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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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der Privaten, und Reiche wie Arme halten sich für jeden Fall einige Barschaft
versteckt. -

Es bedarf nicht erst des Mißtrauens in die Regierung und in die Militär¬
herrschaft, um die Furcht einer Geldkrisis zu steigern; wer rechnen kann, hat bald
die Ziffern zur Stelle, welche der Finanzminister so gern verheimlicht. Neun Mo¬
nate werden es, seitdem der letzte Ausweis über das Budget gelegt wurde, und
weder das Deficit des vergangenen Verwaltnngsjahres, noch der Voranschlag des
laufenden sind bekannt gegeben. Man sieht keinen Zwanziger im Umlauf, hinge¬
gen mehren sich die mit Zwangscours versehenen Papierzeichen in maßloser Weise.
Von Tag zu Tag steigt das Mißtrauen, und das eher einem Makler als einem
Staatsminister anpassende Operiren zeigt die ärgsten Blößen.

So weit ist es gekommen, daß der Finanzminister Baron Kraus bei dem
Banquierhanse Heine in Hamburg Mctalliqnes in Versatz gegeben haben soll,
um durch Trasfiren darauf dem Steigen des Silberagio entgegenarbeiten zu kön¬
nen. Die Häuser Rothschild und Sina verkauften große Summen auf London
und deutsche Plätze im Austrage des Ministers, aber wie durch ein löcheriges
Sieb fielen die Millionen, und der Cours steht schlechter als vorher.

Nicht ohne Grund vermuthet man, daß in Holland ein ähnlicher Versatz ver¬
sucht wird!

Wir werden in spätern Uebersichten auf diese und ähnliche Manipulationen
zurückkommen; es ist Quacksalberei und Kurpfuscherei. Nur ein Conflux von
besonders günstigen Umständen konnte eine Erleichterung in die östreichischen Geld¬
verhältnisse bringe"; der jetzige Minister wird das Uebel nicht heilen. Wir ver¬
weisen auf eine in Frankfurt anonym erschienene Brochüre über die östreichische
Nationalbank, deren Verfasser, Baron Stisst sen., aus dem Staatsdienste trat,
weil er als Unterstaatssecretär im Bureau der Finanzen sich nicht mit den Ansich¬
ten und Projecten des Ministers verständigen konnte. Er schreibt:

"Die executive Gewalt war es, die durch das Medium der Bank von der
Nation selbst Opfer forderte.

"Die Bank war hierdurch in ihrem Berufe: als Regulator und Wächter der
Geldcirculation zu fungiren, gestürzt. Durch die Verpflichtung, das Staatspa¬
piergeld gleich ihren eigenen Noten anzunehmen, wurde sie in ihren Grundfesten
erschüttert, in ihrem innern Bestände entkräftet.

"Die Einzahlungsbestimmnngen des neuen Anleihens (nämlich die Annahme
der Staatsnoten) stellten eine neue Forderung der Bank an den Staat in einer
andern Form. -- Somit bleibt das künftige Schicksal der Bank in der Schwebe,
ihre Beziehungen zur Staatsgewalt haben sich wenig verändert, ihr Umlauf hat
sich unbedeutend vermindert, ihr Münzschatz unbedeutend vermehrt. -- Bis zu ih¬
rer Reform ist sie n i es t in der Lage, auf vermehrtes Vertrauen Anspruch manchen


der Privaten, und Reiche wie Arme halten sich für jeden Fall einige Barschaft
versteckt. -

Es bedarf nicht erst des Mißtrauens in die Regierung und in die Militär¬
herrschaft, um die Furcht einer Geldkrisis zu steigern; wer rechnen kann, hat bald
die Ziffern zur Stelle, welche der Finanzminister so gern verheimlicht. Neun Mo¬
nate werden es, seitdem der letzte Ausweis über das Budget gelegt wurde, und
weder das Deficit des vergangenen Verwaltnngsjahres, noch der Voranschlag des
laufenden sind bekannt gegeben. Man sieht keinen Zwanziger im Umlauf, hinge¬
gen mehren sich die mit Zwangscours versehenen Papierzeichen in maßloser Weise.
Von Tag zu Tag steigt das Mißtrauen, und das eher einem Makler als einem
Staatsminister anpassende Operiren zeigt die ärgsten Blößen.

So weit ist es gekommen, daß der Finanzminister Baron Kraus bei dem
Banquierhanse Heine in Hamburg Mctalliqnes in Versatz gegeben haben soll,
um durch Trasfiren darauf dem Steigen des Silberagio entgegenarbeiten zu kön¬
nen. Die Häuser Rothschild und Sina verkauften große Summen auf London
und deutsche Plätze im Austrage des Ministers, aber wie durch ein löcheriges
Sieb fielen die Millionen, und der Cours steht schlechter als vorher.

Nicht ohne Grund vermuthet man, daß in Holland ein ähnlicher Versatz ver¬
sucht wird!

Wir werden in spätern Uebersichten auf diese und ähnliche Manipulationen
zurückkommen; es ist Quacksalberei und Kurpfuscherei. Nur ein Conflux von
besonders günstigen Umständen konnte eine Erleichterung in die östreichischen Geld¬
verhältnisse bringe»; der jetzige Minister wird das Uebel nicht heilen. Wir ver¬
weisen auf eine in Frankfurt anonym erschienene Brochüre über die östreichische
Nationalbank, deren Verfasser, Baron Stisst sen., aus dem Staatsdienste trat,
weil er als Unterstaatssecretär im Bureau der Finanzen sich nicht mit den Ansich¬
ten und Projecten des Ministers verständigen konnte. Er schreibt:

„Die executive Gewalt war es, die durch das Medium der Bank von der
Nation selbst Opfer forderte.

„Die Bank war hierdurch in ihrem Berufe: als Regulator und Wächter der
Geldcirculation zu fungiren, gestürzt. Durch die Verpflichtung, das Staatspa¬
piergeld gleich ihren eigenen Noten anzunehmen, wurde sie in ihren Grundfesten
erschüttert, in ihrem innern Bestände entkräftet.

„Die Einzahlungsbestimmnngen des neuen Anleihens (nämlich die Annahme
der Staatsnoten) stellten eine neue Forderung der Bank an den Staat in einer
andern Form. — Somit bleibt das künftige Schicksal der Bank in der Schwebe,
ihre Beziehungen zur Staatsgewalt haben sich wenig verändert, ihr Umlauf hat
sich unbedeutend vermindert, ihr Münzschatz unbedeutend vermehrt. — Bis zu ih¬
rer Reform ist sie n i es t in der Lage, auf vermehrtes Vertrauen Anspruch manchen


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[0472] der Privaten, und Reiche wie Arme halten sich für jeden Fall einige Barschaft versteckt. - Es bedarf nicht erst des Mißtrauens in die Regierung und in die Militär¬ herrschaft, um die Furcht einer Geldkrisis zu steigern; wer rechnen kann, hat bald die Ziffern zur Stelle, welche der Finanzminister so gern verheimlicht. Neun Mo¬ nate werden es, seitdem der letzte Ausweis über das Budget gelegt wurde, und weder das Deficit des vergangenen Verwaltnngsjahres, noch der Voranschlag des laufenden sind bekannt gegeben. Man sieht keinen Zwanziger im Umlauf, hinge¬ gen mehren sich die mit Zwangscours versehenen Papierzeichen in maßloser Weise. Von Tag zu Tag steigt das Mißtrauen, und das eher einem Makler als einem Staatsminister anpassende Operiren zeigt die ärgsten Blößen. So weit ist es gekommen, daß der Finanzminister Baron Kraus bei dem Banquierhanse Heine in Hamburg Mctalliqnes in Versatz gegeben haben soll, um durch Trasfiren darauf dem Steigen des Silberagio entgegenarbeiten zu kön¬ nen. Die Häuser Rothschild und Sina verkauften große Summen auf London und deutsche Plätze im Austrage des Ministers, aber wie durch ein löcheriges Sieb fielen die Millionen, und der Cours steht schlechter als vorher. Nicht ohne Grund vermuthet man, daß in Holland ein ähnlicher Versatz ver¬ sucht wird! Wir werden in spätern Uebersichten auf diese und ähnliche Manipulationen zurückkommen; es ist Quacksalberei und Kurpfuscherei. Nur ein Conflux von besonders günstigen Umständen konnte eine Erleichterung in die östreichischen Geld¬ verhältnisse bringe»; der jetzige Minister wird das Uebel nicht heilen. Wir ver¬ weisen auf eine in Frankfurt anonym erschienene Brochüre über die östreichische Nationalbank, deren Verfasser, Baron Stisst sen., aus dem Staatsdienste trat, weil er als Unterstaatssecretär im Bureau der Finanzen sich nicht mit den Ansich¬ ten und Projecten des Ministers verständigen konnte. Er schreibt: „Die executive Gewalt war es, die durch das Medium der Bank von der Nation selbst Opfer forderte. „Die Bank war hierdurch in ihrem Berufe: als Regulator und Wächter der Geldcirculation zu fungiren, gestürzt. Durch die Verpflichtung, das Staatspa¬ piergeld gleich ihren eigenen Noten anzunehmen, wurde sie in ihren Grundfesten erschüttert, in ihrem innern Bestände entkräftet. „Die Einzahlungsbestimmnngen des neuen Anleihens (nämlich die Annahme der Staatsnoten) stellten eine neue Forderung der Bank an den Staat in einer andern Form. — Somit bleibt das künftige Schicksal der Bank in der Schwebe, ihre Beziehungen zur Staatsgewalt haben sich wenig verändert, ihr Umlauf hat sich unbedeutend vermindert, ihr Münzschatz unbedeutend vermehrt. — Bis zu ih¬ rer Reform ist sie n i es t in der Lage, auf vermehrtes Vertrauen Anspruch manchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/472>, abgerufen am 23.06.2024.