlich sein. Wenn man sich aber daran gewohnt, das
Pathos nie ausgehen zu lassen, wenn ma" eine" Tag "in den ander" verkimdigt,
das Vaterland sei so eben im Begriff, unterzugehn, so macht man nicht nur das
Publicum ungeduldig, sondern man "lacht sich selbst abhängig von den Einfällen
der Gegner, denen man mit unermüdlicher sittlicher Entrüstung folgt. Dabei ist
kein selbstständiges Handeln möglich. Es scheint uns die richtige Taktik einer
Partei darin zu liegen, daß sie ihre Energie nicht in täglichen Scharmützeln
erschöpft, sondern sie auf bestimmte Haupttreffen concentrirt, und daß sie für
diese den möglichst günstigen Zeitpunkt wählt, eine" Zeitpunkt, wie es der April
49 und der November 30 war. Dieser Augenblick scheint uns der allernngün-
stigste Zeitpunkt zusein. Wir können jetzt nicht daran denken, zu siegen, sondern
nur daran, die vollständige Auflösung zu vermeiden, bis wir unsre Kräfte wieder
gesammelt haben. Wer darin anderer Ansicht ist, möge seinen Weg gehen, aber
er möge es vermeiden, durch leidenschaftliche Angriffe, wo nnr über die Mittel,
nicht über den Zweck Meinungsverschiedenheit vorliegt, die künftige Reorganisation
der Partei zu erschweren, deren Elemente sich über kurz oder lang doch wieder zu¬
-Z- -Z-. sammenfinden müssen, weil sie von Natur zu einander gehöre".




Fuß breit Terrain verloren, sie hat im Gegentheil gewonnen. Die Landtage sind
nicht ein Recht, dem wir uns gefangen geben, sondern ein Factum, innerhalb
dessen wir unsre Rechts- und sonstigen Ansprüche eben so zu vertheidigen haben,
als wir es in der Kammer thun müssen. Die Verfassung selbst hütet noch immer
vor einem gewaltsamen Umsturz der Eid. Die Einrichtung der Landtage kann
nicht als ein Attentat gegen die Existenz der Verfassung betrachtet werde», son¬
dern nur als ein Versuch, zu entsprechenden geschlichen Modificativiieu derselben
zu verlocken; in wie weit wir auf dieselbe» eingehen, wird von dem Werth ab¬
hängen, den wir auf den materiellen Inhalt der bezüglichen Stellen legen müssen.
Jedenfalls stellen wir uns jetzt noch kein Präjudiz.

Man möge dabei nnr immer Eins im Auge halten. Wenn wir wirklich so
weit gekommen sind, daß uns die Zustände unerträglich erscheinen, so wird nicht eine
passive Resignation, sondern eine Activitnt erfordert, deren Umfang wir doch erst
berechne» müssen, ehe wir uns darauf einlassen. Worin aber diese Activität be¬
stehen müßte, wenn wir allen Boden, innerhalb der bestehende» Institutionen zu
kämpfen, aufgeben, ist wol nicht schwer zu sagen. Jene passive Resignation würde
zu sehr an die Kinderspiele erinnern, wo man auch sagt, »lau spielt uicht mit, wenn
die Spielgesctze uicht gehalten werden. Im wirkliche» Leben ist das doch anders.

Wir müssen schließlich noch auf einen Punkt aufmerksam machen. Unsre
Blätter haben sich in der Hitze der beständige» Entrüstung seit dem Anfang die¬
ses Jahres — wenigstens scheint uns das so — verleiten lasse», .ihre Empfin¬
dungen gewaltsam zu steigern; es würden sonst Ansichten wie die, daß unser
jetziger Preßznstand wenigstens eben so schlimm sei, als der frühere unter der
Censur, absolut unverständlich sein. Wenn man sich aber daran gewohnt, das
Pathos nie ausgehen zu lassen, wenn ma» eine» Tag »in den ander» verkimdigt,
das Vaterland sei so eben im Begriff, unterzugehn, so macht man nicht nur das
Publicum ungeduldig, sondern man »lacht sich selbst abhängig von den Einfällen
der Gegner, denen man mit unermüdlicher sittlicher Entrüstung folgt. Dabei ist
kein selbstständiges Handeln möglich. Es scheint uns die richtige Taktik einer
Partei darin zu liegen, daß sie ihre Energie nicht in täglichen Scharmützeln
erschöpft, sondern sie auf bestimmte Haupttreffen concentrirt, und daß sie für
diese den möglichst günstigen Zeitpunkt wählt, eine» Zeitpunkt, wie es der April
49 und der November 30 war. Dieser Augenblick scheint uns der allernngün-
stigste Zeitpunkt zusein. Wir können jetzt nicht daran denken, zu siegen, sondern
nur daran, die vollständige Auflösung zu vermeiden, bis wir unsre Kräfte wieder
gesammelt haben. Wer darin anderer Ansicht ist, möge seinen Weg gehen, aber
er möge es vermeiden, durch leidenschaftliche Angriffe, wo nnr über die Mittel,
nicht über den Zweck Meinungsverschiedenheit vorliegt, die künftige Reorganisation
der Partei zu erschweren, deren Elemente sich über kurz oder lang doch wieder zu¬
-Z- -Z-. sammenfinden müssen, weil sie von Natur zu einander gehöre».




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[0152] Fuß breit Terrain verloren, sie hat im Gegentheil gewonnen. Die Landtage sind nicht ein Recht, dem wir uns gefangen geben, sondern ein Factum, innerhalb dessen wir unsre Rechts- und sonstigen Ansprüche eben so zu vertheidigen haben, als wir es in der Kammer thun müssen. Die Verfassung selbst hütet noch immer vor einem gewaltsamen Umsturz der Eid. Die Einrichtung der Landtage kann nicht als ein Attentat gegen die Existenz der Verfassung betrachtet werde», son¬ dern nur als ein Versuch, zu entsprechenden geschlichen Modificativiieu derselben zu verlocken; in wie weit wir auf dieselbe» eingehen, wird von dem Werth ab¬ hängen, den wir auf den materiellen Inhalt der bezüglichen Stellen legen müssen. Jedenfalls stellen wir uns jetzt noch kein Präjudiz. Man möge dabei nnr immer Eins im Auge halten. Wenn wir wirklich so weit gekommen sind, daß uns die Zustände unerträglich erscheinen, so wird nicht eine passive Resignation, sondern eine Activitnt erfordert, deren Umfang wir doch erst berechne» müssen, ehe wir uns darauf einlassen. Worin aber diese Activität be¬ stehen müßte, wenn wir allen Boden, innerhalb der bestehende» Institutionen zu kämpfen, aufgeben, ist wol nicht schwer zu sagen. Jene passive Resignation würde zu sehr an die Kinderspiele erinnern, wo man auch sagt, »lau spielt uicht mit, wenn die Spielgesctze uicht gehalten werden. Im wirkliche» Leben ist das doch anders. Wir müssen schließlich noch auf einen Punkt aufmerksam machen. Unsre Blätter haben sich in der Hitze der beständige» Entrüstung seit dem Anfang die¬ ses Jahres — wenigstens scheint uns das so — verleiten lasse», .ihre Empfin¬ dungen gewaltsam zu steigern; es würden sonst Ansichten wie die, daß unser jetziger Preßznstand wenigstens eben so schlimm sei, als der frühere unter der Censur, absolut unverständlich sein. Wenn man sich aber daran gewohnt, das Pathos nie ausgehen zu lassen, wenn ma» eine» Tag »in den ander» verkimdigt, das Vaterland sei so eben im Begriff, unterzugehn, so macht man nicht nur das Publicum ungeduldig, sondern man »lacht sich selbst abhängig von den Einfällen der Gegner, denen man mit unermüdlicher sittlicher Entrüstung folgt. Dabei ist kein selbstständiges Handeln möglich. Es scheint uns die richtige Taktik einer Partei darin zu liegen, daß sie ihre Energie nicht in täglichen Scharmützeln erschöpft, sondern sie auf bestimmte Haupttreffen concentrirt, und daß sie für diese den möglichst günstigen Zeitpunkt wählt, eine» Zeitpunkt, wie es der April 49 und der November 30 war. Dieser Augenblick scheint uns der allernngün- stigste Zeitpunkt zusein. Wir können jetzt nicht daran denken, zu siegen, sondern nur daran, die vollständige Auflösung zu vermeiden, bis wir unsre Kräfte wieder gesammelt haben. Wer darin anderer Ansicht ist, möge seinen Weg gehen, aber er möge es vermeiden, durch leidenschaftliche Angriffe, wo nnr über die Mittel, nicht über den Zweck Meinungsverschiedenheit vorliegt, die künftige Reorganisation der Partei zu erschweren, deren Elemente sich über kurz oder lang doch wieder zu¬ -Z- -Z-. sammenfinden müssen, weil sie von Natur zu einander gehöre».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/152>, abgerufen am 30.06.2024.