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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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einen blindem und unversöhnlichem Haß gegen den Namen: Schriftsteller haben, als
ein gutgesinnter östreichischer Offizier. In dieser Beziehung ist unser Militär vom
reinsten polizeilichen Geist beseelt. Hau! ist serner mit den Waffen in der Hand ge¬
fangen, das Kriegsrecht kann daher sein Blut fordern, aber daß er nicht begnadigt
wird wie so viele Andere, erklärt das Kriegsgericht, indem es ihn des "Hochverraths
unter den erschwerendsten Umständen" schuldig erkennt. Dies Motiv reicht aus, um
die Zusage des Kaisers zu Schanden zu machen. Hochverräther unter erschwerenden
Umständen sind gewissermaßen keine politischen Verbrecher, sagt die Logik des östreichi¬
schen Militärs. Und welches sind die erschwerenden Umstände? Haut hat nicht blos
gefochten, sondern, wie es scheint, tapfer gefochten, nämlich an der Sophienbrücke und
in der Jägerzcile in Wien; die einzigen Punkte, wo es heiß herging. Noch mehr
spricht dafür, daß ihn General Bem, der bekanntlich nicht gerne Memmen neben sich
sah, zu seinem Adjutanten in Siebenbürgen machte. Nun denn, in Gottes Namen,
der Gefangene war ein so gefährlicher Gegner Oestreichs, daß die Rücksicht für die
Sicherheit des Staats seinen Tod verlangte. Aber erwarten ließe sich doch, daß der
Soldat die Tapferkeit selbst am Todfeinde ehren und ihm wenigstens das Ende eines
Kriegers gönnen wird. Auch darin täuschen wir uns. Haynau, der Ritterliche, be¬
stätigt das Urtheil, welches auf den Strang lautet, und die gute Presse meldet mit
Triumph: "wurde sofort gehängt!" --

Der Fall macht hier sehr böses Blut, denu er wird als ein Anachronismus ange¬
sehen, der andere Anachronismen in größerem Maßstabe erwarten läßt. Hoffentlich täuscht
mau sich, und der Haut'sche Ausnahmssall bedeutet vielleicht weiter Nichts, als daß
Haynau wieder einmal guter Laune war. Peinlich aber ist es für den "Ausländer"
zu hören, wie der Volkshaß gegen den gefürchteten Feldherrn hier und in Ungarn sich
Luft macht. "Haynau ist kein Oestreicher, sondern ein ausländischer Prinz," sagen
die Leute; "kein östreichischer General hätte das Herz, so mit den Menschen zu ver¬
fahren. Von dem biedern Schlick gar nicht zu reden, aber weder Radetzky, uoch Win-
dischgrätz, noch der Kroate Jellachich ist jemals so grausam gewesen wie die Hammer¬
stein und Haynau, wie diese Deutschen, die für Geld und Orden dienen."

Die deutsche Sprache in Galizien. Die Behauptung, daß die G'crmanisiruuq in
Galizien unter östreichischer Herrschaft außerordentlich fortgeschritten sei, daß deutsche
Sitte sogar schon in die Häuser und Gesellschaften der polnischen Ureinwohner gebracht
worden sei, ist eine arge Unwahrheit. Leider läßt sich gerade das Gegentheil behaup¬
ten. Nicht die Polen nahmen von den Deutschen, wohl aber nahmen die eingewanderten
Deutschen von den Polen Sitten und Gebräuche, löbliche und tadelnswerthe, sehr
schnell und begierig an. Bei dem Beamtenstande in Galizien, der sich aus natürlichen
Gründen immer compact als scharfgetrennte Masse hält, ist dies allerdings nicht der
Fall; desto mehr aber bei den deutschen freien Bürgern der Städte und den Ansied¬
lern auf dem Lande. Der Deutsche aus diesen Klassen, welcher sich zehn Jahre lang
in Galizien aufgehalten hat, ist gewiß schon ein halber Pole, und seine hier gebornen
Kinder sind stets so ächte Polen, daß man sie mit Erstaunen weit fanatischer für die
polnischen Staatsideale schwärmen hört als die alten Söhne der alten Familien des
Landes. So z. B. war die Menge der deutschen Namen in den Listen des Nevolu-
tionsheeres von 1830 erstaunlich groß. Man hört diese in Polen und Galizien ge¬
borenen Deutschen in der Regel ihre deutsche Abkunft mit einer wahren Erbitterung
verleugnen und mit Eifer darnach trachten, für echte Polen zu gelten. Diese morali¬
sche Vatcrlandsverrätherei empört, aber sie ist wahr und liegt ohne Frage im deutschen
Sinn und Gefühl. Es ist fast ekelhaft, in jenen Ländern die Deutschen, welche selbst,
kaum ein paar Worte von der fremden Sprache verstehen, sich stets polnisch begrüßen
zu hören, und zu vernehmen, wie sie jedes polnische Wort, welches ihnen im Gedacht-


einen blindem und unversöhnlichem Haß gegen den Namen: Schriftsteller haben, als
ein gutgesinnter östreichischer Offizier. In dieser Beziehung ist unser Militär vom
reinsten polizeilichen Geist beseelt. Hau! ist serner mit den Waffen in der Hand ge¬
fangen, das Kriegsrecht kann daher sein Blut fordern, aber daß er nicht begnadigt
wird wie so viele Andere, erklärt das Kriegsgericht, indem es ihn des „Hochverraths
unter den erschwerendsten Umständen" schuldig erkennt. Dies Motiv reicht aus, um
die Zusage des Kaisers zu Schanden zu machen. Hochverräther unter erschwerenden
Umständen sind gewissermaßen keine politischen Verbrecher, sagt die Logik des östreichi¬
schen Militärs. Und welches sind die erschwerenden Umstände? Haut hat nicht blos
gefochten, sondern, wie es scheint, tapfer gefochten, nämlich an der Sophienbrücke und
in der Jägerzcile in Wien; die einzigen Punkte, wo es heiß herging. Noch mehr
spricht dafür, daß ihn General Bem, der bekanntlich nicht gerne Memmen neben sich
sah, zu seinem Adjutanten in Siebenbürgen machte. Nun denn, in Gottes Namen,
der Gefangene war ein so gefährlicher Gegner Oestreichs, daß die Rücksicht für die
Sicherheit des Staats seinen Tod verlangte. Aber erwarten ließe sich doch, daß der
Soldat die Tapferkeit selbst am Todfeinde ehren und ihm wenigstens das Ende eines
Kriegers gönnen wird. Auch darin täuschen wir uns. Haynau, der Ritterliche, be¬
stätigt das Urtheil, welches auf den Strang lautet, und die gute Presse meldet mit
Triumph: „wurde sofort gehängt!" —

Der Fall macht hier sehr böses Blut, denu er wird als ein Anachronismus ange¬
sehen, der andere Anachronismen in größerem Maßstabe erwarten läßt. Hoffentlich täuscht
mau sich, und der Haut'sche Ausnahmssall bedeutet vielleicht weiter Nichts, als daß
Haynau wieder einmal guter Laune war. Peinlich aber ist es für den „Ausländer"
zu hören, wie der Volkshaß gegen den gefürchteten Feldherrn hier und in Ungarn sich
Luft macht. „Haynau ist kein Oestreicher, sondern ein ausländischer Prinz," sagen
die Leute; „kein östreichischer General hätte das Herz, so mit den Menschen zu ver¬
fahren. Von dem biedern Schlick gar nicht zu reden, aber weder Radetzky, uoch Win-
dischgrätz, noch der Kroate Jellachich ist jemals so grausam gewesen wie die Hammer¬
stein und Haynau, wie diese Deutschen, die für Geld und Orden dienen."

Die deutsche Sprache in Galizien. Die Behauptung, daß die G'crmanisiruuq in
Galizien unter östreichischer Herrschaft außerordentlich fortgeschritten sei, daß deutsche
Sitte sogar schon in die Häuser und Gesellschaften der polnischen Ureinwohner gebracht
worden sei, ist eine arge Unwahrheit. Leider läßt sich gerade das Gegentheil behaup¬
ten. Nicht die Polen nahmen von den Deutschen, wohl aber nahmen die eingewanderten
Deutschen von den Polen Sitten und Gebräuche, löbliche und tadelnswerthe, sehr
schnell und begierig an. Bei dem Beamtenstande in Galizien, der sich aus natürlichen
Gründen immer compact als scharfgetrennte Masse hält, ist dies allerdings nicht der
Fall; desto mehr aber bei den deutschen freien Bürgern der Städte und den Ansied¬
lern auf dem Lande. Der Deutsche aus diesen Klassen, welcher sich zehn Jahre lang
in Galizien aufgehalten hat, ist gewiß schon ein halber Pole, und seine hier gebornen
Kinder sind stets so ächte Polen, daß man sie mit Erstaunen weit fanatischer für die
polnischen Staatsideale schwärmen hört als die alten Söhne der alten Familien des
Landes. So z. B. war die Menge der deutschen Namen in den Listen des Nevolu-
tionsheeres von 1830 erstaunlich groß. Man hört diese in Polen und Galizien ge¬
borenen Deutschen in der Regel ihre deutsche Abkunft mit einer wahren Erbitterung
verleugnen und mit Eifer darnach trachten, für echte Polen zu gelten. Diese morali¬
sche Vatcrlandsverrätherei empört, aber sie ist wahr und liegt ohne Frage im deutschen
Sinn und Gefühl. Es ist fast ekelhaft, in jenen Ländern die Deutschen, welche selbst,
kaum ein paar Worte von der fremden Sprache verstehen, sich stets polnisch begrüßen
zu hören, und zu vernehmen, wie sie jedes polnische Wort, welches ihnen im Gedacht-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/482>, abgerufen am 23.06.2024.