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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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klopfen; denn während es mit der einen Hand die Magyaren sich zu Todfeinden macht,
muß es mit der andern die Südslaven von sich stoßen, welche jetzt mit ihren Brüdern
jenseits der Donau gemeinschaftlich zum weißen Czaren beten. Der böhmische Aufstand
wird, wie einst der serbische, von Se. Petersburg begünstigt, und sollten die Insur¬
genten auch diesmal im Stich gelassen werden, das nächste Mal werden sie es gewiß
nicht. Die russische Hand scheint noch tiefer unten bei einer kleinen Wühlerei von
englischen Gcgenwühlern ertappt worden zu sein, sonst hätte sich Lord Palmerston be¬
sonnen, wegen einer Geldsordcrung den Collcctivzorn der ganzen östreichisch-bairischen
Presse durch die Blockade Griechenlands herauszufordern. Die Blockade ist ein Ge¬
waltstreich gegen den anderi". Rußland verletzt in den Donauprovinzeu die Verträge,
England verletzt gegen das russisch gesinnte Hellas die Billigkeit und das Herkommen.
Aber einen Sinn hat dieser Gewaltschritt. Wenn Titoff einst zu Stratford Canning sagte:
"Was haben wir von euch Engländern zu fürchten? Vuus non" iiine^-en Jo "">, auf
deutsch: Ihr werdet uns in Odessa zwicken, bah, das läßt sich aushalten" -- so will Palmer¬
ston zeigen, daß England im Nothfall noch andere Mittel hat, um den Plänen Rußlands ein
Schach zu bieten. Komisch ist die Rolle, welche die andern Großmächte bei diesem Handel
spielen. Frankreich, das lendenlahme, macht den Achselträger zwischen John Bull und dem
Moskoff. Oestreich läßt seine offiziellen Blätter auf russisches Kommando gegen England
bellen, als wäre sein Beruf im Osten gefährdet, wenn dem Waschbären an der Donau
und am schwarzen MeeC die Klauen ein wenig gestutzt würden. Den Zorn der Großmacht
Baiern können wir begreifen. Unser kleiner Finger hat uns die geheimen Hintergedanken
des Hauses Wittelsbach verrathen. Es geht mit großen Dingen schwanger, und hat sich
nichts weniger vorgenommen, als Griechenland sich zu annexien. Dadurch wird es
eine faktische Großmacht, bringt Deutschland als Mitgift eine fertige Flotte mit, über
deren täglich mächtiger schwellende Segel sämmtliche Lords der englischen Admiralität die
Gelbsucht bekommen haben, wie kann es dann fehlen, daß der Wittelsbacher den Hohenzoller
und den Lothringer aussticht, ein Parlament in die Walhalla beruft, zum Kaiser von
Deutschland ausgerufen wird, und die Wiedervereinigung des occidentalischen mit dem
orientalisch-römischen Reiche anbahnt. Nur so kann ein wahrhaft und genügend großes
Großdeutschland zu Staude kommen, und nur, um zur Verwirklichung dieser Entwürfe
Zeit zu gewinnen, hat Hr. v. der Pfordten einen so windigen Verfassuiigscntwurf sür das
noch viel winzige Siebzigmillioncnreich auf's Papier geworfen. Wir verstehen. Nur sollte in
diesem Falle der Grimm der Augsburger Allgemeinen weniger einseitig donnern. Sie
nennt die Engländer seit einigen Wochen "Seeräuber"; wir hätten Nichts gegen dieses
Compliment, wenn sie den Russen den ihnen mit eben so gutem Recht gebührenden
Titel "Landräuber" oktroyirte; denn auch Nußland steht den Wittelsbach'sehen Absichten
auf das occidentalisch-orientalische Kaiserthum im Wege.

Wäre Lord Palmerston identisch mit England, so käme, aller Wahrscheinlichkeit
nach, die orientalische Frage in diesem Frülijahr zur Entscheidung. Eine Ausgleichung
wird aber für dieses Mal nicht ausbleiben. Machen wir uns indessen keine Täuschung; die
endliche Krisis läßt kein Menschenalter, vielleicht kein Decennium, vielleicht keine zwei
Jahre mehr auf sich warten. Aber auch nach einem Menschenalter wird Deutschland
nicht so weit erstarkt sein, um beim Volkerstreit um die türkische. Erbschaft ein großes
Wort mitsprechen zu können. Ein Stück dieser Erbschaft, welches jetzt ein Scheinleben
für sich führt, kann bei einer solchen Gelegenheit der Versteigerung nicht entgehen; der
griechische Staat ist ein todtgebornes Diplomatenkind, welches nicht bestimmt scheint groß
zu wachsen. Die griechische Frage wird dann lauten: englisch oder russisch? Deutsch¬
land dürfte schwerlich lange im Zweifel sein, welche Antwort seinen politischen und viel¬
leicht auch seinen commerziellen Interessen tröstlicher klingt.

-- Die kurhessische Restauration hat ihre humoristische Seite. Die Nachricht:
Hassenpslug am Staatsruder, traf das Ländchen wie ein Donnerschlag. Aber der ver-


klopfen; denn während es mit der einen Hand die Magyaren sich zu Todfeinden macht,
muß es mit der andern die Südslaven von sich stoßen, welche jetzt mit ihren Brüdern
jenseits der Donau gemeinschaftlich zum weißen Czaren beten. Der böhmische Aufstand
wird, wie einst der serbische, von Se. Petersburg begünstigt, und sollten die Insur¬
genten auch diesmal im Stich gelassen werden, das nächste Mal werden sie es gewiß
nicht. Die russische Hand scheint noch tiefer unten bei einer kleinen Wühlerei von
englischen Gcgenwühlern ertappt worden zu sein, sonst hätte sich Lord Palmerston be¬
sonnen, wegen einer Geldsordcrung den Collcctivzorn der ganzen östreichisch-bairischen
Presse durch die Blockade Griechenlands herauszufordern. Die Blockade ist ein Ge¬
waltstreich gegen den anderi». Rußland verletzt in den Donauprovinzeu die Verträge,
England verletzt gegen das russisch gesinnte Hellas die Billigkeit und das Herkommen.
Aber einen Sinn hat dieser Gewaltschritt. Wenn Titoff einst zu Stratford Canning sagte:
„Was haben wir von euch Engländern zu fürchten? Vuus non» iiine^-en Jo «»>, auf
deutsch: Ihr werdet uns in Odessa zwicken, bah, das läßt sich aushalten" — so will Palmer¬
ston zeigen, daß England im Nothfall noch andere Mittel hat, um den Plänen Rußlands ein
Schach zu bieten. Komisch ist die Rolle, welche die andern Großmächte bei diesem Handel
spielen. Frankreich, das lendenlahme, macht den Achselträger zwischen John Bull und dem
Moskoff. Oestreich läßt seine offiziellen Blätter auf russisches Kommando gegen England
bellen, als wäre sein Beruf im Osten gefährdet, wenn dem Waschbären an der Donau
und am schwarzen MeeC die Klauen ein wenig gestutzt würden. Den Zorn der Großmacht
Baiern können wir begreifen. Unser kleiner Finger hat uns die geheimen Hintergedanken
des Hauses Wittelsbach verrathen. Es geht mit großen Dingen schwanger, und hat sich
nichts weniger vorgenommen, als Griechenland sich zu annexien. Dadurch wird es
eine faktische Großmacht, bringt Deutschland als Mitgift eine fertige Flotte mit, über
deren täglich mächtiger schwellende Segel sämmtliche Lords der englischen Admiralität die
Gelbsucht bekommen haben, wie kann es dann fehlen, daß der Wittelsbacher den Hohenzoller
und den Lothringer aussticht, ein Parlament in die Walhalla beruft, zum Kaiser von
Deutschland ausgerufen wird, und die Wiedervereinigung des occidentalischen mit dem
orientalisch-römischen Reiche anbahnt. Nur so kann ein wahrhaft und genügend großes
Großdeutschland zu Staude kommen, und nur, um zur Verwirklichung dieser Entwürfe
Zeit zu gewinnen, hat Hr. v. der Pfordten einen so windigen Verfassuiigscntwurf sür das
noch viel winzige Siebzigmillioncnreich auf's Papier geworfen. Wir verstehen. Nur sollte in
diesem Falle der Grimm der Augsburger Allgemeinen weniger einseitig donnern. Sie
nennt die Engländer seit einigen Wochen „Seeräuber"; wir hätten Nichts gegen dieses
Compliment, wenn sie den Russen den ihnen mit eben so gutem Recht gebührenden
Titel „Landräuber" oktroyirte; denn auch Nußland steht den Wittelsbach'sehen Absichten
auf das occidentalisch-orientalische Kaiserthum im Wege.

Wäre Lord Palmerston identisch mit England, so käme, aller Wahrscheinlichkeit
nach, die orientalische Frage in diesem Frülijahr zur Entscheidung. Eine Ausgleichung
wird aber für dieses Mal nicht ausbleiben. Machen wir uns indessen keine Täuschung; die
endliche Krisis läßt kein Menschenalter, vielleicht kein Decennium, vielleicht keine zwei
Jahre mehr auf sich warten. Aber auch nach einem Menschenalter wird Deutschland
nicht so weit erstarkt sein, um beim Volkerstreit um die türkische. Erbschaft ein großes
Wort mitsprechen zu können. Ein Stück dieser Erbschaft, welches jetzt ein Scheinleben
für sich führt, kann bei einer solchen Gelegenheit der Versteigerung nicht entgehen; der
griechische Staat ist ein todtgebornes Diplomatenkind, welches nicht bestimmt scheint groß
zu wachsen. Die griechische Frage wird dann lauten: englisch oder russisch? Deutsch¬
land dürfte schwerlich lange im Zweifel sein, welche Antwort seinen politischen und viel¬
leicht auch seinen commerziellen Interessen tröstlicher klingt.

— Die kurhessische Restauration hat ihre humoristische Seite. Die Nachricht:
Hassenpslug am Staatsruder, traf das Ländchen wie ein Donnerschlag. Aber der ver-


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[0487] klopfen; denn während es mit der einen Hand die Magyaren sich zu Todfeinden macht, muß es mit der andern die Südslaven von sich stoßen, welche jetzt mit ihren Brüdern jenseits der Donau gemeinschaftlich zum weißen Czaren beten. Der böhmische Aufstand wird, wie einst der serbische, von Se. Petersburg begünstigt, und sollten die Insur¬ genten auch diesmal im Stich gelassen werden, das nächste Mal werden sie es gewiß nicht. Die russische Hand scheint noch tiefer unten bei einer kleinen Wühlerei von englischen Gcgenwühlern ertappt worden zu sein, sonst hätte sich Lord Palmerston be¬ sonnen, wegen einer Geldsordcrung den Collcctivzorn der ganzen östreichisch-bairischen Presse durch die Blockade Griechenlands herauszufordern. Die Blockade ist ein Ge¬ waltstreich gegen den anderi». Rußland verletzt in den Donauprovinzeu die Verträge, England verletzt gegen das russisch gesinnte Hellas die Billigkeit und das Herkommen. Aber einen Sinn hat dieser Gewaltschritt. Wenn Titoff einst zu Stratford Canning sagte: „Was haben wir von euch Engländern zu fürchten? Vuus non» iiine^-en Jo «»>, auf deutsch: Ihr werdet uns in Odessa zwicken, bah, das läßt sich aushalten" — so will Palmer¬ ston zeigen, daß England im Nothfall noch andere Mittel hat, um den Plänen Rußlands ein Schach zu bieten. Komisch ist die Rolle, welche die andern Großmächte bei diesem Handel spielen. Frankreich, das lendenlahme, macht den Achselträger zwischen John Bull und dem Moskoff. Oestreich läßt seine offiziellen Blätter auf russisches Kommando gegen England bellen, als wäre sein Beruf im Osten gefährdet, wenn dem Waschbären an der Donau und am schwarzen MeeC die Klauen ein wenig gestutzt würden. Den Zorn der Großmacht Baiern können wir begreifen. Unser kleiner Finger hat uns die geheimen Hintergedanken des Hauses Wittelsbach verrathen. Es geht mit großen Dingen schwanger, und hat sich nichts weniger vorgenommen, als Griechenland sich zu annexien. Dadurch wird es eine faktische Großmacht, bringt Deutschland als Mitgift eine fertige Flotte mit, über deren täglich mächtiger schwellende Segel sämmtliche Lords der englischen Admiralität die Gelbsucht bekommen haben, wie kann es dann fehlen, daß der Wittelsbacher den Hohenzoller und den Lothringer aussticht, ein Parlament in die Walhalla beruft, zum Kaiser von Deutschland ausgerufen wird, und die Wiedervereinigung des occidentalischen mit dem orientalisch-römischen Reiche anbahnt. Nur so kann ein wahrhaft und genügend großes Großdeutschland zu Staude kommen, und nur, um zur Verwirklichung dieser Entwürfe Zeit zu gewinnen, hat Hr. v. der Pfordten einen so windigen Verfassuiigscntwurf sür das noch viel winzige Siebzigmillioncnreich auf's Papier geworfen. Wir verstehen. Nur sollte in diesem Falle der Grimm der Augsburger Allgemeinen weniger einseitig donnern. Sie nennt die Engländer seit einigen Wochen „Seeräuber"; wir hätten Nichts gegen dieses Compliment, wenn sie den Russen den ihnen mit eben so gutem Recht gebührenden Titel „Landräuber" oktroyirte; denn auch Nußland steht den Wittelsbach'sehen Absichten auf das occidentalisch-orientalische Kaiserthum im Wege. Wäre Lord Palmerston identisch mit England, so käme, aller Wahrscheinlichkeit nach, die orientalische Frage in diesem Frülijahr zur Entscheidung. Eine Ausgleichung wird aber für dieses Mal nicht ausbleiben. Machen wir uns indessen keine Täuschung; die endliche Krisis läßt kein Menschenalter, vielleicht kein Decennium, vielleicht keine zwei Jahre mehr auf sich warten. Aber auch nach einem Menschenalter wird Deutschland nicht so weit erstarkt sein, um beim Volkerstreit um die türkische. Erbschaft ein großes Wort mitsprechen zu können. Ein Stück dieser Erbschaft, welches jetzt ein Scheinleben für sich führt, kann bei einer solchen Gelegenheit der Versteigerung nicht entgehen; der griechische Staat ist ein todtgebornes Diplomatenkind, welches nicht bestimmt scheint groß zu wachsen. Die griechische Frage wird dann lauten: englisch oder russisch? Deutsch¬ land dürfte schwerlich lange im Zweifel sein, welche Antwort seinen politischen und viel¬ leicht auch seinen commerziellen Interessen tröstlicher klingt. — Die kurhessische Restauration hat ihre humoristische Seite. Die Nachricht: Hassenpslug am Staatsruder, traf das Ländchen wie ein Donnerschlag. Aber der ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/487>, abgerufen am 23.06.2024.