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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Gutgesinnte dabei sind. Die Lumpen soll mau ausrangireu und todtschießen, die
Andern soll mau laufen lassen!" -- Der Mann trug eine Brille und galt unter
seinen Kameraden für radical. --

Es wird verzweifelte Lustigkeit gewesen sein, was Sie gestern so angenehm
berührt hat, sagte am andern Morgen P. zu mir, ein Bekannter aus Wien, der
hier seit Monaten die "julew "duoi.r vitao suchte, aber uoch nicht gefunden hatte,
Der Aelpler macht sich in Freud wie in Leid durch Jodeln Lust. Von bunter'
Burschen, die bei der Assentirung jubeln und zechen, laufen im Durchschnitt einige
dreißig in die hohen Berge, von wo kein Regiment sie herunterbrächte. Dor
bleiben sie versteckt, bis sie verschollen sind. Voriges Jahr wurden dreihundert
vermißt; man hat noch heute keinen einzige" wieder. -- Und wie ist die sein"
mung in Salzburg? -- Im Allgemeinen, was man hier radical nennt, und
deutsch, d. h. aus Handelsrückstchten gegen die bairisch-östreichischen Zollschranken,
An Ultramontanen sehlt es freilich nicht, doch selbst diese hängen alten Erinneruugei-
zu sehr nach, um gut östreichisch zu sein; am liebsten stünden sie unter einem sou¬
veränen Krummstab. Der jetzige, welcher knotig genug ist, waltet eigentlich wie
ein souveränes Zepter. Cardinal Fürst Schwarzenberg zieht durch seine schöne
Gestalt die Augen aller Frauen auf sich und könnte einen glücklichern Don Juan,
spielen als sein Bruder, der Ministerpräsident in Wien; er ist aber zum Sterben
in die Kirche verliebt und führt ein streng aszetisches Leben. Das ginge nur ibi,
an, sein Fanatismus ist jedoch herrsch- und versolgnugssüchtig. Die jungen Geist,
lichen, unter denen ziemliche Aufklärung herrscht, zittern bei seinem Name"; den,',
seiue Geheimpolizei hat Argusaugen, und mancher junge Priester büßt ein ver¬
nünftiges Wort oder die Lectüre eines liberalen Büchleins mit einsamer Haft w'
Pönitenzkloster. Außerdem zeigt dieser General der eeclvsia miütmis seine Verachtung
der Märzverfassung sehr nachdrücklich, dnrch seine Protection gibt es hier ultramontan
Vereine, die sich heimlich versammeln dürfen, während wie Sie wissen, politisch?
Associationen der harmlosesten Art durch die Verfassung so gut wie unmöglich ge>
macht sind. Dies Treiben steigert die Erbitterung der Salzburger und verviel-
fältigt die Spaltung der Gesellschaft; ohnedies leben Civil und Militär ans sel^
gespanntem Fuße, und vielen Offizieren sieht man die Sehnsucht nach Italien an,
wo sie mehr die Herrn spielen können als hier oder selbst im belagerten Wien.
Wirklich überzeugte ich mich bald, daß in Wirths- und Kafehäusern Fracks u"!'
Uniformen nie in demselben Raum zusammenkamen, und als ich einmal in eine>>
Kaftsaal trat, fand ich, daß mir allein in der ganzen Gesellschaft der Säbel fehlte,
und daß die Herren mich lauge, erstaunt über meine Kühnheit, mit den Augey
maßen. Ferner bemerkte ich, daß in den meisten Käses die Wiener Zeitungs,
presse spärlich vertreten war; dagegen las man mehrere "ausländische" Blätter;
ein allgemeiner Liebling schien die Münchner Constitntionelle Zeitung.

Auch den "Mohren" besuchte kein einheimischer Civilist. Den zweiten Abend


Gutgesinnte dabei sind. Die Lumpen soll mau ausrangireu und todtschießen, die
Andern soll mau laufen lassen!" — Der Mann trug eine Brille und galt unter
seinen Kameraden für radical. —

Es wird verzweifelte Lustigkeit gewesen sein, was Sie gestern so angenehm
berührt hat, sagte am andern Morgen P. zu mir, ein Bekannter aus Wien, der
hier seit Monaten die «julew »duoi.r vitao suchte, aber uoch nicht gefunden hatte,
Der Aelpler macht sich in Freud wie in Leid durch Jodeln Lust. Von bunter'
Burschen, die bei der Assentirung jubeln und zechen, laufen im Durchschnitt einige
dreißig in die hohen Berge, von wo kein Regiment sie herunterbrächte. Dor
bleiben sie versteckt, bis sie verschollen sind. Voriges Jahr wurden dreihundert
vermißt; man hat noch heute keinen einzige» wieder. — Und wie ist die sein«
mung in Salzburg? — Im Allgemeinen, was man hier radical nennt, und
deutsch, d. h. aus Handelsrückstchten gegen die bairisch-östreichischen Zollschranken,
An Ultramontanen sehlt es freilich nicht, doch selbst diese hängen alten Erinneruugei-
zu sehr nach, um gut östreichisch zu sein; am liebsten stünden sie unter einem sou¬
veränen Krummstab. Der jetzige, welcher knotig genug ist, waltet eigentlich wie
ein souveränes Zepter. Cardinal Fürst Schwarzenberg zieht durch seine schöne
Gestalt die Augen aller Frauen auf sich und könnte einen glücklichern Don Juan,
spielen als sein Bruder, der Ministerpräsident in Wien; er ist aber zum Sterben
in die Kirche verliebt und führt ein streng aszetisches Leben. Das ginge nur ibi,
an, sein Fanatismus ist jedoch herrsch- und versolgnugssüchtig. Die jungen Geist,
lichen, unter denen ziemliche Aufklärung herrscht, zittern bei seinem Name»; den,',
seiue Geheimpolizei hat Argusaugen, und mancher junge Priester büßt ein ver¬
nünftiges Wort oder die Lectüre eines liberalen Büchleins mit einsamer Haft w'
Pönitenzkloster. Außerdem zeigt dieser General der eeclvsia miütmis seine Verachtung
der Märzverfassung sehr nachdrücklich, dnrch seine Protection gibt es hier ultramontan
Vereine, die sich heimlich versammeln dürfen, während wie Sie wissen, politisch?
Associationen der harmlosesten Art durch die Verfassung so gut wie unmöglich ge>
macht sind. Dies Treiben steigert die Erbitterung der Salzburger und verviel-
fältigt die Spaltung der Gesellschaft; ohnedies leben Civil und Militär ans sel^
gespanntem Fuße, und vielen Offizieren sieht man die Sehnsucht nach Italien an,
wo sie mehr die Herrn spielen können als hier oder selbst im belagerten Wien.
Wirklich überzeugte ich mich bald, daß in Wirths- und Kafehäusern Fracks u»!'
Uniformen nie in demselben Raum zusammenkamen, und als ich einmal in eine>>
Kaftsaal trat, fand ich, daß mir allein in der ganzen Gesellschaft der Säbel fehlte,
und daß die Herren mich lauge, erstaunt über meine Kühnheit, mit den Augey
maßen. Ferner bemerkte ich, daß in den meisten Käses die Wiener Zeitungs,
presse spärlich vertreten war; dagegen las man mehrere „ausländische" Blätter;
ein allgemeiner Liebling schien die Münchner Constitntionelle Zeitung.

Auch den „Mohren" besuchte kein einheimischer Civilist. Den zweiten Abend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/85>, abgerufen am 04.07.2024.