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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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den Nacken setzen lassen, hat wahrscheinlich den nächsten Anspruch auf das
Großkreuz.

Daß man auch sehr kleine Verdienste mit dem neuen Orden belohnen wird,
scheint sich aus einem lächerlichen Falle zu ergeben, welcher hier sowohl, wie be¬
sonders in Brunn Sensation und tiefste Indignation zugleich hervorgerufen hat,
und dazu gehört jetzt schon vergleichsweise viel, denu man hat seit einem Jahre
so viel schon erlebt und ertragen, man ist abgestumpft, man ist so zu sagen mora¬
lisch prügelfaul geworden, und eine Art Moxa muß aufgesetzt werden, um das
Publikum in halblauten Aerger zu bringen.

Jüngst brachte unsere amtliche Wiener Zeitung die Kunde, Se. Majestät hätte
geruht, den Fabrikanten Spörlin zu Wien und den Kaufmann Häring z" Brunn,
beide wegen ihrer Verdienste um vaterländische Industrie mit dem Levpolds-
or d en , merken Sie wohl, nicht mit dem Franz-Josephs-Orden, zu begraben.
Der Leopoldorden bringt nach seinen Statuten die Erhebung in den Ritt erstand
mit sich, Oestreich hat also zwei Ritter mehr; hätte eS nur einen echten Ritter,
wir wären besser zufrieden.

Der erste, Spörlin, hat wirklich bedeutendes Verdienst um den Gewcrbver-
ein, wie um die Industrie; wenn's schou gerittert sein muß, so haben wir bei
Spörlin gar nichts dagegen, aber mau hat sein Verdienst bedeutend bist^cditirt,
indem mau ihm jenen Brunner Häring zum Nitterschaftskumpan gab; der Ritter¬
schlag, den Herr Häring erhielt, ist zugleich eine moralische Ohrfeige für Spörlin.

Ganz Wien, und Brünn nicht minder, frug und grübelte nach den Jndnstrie-
verdiensten dieses Häring, doch da war Niemand, der Kunde gab; ein einziger
Mensch zu Wien weiß davon, und das ist Minister Brück allein, ihm verdankt
Oestreich die neue Ritterschaft, man ist auf den Wappenschild des Häringsritters,
auf seine Symbole und seinen Wahlspruch gespannt.

Herr" Häring's Verdienst ist ein Knollengewächs, der eigentliche Verdienst¬
knollen ist sein seit Jahren todter und begrabener Oheim, des Neffen Verdienst
um die Industrie besteht darin, daß er so industriös war, jenen kinderlosen, sehr
reichen Oheim zu beerben. Daß der neue Ritter äußerst scharfsinnig sei, bewies
er dadurch, daß er vor Jahren, kurz nach übernommener Erbschaft den Muth
hatte, ein Gesuch einzureichen, in welchem er der Negierung anzeigte, er sei der
Erbe jenes kinderlos verstorbenen edlen Häring, welchem Kaiser Franz in Rücksicht
seiner Verdienste, dnrch welche er sich ein sehr großes Vermögen verdient, den
Leopoldorden und den Ritterstand verliehen hatte, er wünsche demnach den Or¬
den und den Ritterstand ebenfalls zu erben, damit das Verdienst seines
Oheims in ihm unverkürzt fortlebe.

Mit diesem Gesuche wurde Herr Häring kurz abgewiesen, doch in ritterlichem
Muth ließ der Mann sich nicht abschrecken und wiederholte nach einiger Zeit sein
Gesuch in dringlichster Motivirung, wurde aber wieder und zwar mit dem Bei-


den Nacken setzen lassen, hat wahrscheinlich den nächsten Anspruch auf das
Großkreuz.

Daß man auch sehr kleine Verdienste mit dem neuen Orden belohnen wird,
scheint sich aus einem lächerlichen Falle zu ergeben, welcher hier sowohl, wie be¬
sonders in Brunn Sensation und tiefste Indignation zugleich hervorgerufen hat,
und dazu gehört jetzt schon vergleichsweise viel, denu man hat seit einem Jahre
so viel schon erlebt und ertragen, man ist abgestumpft, man ist so zu sagen mora¬
lisch prügelfaul geworden, und eine Art Moxa muß aufgesetzt werden, um das
Publikum in halblauten Aerger zu bringen.

Jüngst brachte unsere amtliche Wiener Zeitung die Kunde, Se. Majestät hätte
geruht, den Fabrikanten Spörlin zu Wien und den Kaufmann Häring z» Brunn,
beide wegen ihrer Verdienste um vaterländische Industrie mit dem Levpolds-
or d en , merken Sie wohl, nicht mit dem Franz-Josephs-Orden, zu begraben.
Der Leopoldorden bringt nach seinen Statuten die Erhebung in den Ritt erstand
mit sich, Oestreich hat also zwei Ritter mehr; hätte eS nur einen echten Ritter,
wir wären besser zufrieden.

Der erste, Spörlin, hat wirklich bedeutendes Verdienst um den Gewcrbver-
ein, wie um die Industrie; wenn's schou gerittert sein muß, so haben wir bei
Spörlin gar nichts dagegen, aber mau hat sein Verdienst bedeutend bist^cditirt,
indem mau ihm jenen Brunner Häring zum Nitterschaftskumpan gab; der Ritter¬
schlag, den Herr Häring erhielt, ist zugleich eine moralische Ohrfeige für Spörlin.

Ganz Wien, und Brünn nicht minder, frug und grübelte nach den Jndnstrie-
verdiensten dieses Häring, doch da war Niemand, der Kunde gab; ein einziger
Mensch zu Wien weiß davon, und das ist Minister Brück allein, ihm verdankt
Oestreich die neue Ritterschaft, man ist auf den Wappenschild des Häringsritters,
auf seine Symbole und seinen Wahlspruch gespannt.

Herr» Häring's Verdienst ist ein Knollengewächs, der eigentliche Verdienst¬
knollen ist sein seit Jahren todter und begrabener Oheim, des Neffen Verdienst
um die Industrie besteht darin, daß er so industriös war, jenen kinderlosen, sehr
reichen Oheim zu beerben. Daß der neue Ritter äußerst scharfsinnig sei, bewies
er dadurch, daß er vor Jahren, kurz nach übernommener Erbschaft den Muth
hatte, ein Gesuch einzureichen, in welchem er der Negierung anzeigte, er sei der
Erbe jenes kinderlos verstorbenen edlen Häring, welchem Kaiser Franz in Rücksicht
seiner Verdienste, dnrch welche er sich ein sehr großes Vermögen verdient, den
Leopoldorden und den Ritterstand verliehen hatte, er wünsche demnach den Or¬
den und den Ritterstand ebenfalls zu erben, damit das Verdienst seines
Oheims in ihm unverkürzt fortlebe.

Mit diesem Gesuche wurde Herr Häring kurz abgewiesen, doch in ritterlichem
Muth ließ der Mann sich nicht abschrecken und wiederholte nach einiger Zeit sein
Gesuch in dringlichster Motivirung, wurde aber wieder und zwar mit dem Bei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/87>, abgerufen am 29.06.2024.