Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
<ÜKsr<zIiant es xiand Lsorvt gsns xonvoii- 1s surprenclrs,
vu p^none um vio" sans ^mais Is eomprenclrs,
IZt Mit voix "<! Iirisallt colidi'v es oikl et'uirain,
s>!>8 mains su I'Iwnnviir et'ilrltsr 1" nieste".

Aber eines schönen Morgens rief es-in mir: Ruhm sei dem Ewigen! Hof¬
fentlich wird es auch dir tagen, eul-me deckn ä'une i--rec alpine. Laß den Söh¬
nen der Nacht den Zweifel und den Fluch, Uotre crime est d'vere Knininv et
ils vollluir coli"",tre. I^norer et servil-, c'est I.r loi cle metre 6tre."--Ein eben
so faber Trost, als jene Schilderung des britischen Dichters ungenau ist. So
scharf Byron die Contraste zwischen der Welt des Wissens und der Welt des
Wollens auszumalen versteht, so ist doch sein Standpunkt ein sittlicher; er ver¬
zweifelt zuweilen, obgleich nicht immer, aber auch diese Verzweiflung ist nur ein
Ausdruck des sittlichen Glaubens, der sich in die Sinnenwelt nicht zu finden weiß.
-- Später hat Lamartine den Childe Harold, diese bei allen einzelnen Schön¬
heiten im Ganzen ziemlich langweilige Reisebeschreibung, durch eiuen letzten Ge¬
sang zu ergänzen gesucht. Was aber Byron's eigentlichen Vorzug ausmacht, diese
lyrische Energie, in der ihm kaum ein anderer Dichter gleichkommt, diese Gluth
der Empfindung, die uns erschüttert, auch wo wir sie nicht theilen können, fehlt
bei Lamartine gänzlich. Es ist stets die oberflächlichste Reflexion, die erst unge¬
heure Anstrengungen macht, medios zu sein, und dann mit einer scheinheiligen
Miene das Kreuz schlägt über die eigne Kühnheit: 0 ekrist, nirräonne-lui! Byron,
sagt er, hat seine glänzendsten Seiten durch einen frechen Scepticismus vergiftet,
der ebenso verderblich war für die Jngend, die ihn bewundert, als für sein eig¬
nes Talent.

Wir wollen ihn nicht entschuldigen, vielleicht, wenn er länger gelebt hätte
u. s. w. Aber er ist nicht mehr, wir wollen einen Schleier darauf werfen u.
s. w. -- Welch gleisuerische Sprache! -- Als Epiker fühlt Lamartine sich ver¬
pflichtet, die Muse anzurufen, aber nicht die objective, griechische des Maaßes
und der Schönheit, sondern die christliche, subjective: toi qui u^-rs iwur sejour,
near ecuries., loin- iuitols, Pie le "ein tremissimt lies Avnerenx mortels, die
man also erst gar nicht anzurufen brauchte. -- Von dem Byronschen Gott wird
gesagt, er sei cet "Ac"t sujn-eme, co I^lui in^storieux, iiiL"I,iI)Je ^rc>b>el"e, als
ob der christliche. Gott ein auflösbares Problem wäre! -- Harold, der sich hier
ganz in die Person seines Dichters verwandelt, setzt seine Reise mit den nöthigen
Episoden weiter fort, bis er nach Griechenland kommt. Ein alter frommer Ein¬
stedler sucht ihn zu bekehren, vergebens. Harold ringt beständig nach einer un¬
mittelbaren Offenbarung Gottes, seine Zweifel aufzuklären, denn unser katholischer
Freund, der Schüler der Jesuiten, sieht den Contrast immer nur äußerlich, und
glaubt, ihn ans eine äußerliche Weise heben zu köunen, während der Widerspruch
zwischen dem Weltlauf und den Wünschen des Herzens in der Natur der Sache


<ÜKsr<zIiant es xiand Lsorvt gsns xonvoii- 1s surprenclrs,
vu p^none um vio» sans ^mais Is eomprenclrs,
IZt Mit voix «<! Iirisallt colidi'v es oikl et'uirain,
s>!>8 mains su I'Iwnnviir et'ilrltsr 1» nieste».

Aber eines schönen Morgens rief es-in mir: Ruhm sei dem Ewigen! Hof¬
fentlich wird es auch dir tagen, eul-me deckn ä'une i--rec alpine. Laß den Söh¬
nen der Nacht den Zweifel und den Fluch, Uotre crime est d'vere Knininv et
ils vollluir coli»»,tre. I^norer et servil-, c'est I.r loi cle metre 6tre."—Ein eben
so faber Trost, als jene Schilderung des britischen Dichters ungenau ist. So
scharf Byron die Contraste zwischen der Welt des Wissens und der Welt des
Wollens auszumalen versteht, so ist doch sein Standpunkt ein sittlicher; er ver¬
zweifelt zuweilen, obgleich nicht immer, aber auch diese Verzweiflung ist nur ein
Ausdruck des sittlichen Glaubens, der sich in die Sinnenwelt nicht zu finden weiß.
— Später hat Lamartine den Childe Harold, diese bei allen einzelnen Schön¬
heiten im Ganzen ziemlich langweilige Reisebeschreibung, durch eiuen letzten Ge¬
sang zu ergänzen gesucht. Was aber Byron's eigentlichen Vorzug ausmacht, diese
lyrische Energie, in der ihm kaum ein anderer Dichter gleichkommt, diese Gluth
der Empfindung, die uns erschüttert, auch wo wir sie nicht theilen können, fehlt
bei Lamartine gänzlich. Es ist stets die oberflächlichste Reflexion, die erst unge¬
heure Anstrengungen macht, medios zu sein, und dann mit einer scheinheiligen
Miene das Kreuz schlägt über die eigne Kühnheit: 0 ekrist, nirräonne-lui! Byron,
sagt er, hat seine glänzendsten Seiten durch einen frechen Scepticismus vergiftet,
der ebenso verderblich war für die Jngend, die ihn bewundert, als für sein eig¬
nes Talent.

Wir wollen ihn nicht entschuldigen, vielleicht, wenn er länger gelebt hätte
u. s. w. Aber er ist nicht mehr, wir wollen einen Schleier darauf werfen u.
s. w. — Welch gleisuerische Sprache! — Als Epiker fühlt Lamartine sich ver¬
pflichtet, die Muse anzurufen, aber nicht die objective, griechische des Maaßes
und der Schönheit, sondern die christliche, subjective: toi qui u^-rs iwur sejour,
near ecuries., loin- iuitols, Pie le «ein tremissimt lies Avnerenx mortels, die
man also erst gar nicht anzurufen brauchte. — Von dem Byronschen Gott wird
gesagt, er sei cet »Ac»t sujn-eme, co I^lui in^storieux, iiiL»I,iI)Je ^rc>b>el»e, als
ob der christliche. Gott ein auflösbares Problem wäre! — Harold, der sich hier
ganz in die Person seines Dichters verwandelt, setzt seine Reise mit den nöthigen
Episoden weiter fort, bis er nach Griechenland kommt. Ein alter frommer Ein¬
stedler sucht ihn zu bekehren, vergebens. Harold ringt beständig nach einer un¬
mittelbaren Offenbarung Gottes, seine Zweifel aufzuklären, denn unser katholischer
Freund, der Schüler der Jesuiten, sieht den Contrast immer nur äußerlich, und
glaubt, ihn ans eine äußerliche Weise heben zu köunen, während der Widerspruch
zwischen dem Weltlauf und den Wünschen des Herzens in der Natur der Sache


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0494" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93317"/>
              <quote>
                <lg xml:id="POEMID_11" type="poem">
                  <l> &lt;ÜKsr&lt;zIiant es xiand Lsorvt gsns xonvoii- 1s surprenclrs,<lb/>
vu p^none um vio» sans ^mais Is eomprenclrs,<lb/>
IZt Mit voix «&lt;! Iirisallt colidi'v es oikl et'uirain,<lb/>
s&gt;!&gt;8 mains su I'Iwnnviir et'ilrltsr 1» nieste».</l>
                </lg>
              </quote><lb/>
              <p xml:id="ID_1715"> Aber eines schönen Morgens rief es-in mir: Ruhm sei dem Ewigen! Hof¬<lb/>
fentlich wird es auch dir tagen, eul-me deckn ä'une i--rec alpine. Laß den Söh¬<lb/>
nen der Nacht den Zweifel und den Fluch, Uotre crime est d'vere Knininv et<lb/>
ils vollluir coli»»,tre. I^norer et servil-, c'est I.r loi cle metre 6tre."&#x2014;Ein eben<lb/>
so faber Trost, als jene Schilderung des britischen Dichters ungenau ist. So<lb/>
scharf Byron die Contraste zwischen der Welt des Wissens und der Welt des<lb/>
Wollens auszumalen versteht, so ist doch sein Standpunkt ein sittlicher; er ver¬<lb/>
zweifelt zuweilen, obgleich nicht immer, aber auch diese Verzweiflung ist nur ein<lb/>
Ausdruck des sittlichen Glaubens, der sich in die Sinnenwelt nicht zu finden weiß.<lb/>
&#x2014; Später hat Lamartine den Childe Harold, diese bei allen einzelnen Schön¬<lb/>
heiten im Ganzen ziemlich langweilige Reisebeschreibung, durch eiuen letzten Ge¬<lb/>
sang zu ergänzen gesucht. Was aber Byron's eigentlichen Vorzug ausmacht, diese<lb/>
lyrische Energie, in der ihm kaum ein anderer Dichter gleichkommt, diese Gluth<lb/>
der Empfindung, die uns erschüttert, auch wo wir sie nicht theilen können, fehlt<lb/>
bei Lamartine gänzlich. Es ist stets die oberflächlichste Reflexion, die erst unge¬<lb/>
heure Anstrengungen macht, medios zu sein, und dann mit einer scheinheiligen<lb/>
Miene das Kreuz schlägt über die eigne Kühnheit: 0 ekrist, nirräonne-lui! Byron,<lb/>
sagt er, hat seine glänzendsten Seiten durch einen frechen Scepticismus vergiftet,<lb/>
der ebenso verderblich war für die Jngend, die ihn bewundert, als für sein eig¬<lb/>
nes Talent.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1716" next="#ID_1717"> Wir wollen ihn nicht entschuldigen, vielleicht, wenn er länger gelebt hätte<lb/>
u. s. w. Aber er ist nicht mehr, wir wollen einen Schleier darauf werfen u.<lb/>
s. w. &#x2014; Welch gleisuerische Sprache! &#x2014; Als Epiker fühlt Lamartine sich ver¬<lb/>
pflichtet, die Muse anzurufen, aber nicht die objective, griechische des Maaßes<lb/>
und der Schönheit, sondern die christliche, subjective: toi qui u^-rs iwur sejour,<lb/>
near ecuries., loin- iuitols, Pie le «ein tremissimt lies Avnerenx mortels, die<lb/>
man also erst gar nicht anzurufen brauchte. &#x2014; Von dem Byronschen Gott wird<lb/>
gesagt, er sei cet »Ac»t sujn-eme, co I^lui in^storieux, iiiL»I,iI)Je ^rc&gt;b&gt;el»e, als<lb/>
ob der christliche. Gott ein auflösbares Problem wäre! &#x2014; Harold, der sich hier<lb/>
ganz in die Person seines Dichters verwandelt, setzt seine Reise mit den nöthigen<lb/>
Episoden weiter fort, bis er nach Griechenland kommt. Ein alter frommer Ein¬<lb/>
stedler sucht ihn zu bekehren, vergebens. Harold ringt beständig nach einer un¬<lb/>
mittelbaren Offenbarung Gottes, seine Zweifel aufzuklären, denn unser katholischer<lb/>
Freund, der Schüler der Jesuiten, sieht den Contrast immer nur äußerlich, und<lb/>
glaubt, ihn ans eine äußerliche Weise heben zu köunen, während der Widerspruch<lb/>
zwischen dem Weltlauf und den Wünschen des Herzens in der Natur der Sache</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0494] <ÜKsr<zIiant es xiand Lsorvt gsns xonvoii- 1s surprenclrs, vu p^none um vio» sans ^mais Is eomprenclrs, IZt Mit voix «<! Iirisallt colidi'v es oikl et'uirain, s>!>8 mains su I'Iwnnviir et'ilrltsr 1» nieste». Aber eines schönen Morgens rief es-in mir: Ruhm sei dem Ewigen! Hof¬ fentlich wird es auch dir tagen, eul-me deckn ä'une i--rec alpine. Laß den Söh¬ nen der Nacht den Zweifel und den Fluch, Uotre crime est d'vere Knininv et ils vollluir coli»»,tre. I^norer et servil-, c'est I.r loi cle metre 6tre."—Ein eben so faber Trost, als jene Schilderung des britischen Dichters ungenau ist. So scharf Byron die Contraste zwischen der Welt des Wissens und der Welt des Wollens auszumalen versteht, so ist doch sein Standpunkt ein sittlicher; er ver¬ zweifelt zuweilen, obgleich nicht immer, aber auch diese Verzweiflung ist nur ein Ausdruck des sittlichen Glaubens, der sich in die Sinnenwelt nicht zu finden weiß. — Später hat Lamartine den Childe Harold, diese bei allen einzelnen Schön¬ heiten im Ganzen ziemlich langweilige Reisebeschreibung, durch eiuen letzten Ge¬ sang zu ergänzen gesucht. Was aber Byron's eigentlichen Vorzug ausmacht, diese lyrische Energie, in der ihm kaum ein anderer Dichter gleichkommt, diese Gluth der Empfindung, die uns erschüttert, auch wo wir sie nicht theilen können, fehlt bei Lamartine gänzlich. Es ist stets die oberflächlichste Reflexion, die erst unge¬ heure Anstrengungen macht, medios zu sein, und dann mit einer scheinheiligen Miene das Kreuz schlägt über die eigne Kühnheit: 0 ekrist, nirräonne-lui! Byron, sagt er, hat seine glänzendsten Seiten durch einen frechen Scepticismus vergiftet, der ebenso verderblich war für die Jngend, die ihn bewundert, als für sein eig¬ nes Talent. Wir wollen ihn nicht entschuldigen, vielleicht, wenn er länger gelebt hätte u. s. w. Aber er ist nicht mehr, wir wollen einen Schleier darauf werfen u. s. w. — Welch gleisuerische Sprache! — Als Epiker fühlt Lamartine sich ver¬ pflichtet, die Muse anzurufen, aber nicht die objective, griechische des Maaßes und der Schönheit, sondern die christliche, subjective: toi qui u^-rs iwur sejour, near ecuries., loin- iuitols, Pie le «ein tremissimt lies Avnerenx mortels, die man also erst gar nicht anzurufen brauchte. — Von dem Byronschen Gott wird gesagt, er sei cet »Ac»t sujn-eme, co I^lui in^storieux, iiiL»I,iI)Je ^rc>b>el»e, als ob der christliche. Gott ein auflösbares Problem wäre! — Harold, der sich hier ganz in die Person seines Dichters verwandelt, setzt seine Reise mit den nöthigen Episoden weiter fort, bis er nach Griechenland kommt. Ein alter frommer Ein¬ stedler sucht ihn zu bekehren, vergebens. Harold ringt beständig nach einer un¬ mittelbaren Offenbarung Gottes, seine Zweifel aufzuklären, denn unser katholischer Freund, der Schüler der Jesuiten, sieht den Contrast immer nur äußerlich, und glaubt, ihn ans eine äußerliche Weise heben zu köunen, während der Widerspruch zwischen dem Weltlauf und den Wünschen des Herzens in der Natur der Sache

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/494
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/494>, abgerufen am 23.06.2024.