Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.Wir Alle wünschen das, denn Wahrheit ist uns lieber, als gleißende Lüge, Hat man den Muth nicht constitutionell zu sein, so habe man doch wenigstens Ein Ministerium, das die Presse fürchtet, trotz der gesetzlichen Fesseln, die es Ein Erlaß des commandirenden Generals von Ungarn. Daß Baron Haynau mit der öffentlicher Meinung Mokettiren sollte, er, der so Das Factum hat uns unangenehm überrascht. Es hat uns abermals eines "Nachdem allgemein bekannt ist," sagt der Erlaß, "daß die ungarischen Auf¬ Wir Alle wünschen das, denn Wahrheit ist uns lieber, als gleißende Lüge, Hat man den Muth nicht constitutionell zu sein, so habe man doch wenigstens Ein Ministerium, das die Presse fürchtet, trotz der gesetzlichen Fesseln, die es Ein Erlaß des commandirenden Generals von Ungarn. Daß Baron Haynau mit der öffentlicher Meinung Mokettiren sollte, er, der so Das Factum hat uns unangenehm überrascht. Es hat uns abermals eines „Nachdem allgemein bekannt ist," sagt der Erlaß, „daß die ungarischen Auf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0478" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93301"/> <p xml:id="ID_1662"> Wir Alle wünschen das, denn Wahrheit ist uns lieber, als gleißende Lüge,<lb/> wir wollen Wahrheit, sei sie noch so bitter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1663"> Hat man den Muth nicht constitutionell zu sein, so habe man doch wenigstens<lb/> den Muth offen absolutistisch zu sein; wir wollen uns lieber vor dem Des¬<lb/> potismus beugen, als vor dem politischen Jesuitismus, jenen werden wir hassen,<lb/> diesen aber müssen wir verachten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1664"> Ein Ministerium, das die Presse fürchtet, trotz der gesetzlichen Fesseln, die es<lb/> dieser selber dekretirt, und doch nicht den Muth hat die Censur zu dekretiren, ein<lb/> Ministerium, das Alles gethan zu haben glaubt, wenn es den Verrath blos jesui¬<lb/> tisch verleugnet, kann nicht existiren, muß verachtet werden; der offene Räuber ist<lb/> jedenfalls respektabler als der gemeine Dieb.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Ein Erlaß des commandirenden Generals von Ungarn.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1665"> Daß Baron Haynau mit der öffentlicher Meinung Mokettiren sollte, er, der so<lb/> sehr das Urtheil der Geschöpfe vom Civil verachtet, klingt mährchenhaft. Aber<lb/> es steht im offiziellen Theil der „Pesther Zeitung." Vor dieser Autorität muß<lb/> auch der ärgste Skeptiker das Knie in ehrfurchtsvoller Gläubigkeit beugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1666"> Das Factum hat uns unangenehm überrascht. Es hat uns abermals eines<lb/> Ideals beraubt, eine unserer Illusionen zerstört. Wir verehrten bisher den gnä¬<lb/> digen Herrn von Ungarn als einen unabhängigen Charakter unserer Zeit, als<lb/> einen Mann, der über die kleinlichen Schwächen anderer Ervenkinder erhaben ist,<lb/> der sein großes Ziel beharrlich verfolgt, unbekümmert um das Urtheil der blinden<lb/> Mitwelt und der uoch nicht vorhandenen Nachwelt, unbeirrt vou dem Haß und<lb/> dem Fluch des „Pöbels" und der Galgenvögel, der Zeitungsschreiber. Und jetzt<lb/> — jetzt fällt er anbetend vor diesem Götzen des Tages nieder, vor der öffentlichen<lb/> Meinung. Vom Obercommandv des 3. Armeecorps.</p><lb/> <p xml:id="ID_1667"> „Nachdem allgemein bekannt ist," sagt der Erlaß, „daß die ungarischen Auf¬<lb/> wiegler, namentlich die ins Ausland geflüchteten Häuptlinge der Revolution, sich<lb/> die Aufgabe gestellt haben, das gerichtliche Verfahren Oestreichs gegen die Revo¬<lb/> lutionäre mit den grellsten Farben barbarischer Streuge (sie!) zu schildern, das<lb/> ihrige hingegen als höchst schonend darzustellen, — so liegt es unzweifelhaft im<lb/> Interesse der östreichischen Regierung, gegen diese schnöden Lügen mit widerlegen¬<lb/> den Thatsachen hervorzutreten und jene unzähligen Opfer, welche unter dem Hen¬<lb/> kerbeil des ungarischen Terrorismus verblutet sind, Zahl und Namen nach dem<lb/> Publikum vorzuführen n. s. w.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0478]
Wir Alle wünschen das, denn Wahrheit ist uns lieber, als gleißende Lüge,
wir wollen Wahrheit, sei sie noch so bitter.
Hat man den Muth nicht constitutionell zu sein, so habe man doch wenigstens
den Muth offen absolutistisch zu sein; wir wollen uns lieber vor dem Des¬
potismus beugen, als vor dem politischen Jesuitismus, jenen werden wir hassen,
diesen aber müssen wir verachten.
Ein Ministerium, das die Presse fürchtet, trotz der gesetzlichen Fesseln, die es
dieser selber dekretirt, und doch nicht den Muth hat die Censur zu dekretiren, ein
Ministerium, das Alles gethan zu haben glaubt, wenn es den Verrath blos jesui¬
tisch verleugnet, kann nicht existiren, muß verachtet werden; der offene Räuber ist
jedenfalls respektabler als der gemeine Dieb.
Ein Erlaß des commandirenden Generals von Ungarn.
Daß Baron Haynau mit der öffentlicher Meinung Mokettiren sollte, er, der so
sehr das Urtheil der Geschöpfe vom Civil verachtet, klingt mährchenhaft. Aber
es steht im offiziellen Theil der „Pesther Zeitung." Vor dieser Autorität muß
auch der ärgste Skeptiker das Knie in ehrfurchtsvoller Gläubigkeit beugen.
Das Factum hat uns unangenehm überrascht. Es hat uns abermals eines
Ideals beraubt, eine unserer Illusionen zerstört. Wir verehrten bisher den gnä¬
digen Herrn von Ungarn als einen unabhängigen Charakter unserer Zeit, als
einen Mann, der über die kleinlichen Schwächen anderer Ervenkinder erhaben ist,
der sein großes Ziel beharrlich verfolgt, unbekümmert um das Urtheil der blinden
Mitwelt und der uoch nicht vorhandenen Nachwelt, unbeirrt vou dem Haß und
dem Fluch des „Pöbels" und der Galgenvögel, der Zeitungsschreiber. Und jetzt
— jetzt fällt er anbetend vor diesem Götzen des Tages nieder, vor der öffentlichen
Meinung. Vom Obercommandv des 3. Armeecorps.
„Nachdem allgemein bekannt ist," sagt der Erlaß, „daß die ungarischen Auf¬
wiegler, namentlich die ins Ausland geflüchteten Häuptlinge der Revolution, sich
die Aufgabe gestellt haben, das gerichtliche Verfahren Oestreichs gegen die Revo¬
lutionäre mit den grellsten Farben barbarischer Streuge (sie!) zu schildern, das
ihrige hingegen als höchst schonend darzustellen, — so liegt es unzweifelhaft im
Interesse der östreichischen Regierung, gegen diese schnöden Lügen mit widerlegen¬
den Thatsachen hervorzutreten und jene unzähligen Opfer, welche unter dem Hen¬
kerbeil des ungarischen Terrorismus verblutet sind, Zahl und Namen nach dem
Publikum vorzuführen n. s. w.
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