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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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saß ich wieder dem Offiziertisch gegenüber, und diesmal belustigte mich die Ge¬
sellschaft. "Wir brauchen keine Genies," sagte Einer, dem man ansah, daß er von
der Pike auf gedient hatte, "und darum mag ich das Avancement der vielen Stu¬
denten nit. S' sind lauter Lumpen!" -- Man wird gleich sehen, was in diesen
Kreisen Genie heißt. "Der Dingsda," fuhr er fort, "der in Mantua war; was
schrieb der Kerl für 'ne Hand und wie rechnet er aus dem Kopf -- iß'n Lump
g'worden. Wir brauchen Laut', die nit Alles wie der Blitz fertig haben, denu
die sind immer leichtsinnig. Ordentliche, pünktliche Arbeiter, nur keine Genies!"
-- "Na," sagte lächelnd der radikale Offizier, der die Brille trug; "die Gefahr
ist so groß nit. In unserem ganzen Regiment sind, glaub ich, keine drei Ge¬
nies!" -- Der Radikale kennt seine Pappenheimer, dacht ich, und vou der Seite
ist für den Zopf in Oestreich die Gefahr so groß nicht. Könnte man nur alle
Staatsbürger, bevor sie dreizehn Jahr alt sind, unter's Militär stecken. Später
ist's zu spät. Die assentirten Studenten werden es zeigen! --




Neuöstreichische Ritterschaft.

Die Regierung Oestreichs hat bekanntlich einen Civilverdienstorden gestiftet,
den Franz-Joseph's- Orden, durch welchen sie dem jungen Kaiser eine Apotheose
bei Lebzeiten angeordnet hat. Vielleicht hätte man den neuen Orden schicklicher
Ferdin andsorden genannt, denn der gute Kaiser, welcher in jenem März
auf sein Volk in Wien nicht wollte schießen lassen, hätte eine kleine Apotheose
immerhin verdient, zumal die jetzige Majestät seiner Courtviste Einiges zu danken
hat, so etwas wie Thronbesteigung und Kaiserkrone.

Der arme alte Kaiser scheint aber in totale Ungnade gefallen zu sein, weil
er versuchen wollte, seinen mitunter ungezogenen Kindern dennoch ein guter Vater
zu bleiben; dafür werden nun die armen Kinder tüchtig bemuttert, und möchten
darüber des Teufels werden. Der alte Kaiser aber lebt still und vergessen in dem
czechischen Prag, vielleicht wird er Uhrmacher, wie Carolus Oumtus, aber das
Herz thut ihm sicherlich weh, erfährt er, wie man seine armen Wiener traktirt,
heuen er in seiner Gutmüthigkeit wohl längst verziehen hat.

Also der Franz-Josepl/s-Orden ist gestiftet, und sehr neugierig sind wir alle
hier in Wien aus die erste Fvurnee der neuen Ordensritter; schade, daß das Or¬
densstatnt nicht vorschreibt, daß der Orden ans dem Rücken zu tragen sei, denn
wer sich am Tiefsten vor unserem Ministerium gebückt und sich den Fuß hat aus


saß ich wieder dem Offiziertisch gegenüber, und diesmal belustigte mich die Ge¬
sellschaft. „Wir brauchen keine Genies," sagte Einer, dem man ansah, daß er von
der Pike auf gedient hatte, „und darum mag ich das Avancement der vielen Stu¬
denten nit. S' sind lauter Lumpen!" — Man wird gleich sehen, was in diesen
Kreisen Genie heißt. „Der Dingsda," fuhr er fort, „der in Mantua war; was
schrieb der Kerl für 'ne Hand und wie rechnet er aus dem Kopf — iß'n Lump
g'worden. Wir brauchen Laut', die nit Alles wie der Blitz fertig haben, denu
die sind immer leichtsinnig. Ordentliche, pünktliche Arbeiter, nur keine Genies!"
— „Na," sagte lächelnd der radikale Offizier, der die Brille trug; „die Gefahr
ist so groß nit. In unserem ganzen Regiment sind, glaub ich, keine drei Ge¬
nies!" — Der Radikale kennt seine Pappenheimer, dacht ich, und vou der Seite
ist für den Zopf in Oestreich die Gefahr so groß nicht. Könnte man nur alle
Staatsbürger, bevor sie dreizehn Jahr alt sind, unter's Militär stecken. Später
ist's zu spät. Die assentirten Studenten werden es zeigen! —




Neuöstreichische Ritterschaft.

Die Regierung Oestreichs hat bekanntlich einen Civilverdienstorden gestiftet,
den Franz-Joseph's- Orden, durch welchen sie dem jungen Kaiser eine Apotheose
bei Lebzeiten angeordnet hat. Vielleicht hätte man den neuen Orden schicklicher
Ferdin andsorden genannt, denn der gute Kaiser, welcher in jenem März
auf sein Volk in Wien nicht wollte schießen lassen, hätte eine kleine Apotheose
immerhin verdient, zumal die jetzige Majestät seiner Courtviste Einiges zu danken
hat, so etwas wie Thronbesteigung und Kaiserkrone.

Der arme alte Kaiser scheint aber in totale Ungnade gefallen zu sein, weil
er versuchen wollte, seinen mitunter ungezogenen Kindern dennoch ein guter Vater
zu bleiben; dafür werden nun die armen Kinder tüchtig bemuttert, und möchten
darüber des Teufels werden. Der alte Kaiser aber lebt still und vergessen in dem
czechischen Prag, vielleicht wird er Uhrmacher, wie Carolus Oumtus, aber das
Herz thut ihm sicherlich weh, erfährt er, wie man seine armen Wiener traktirt,
heuen er in seiner Gutmüthigkeit wohl längst verziehen hat.

Also der Franz-Josepl/s-Orden ist gestiftet, und sehr neugierig sind wir alle
hier in Wien aus die erste Fvurnee der neuen Ordensritter; schade, daß das Or¬
densstatnt nicht vorschreibt, daß der Orden ans dem Rücken zu tragen sei, denn
wer sich am Tiefsten vor unserem Ministerium gebückt und sich den Fuß hat aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/86>, abgerufen am 01.07.2024.