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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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daß seine Anschauungen zuweilen falsch sein können, weil er nicht Alles ge¬
sehen hat, und daß sich in seine Berechnungen ein Fehler eingeschlichen haben
kann, weil er uicht alle Momente in Rechnung gebracht hat. In der täglichen
Kritik der politischen Thätigkeit kann man Manchem Unrecht thun, Mauchen zu
hoch stellen; der weitere Verlauf der Begebenheiten wird diese Irrthümer corri-
giren, wenn man sich nur immer bestrebt, ehrlich gegen sich selbst zu sein, und
eben so wenig sich aus hochmüthigen Eigensinn gegen eine bessere Einsicht zu ver¬
schließen, als sich durch die in beständigem Fluß bleibende Stimmung der Masse
irgendwie in seinen Ueberzeugungen irren zu lasse". Beides glaube" wir i" An¬
spruch nehmen zu dürfen. Wir haben seit den drei Jahren, in denen wir die
Deutsche Politik verfolgt haben, in jedem Augenblicke ungescheut und rücksichtslos
unsre Meinung ausgesprochen, und wir haben in dieser ganzen Zeit keinen Augen¬
blick das leitende Princip aus den Augen gelassen, auf dem unsre Parteinahme
in diesen Angelegenheiten beruht.

Dieses Princip ist nämlich die Ueberzeugung, daß eine Regeneration Deutsch¬
lands nnr dadurch möglich ist, daß die vorhandenen historischen Kräfte gepflegt,
gestärkt und zu ihrem vollen Ausdruck geführt werden, und daß dieser Ausdruck
nur durch Aufhebung der bisherigen Neutralisation, die jede individuelle, lebendige
Gestalt unmöglich machte, erstrebt werden kann. Die einzigen historischen Kräfte,
die wir in Deutschland erblicken, die noch keineswegs fertigen, aber in der An¬
lage großartigen Gestaltungen sind der Oestreichische und der Preußische Staat.
In der Souverainetät der übrigen Deutschen Staaten (damit meinen wir nicht
ihre Existenz) sehen wir keine entwickelungsfähige historische Kraft. Das Mittel,
in welchem wir die einzige Möglichkeit scheu, diese wirklichen Kräfte Deutschlands
zu ihrem wahren Ausdruck zu steigern, ist ihre constitutionelle Centralisation.

Für uns ist also allerdings nur ein Mittel, was für sehr viele Führer und An¬
hänger der Partei, der wir angehören, der höchste Zweck ist. Wir sind nicht der
Ansicht, daß es in der Nothwendigkeit des Begriffs vom Staat liege, eine ans
demokratischer Grundlage beruhende constitutionelle Monarchie zu sein, aber
wir sind der Ueberzeugung, daß diese Form des Staats das einzige Mittel ist für
Oestreich und Preußen, die großen Kräfte, die vorläufig in ihnen noch latent
sind, zum freien Ausdruck zu bringen.

Wir sind daher auch während der Revolution eher Preußisch und Oestreichisch
gewesen, als Deutsch, und sind es noch hente, obgleich wir der augenblicklichen Ge¬
staltung dieser beiden Staaten, und namentlich der des letztem, weil er sich früher
auf den falschen Weg einließ, als Preußen, mit scharfer Kritik entgegengetreten
sind. Wir find es darum, weil mit jenen Staaten und ihrer Fortentwickelung
eine sehr bestimmte und anschauliche Idee verknüpft ist, während die Idee der
Fortentwickelung Deutschlands sich auf die allercutgegengesctztesten Vorstellungen zu¬
rückführen läßt. Die Demokratie sowol, wie die sogenannte großdeutsche Partei,


daß seine Anschauungen zuweilen falsch sein können, weil er nicht Alles ge¬
sehen hat, und daß sich in seine Berechnungen ein Fehler eingeschlichen haben
kann, weil er uicht alle Momente in Rechnung gebracht hat. In der täglichen
Kritik der politischen Thätigkeit kann man Manchem Unrecht thun, Mauchen zu
hoch stellen; der weitere Verlauf der Begebenheiten wird diese Irrthümer corri-
giren, wenn man sich nur immer bestrebt, ehrlich gegen sich selbst zu sein, und
eben so wenig sich aus hochmüthigen Eigensinn gegen eine bessere Einsicht zu ver¬
schließen, als sich durch die in beständigem Fluß bleibende Stimmung der Masse
irgendwie in seinen Ueberzeugungen irren zu lasse». Beides glaube» wir i» An¬
spruch nehmen zu dürfen. Wir haben seit den drei Jahren, in denen wir die
Deutsche Politik verfolgt haben, in jedem Augenblicke ungescheut und rücksichtslos
unsre Meinung ausgesprochen, und wir haben in dieser ganzen Zeit keinen Augen¬
blick das leitende Princip aus den Augen gelassen, auf dem unsre Parteinahme
in diesen Angelegenheiten beruht.

Dieses Princip ist nämlich die Ueberzeugung, daß eine Regeneration Deutsch¬
lands nnr dadurch möglich ist, daß die vorhandenen historischen Kräfte gepflegt,
gestärkt und zu ihrem vollen Ausdruck geführt werden, und daß dieser Ausdruck
nur durch Aufhebung der bisherigen Neutralisation, die jede individuelle, lebendige
Gestalt unmöglich machte, erstrebt werden kann. Die einzigen historischen Kräfte,
die wir in Deutschland erblicken, die noch keineswegs fertigen, aber in der An¬
lage großartigen Gestaltungen sind der Oestreichische und der Preußische Staat.
In der Souverainetät der übrigen Deutschen Staaten (damit meinen wir nicht
ihre Existenz) sehen wir keine entwickelungsfähige historische Kraft. Das Mittel,
in welchem wir die einzige Möglichkeit scheu, diese wirklichen Kräfte Deutschlands
zu ihrem wahren Ausdruck zu steigern, ist ihre constitutionelle Centralisation.

Für uns ist also allerdings nur ein Mittel, was für sehr viele Führer und An¬
hänger der Partei, der wir angehören, der höchste Zweck ist. Wir sind nicht der
Ansicht, daß es in der Nothwendigkeit des Begriffs vom Staat liege, eine ans
demokratischer Grundlage beruhende constitutionelle Monarchie zu sein, aber
wir sind der Ueberzeugung, daß diese Form des Staats das einzige Mittel ist für
Oestreich und Preußen, die großen Kräfte, die vorläufig in ihnen noch latent
sind, zum freien Ausdruck zu bringen.

Wir sind daher auch während der Revolution eher Preußisch und Oestreichisch
gewesen, als Deutsch, und sind es noch hente, obgleich wir der augenblicklichen Ge¬
staltung dieser beiden Staaten, und namentlich der des letztem, weil er sich früher
auf den falschen Weg einließ, als Preußen, mit scharfer Kritik entgegengetreten
sind. Wir find es darum, weil mit jenen Staaten und ihrer Fortentwickelung
eine sehr bestimmte und anschauliche Idee verknüpft ist, während die Idee der
Fortentwickelung Deutschlands sich auf die allercutgegengesctztesten Vorstellungen zu¬
rückführen läßt. Die Demokratie sowol, wie die sogenannte großdeutsche Partei,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/10>, abgerufen am 30.06.2024.