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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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reichs Bevölkerung nicht aus, Pudel gibt es überall, diese wedeln immer
dem, der eben die Peitsche in der Hand hat, und eine Personalstatistik jener
Pudelpartei würde im Vergleiche mit den Antecedentien ihrer Mitglieder die er¬
baulichsten Resultate liefern. Jedem einzelnen dieser Pudel kann bei Thaler und
Pfennig nachgewiesen werden, wie viel ihm das Wedeln einträgt, oder einzutragen
verspricht. Die Verfassungen der Kronländer, so weit sie vorliegen, find offenbar nur
Gemeindeordnungen, und schließen durch deu enggezogenen Wir¬
kungskreis der Landtage eine politische Bewegung vollkommen aus.

Allerdings kann ein irgend gewandter Redner jede Debatte, handle es sich
immerhin nur um Landcskassen, Vorspannsleistnng, oder Schuldotationen, auf
politische Prinzipienfragen zurückführen, die Regierung hat aber solchen Digrefsto-
nen sehr weise dadurch vorgebaut, daß sie in den Landesverfassungen die Unan¬
tastbarkeit und Unverletzlichkeit der Landtagsabgeordneten keineswegs garantirte,
während diese in der Reichsverfassung den Reichstagsabgeordneten zukömmt.

Der Landtagsabgeordnete hat also die augenehme Aussicht, jedes sein" Worte
auf die Wagschale der Inquisition gelegt zu sehen, und es kann ihm passiren,
daß ihn die Gensd'armerie von der Tribüne reißt, und dem in Oestreich ohne¬
hin permanenten Standrechte überliefert.

Ohne Zweifel sollen die Landtage gleichzeitig als Mausefallen benützt werde",
um die wenigen fest liberalen Persönlichkeiten, welche trotz erhöhtem Census, trotz
der öffentlichen Stimmgebnng dennoch aus der Wahlurne hervorgehen sollten, darin
zu fangen, sie sofort durch eine zwangsrechtliche Untersuchung schlecht und für den
Reichstag uuwählbar zu machen. Vortrefflicher Marinelliü Ich bin überzeugt,
die ehrlichen, liberalen Männer Oestreichs werden nicht in die Falle gehen, wer¬
den keine Wahl zum Landtage annehmen, in welchem sie nur die Wahl hätten
zwischen niederträchtigen Servilismus oder Kerker.

Zugleich werden in dieser Falle die Wahlen für das Oberhaus ganz scanda-
lös ausfallen, doch das wird wenig zu bedeuten haben, die Oberhäuser sind von
Gottes Gnaden ohnehin nirr des Scandales wegen da.
'

Erwäge ich all den Jammer zumal, so komme ich auf das Resultat, daß der
vollständige Absolutismus, vollständiger als 1847, über Oestreich die eisernen
Fäuste ballt, und man nur den Muth nicht hat das offen auszusprechen und
die constitutionelle Larve abzmverfen, und das erkläre ich geradezu für perfide
Feigheit.

Entweder hat das Ministerium nicht den Muth sein eigenes Werk durchzu¬
führen, seinen eigenen Gesetzen über Presse und Vereine Geltung zu geben, oder
es darf diesen Muth uicht haben, weil Oestreichs Kaiser vor der Hand
nnr Soldat ist. In beiden Fällen ist es Pflicht des Ministeriums und sei¬
ner Ehre abzutreten, und dem Soldaten die Bildung eines Ministeriums zu
überlassen.


reichs Bevölkerung nicht aus, Pudel gibt es überall, diese wedeln immer
dem, der eben die Peitsche in der Hand hat, und eine Personalstatistik jener
Pudelpartei würde im Vergleiche mit den Antecedentien ihrer Mitglieder die er¬
baulichsten Resultate liefern. Jedem einzelnen dieser Pudel kann bei Thaler und
Pfennig nachgewiesen werden, wie viel ihm das Wedeln einträgt, oder einzutragen
verspricht. Die Verfassungen der Kronländer, so weit sie vorliegen, find offenbar nur
Gemeindeordnungen, und schließen durch deu enggezogenen Wir¬
kungskreis der Landtage eine politische Bewegung vollkommen aus.

Allerdings kann ein irgend gewandter Redner jede Debatte, handle es sich
immerhin nur um Landcskassen, Vorspannsleistnng, oder Schuldotationen, auf
politische Prinzipienfragen zurückführen, die Regierung hat aber solchen Digrefsto-
nen sehr weise dadurch vorgebaut, daß sie in den Landesverfassungen die Unan¬
tastbarkeit und Unverletzlichkeit der Landtagsabgeordneten keineswegs garantirte,
während diese in der Reichsverfassung den Reichstagsabgeordneten zukömmt.

Der Landtagsabgeordnete hat also die augenehme Aussicht, jedes sein« Worte
auf die Wagschale der Inquisition gelegt zu sehen, und es kann ihm passiren,
daß ihn die Gensd'armerie von der Tribüne reißt, und dem in Oestreich ohne¬
hin permanenten Standrechte überliefert.

Ohne Zweifel sollen die Landtage gleichzeitig als Mausefallen benützt werde»,
um die wenigen fest liberalen Persönlichkeiten, welche trotz erhöhtem Census, trotz
der öffentlichen Stimmgebnng dennoch aus der Wahlurne hervorgehen sollten, darin
zu fangen, sie sofort durch eine zwangsrechtliche Untersuchung schlecht und für den
Reichstag uuwählbar zu machen. Vortrefflicher Marinelliü Ich bin überzeugt,
die ehrlichen, liberalen Männer Oestreichs werden nicht in die Falle gehen, wer¬
den keine Wahl zum Landtage annehmen, in welchem sie nur die Wahl hätten
zwischen niederträchtigen Servilismus oder Kerker.

Zugleich werden in dieser Falle die Wahlen für das Oberhaus ganz scanda-
lös ausfallen, doch das wird wenig zu bedeuten haben, die Oberhäuser sind von
Gottes Gnaden ohnehin nirr des Scandales wegen da.
'

Erwäge ich all den Jammer zumal, so komme ich auf das Resultat, daß der
vollständige Absolutismus, vollständiger als 1847, über Oestreich die eisernen
Fäuste ballt, und man nur den Muth nicht hat das offen auszusprechen und
die constitutionelle Larve abzmverfen, und das erkläre ich geradezu für perfide
Feigheit.

Entweder hat das Ministerium nicht den Muth sein eigenes Werk durchzu¬
führen, seinen eigenen Gesetzen über Presse und Vereine Geltung zu geben, oder
es darf diesen Muth uicht haben, weil Oestreichs Kaiser vor der Hand
nnr Soldat ist. In beiden Fällen ist es Pflicht des Ministeriums und sei¬
ner Ehre abzutreten, und dem Soldaten die Bildung eines Ministeriums zu
überlassen.


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[0477] reichs Bevölkerung nicht aus, Pudel gibt es überall, diese wedeln immer dem, der eben die Peitsche in der Hand hat, und eine Personalstatistik jener Pudelpartei würde im Vergleiche mit den Antecedentien ihrer Mitglieder die er¬ baulichsten Resultate liefern. Jedem einzelnen dieser Pudel kann bei Thaler und Pfennig nachgewiesen werden, wie viel ihm das Wedeln einträgt, oder einzutragen verspricht. Die Verfassungen der Kronländer, so weit sie vorliegen, find offenbar nur Gemeindeordnungen, und schließen durch deu enggezogenen Wir¬ kungskreis der Landtage eine politische Bewegung vollkommen aus. Allerdings kann ein irgend gewandter Redner jede Debatte, handle es sich immerhin nur um Landcskassen, Vorspannsleistnng, oder Schuldotationen, auf politische Prinzipienfragen zurückführen, die Regierung hat aber solchen Digrefsto- nen sehr weise dadurch vorgebaut, daß sie in den Landesverfassungen die Unan¬ tastbarkeit und Unverletzlichkeit der Landtagsabgeordneten keineswegs garantirte, während diese in der Reichsverfassung den Reichstagsabgeordneten zukömmt. Der Landtagsabgeordnete hat also die augenehme Aussicht, jedes sein« Worte auf die Wagschale der Inquisition gelegt zu sehen, und es kann ihm passiren, daß ihn die Gensd'armerie von der Tribüne reißt, und dem in Oestreich ohne¬ hin permanenten Standrechte überliefert. Ohne Zweifel sollen die Landtage gleichzeitig als Mausefallen benützt werde», um die wenigen fest liberalen Persönlichkeiten, welche trotz erhöhtem Census, trotz der öffentlichen Stimmgebnng dennoch aus der Wahlurne hervorgehen sollten, darin zu fangen, sie sofort durch eine zwangsrechtliche Untersuchung schlecht und für den Reichstag uuwählbar zu machen. Vortrefflicher Marinelliü Ich bin überzeugt, die ehrlichen, liberalen Männer Oestreichs werden nicht in die Falle gehen, wer¬ den keine Wahl zum Landtage annehmen, in welchem sie nur die Wahl hätten zwischen niederträchtigen Servilismus oder Kerker. Zugleich werden in dieser Falle die Wahlen für das Oberhaus ganz scanda- lös ausfallen, doch das wird wenig zu bedeuten haben, die Oberhäuser sind von Gottes Gnaden ohnehin nirr des Scandales wegen da. ' Erwäge ich all den Jammer zumal, so komme ich auf das Resultat, daß der vollständige Absolutismus, vollständiger als 1847, über Oestreich die eisernen Fäuste ballt, und man nur den Muth nicht hat das offen auszusprechen und die constitutionelle Larve abzmverfen, und das erkläre ich geradezu für perfide Feigheit. Entweder hat das Ministerium nicht den Muth sein eigenes Werk durchzu¬ führen, seinen eigenen Gesetzen über Presse und Vereine Geltung zu geben, oder es darf diesen Muth uicht haben, weil Oestreichs Kaiser vor der Hand nnr Soldat ist. In beiden Fällen ist es Pflicht des Ministeriums und sei¬ ner Ehre abzutreten, und dem Soldaten die Bildung eines Ministeriums zu überlassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/477>, abgerufen am 23.06.2024.