Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bebauung des steuerfreien Landes förderlich sein kann. Der ungarische Grund¬
besitzer hat bisher wenig baares Geld aus seiner Wirthschaft bezogen;.außer den
Magnaten lebten die Landedelleute auf ihrer eigenthümlichen Scholle, und von
dem Weizen und Kukuruz, den sie davon ernteten. Die auferlegte Steuer muß
mindestens zu einer Besitzveräuderung führen, denn der Edelmann wird seine Le¬
bensweise nicht ändern, Hände fehlen, Geld hat er keins, und die Execution läßt
sich nicht wie sonst verhindern. Diese Irritation bleibt nicht ohne Rückwirkung aufdas
Nationalvermögen und auf das Staatsein kommen, un d Jahre werden verstreichen,
ehe ein Ausgleich zwischen Einkommen und Abgabe des Bürgers ermittelt ist.

Der Finanzminister dringt aber ans sogleiche Vermehrung der Einnahme, da
die Ausgaben riesenmäßig anwuchsen und eine Einschränkung im Militärctat fer¬
ner ist denn je. Das Stempelgefäll und die Negistrirungstaxe sind eine solche
Fundgrube, wo mau nicht lauge uach Gold zu schlagen hat; schon jetzt müssen
die betreffenden Papiere dem neuen Stempel unterzogen werden, und es dürfte
namentlich ein Mehreinkommen von 1 -- 2 Millionen abwerfen. Das Umgehen
dieses Gesetzes wird aber mannigfach versucht werden, und Banquiers werden
ihre Wechsel, wenn nur irgend thunlich, außerhalb Oestreich ausstellen und zahl¬
bar machen, und unter der Form eines Domizils innerhalb Oestreich präsentiren.
Um die Taxe zu ersparen, werden sich Schuldner und Gläubiger leicht wegen
dieser Umgehung verständige", der Verkehr jedoch ist erschwert, und es ist hiermit
ein Kanal gegraben, welcher die Capitalien hinausströmen läßt statt herein. Der
Passivhandel Oestreichs ist hiermit neuerdings belastet, und seine Vermittlerrolle
zwischen dem Orient und dem Norden in Bezug des Handels vernichtet, noch
bevor sie beginnt. Der Kaufmann in Konstantinopel wird keine Zahlung in Wien
anweisen , wo das Document einem Stempel K) unterliegt, wenn er die Zah¬
lung mit demselben Document in Leipzig stempelfrei leisten kann.

Solche Erwägungen scheinen nicht im Bureau des östreichischen Finanzmini-
sters gepflogen zu werden, der nur auf die Befriedigung des augenblicklichen Be¬
darfs speculirt. Alle seine Sinne sind darauf gewendet, den vermeintlichen Wu¬
cher und die Börsenspeculation zu bekämpfen, in welchen er fälschlich die Quelle
der Geldzustäude sieht. Statt dem Münzbedarf zu genügen, der sich so groß äu¬
ßert, daß für Kupferkreuzer 4 bis 5^ Agio gegen Banknoten gezahlt werden,
läßt der Finanzminister an der Börse Gold und Silber sowie Devisen für aus¬
wärtige Plätze um oder ^ H niederer aufbieten, und die großen Summen be¬
wirken einen kleinen Rückgang der Course; in der nächsten Suuide schnellt aber
das Agio doppelt hinauf, denn die bezogenen Colonialwaaren müssen in klingender
Valuta oder gleichgeltenden Papieren bezahlt werden. Die unwürdigsten Personen
und Finten wurden bereits gebraucht, um den gemuthmaßten Börsenmanöuvres
zu contreminiren, denn der Minister glaubt es nicht, daß der wirkliche Bedarf so
groß sei; mit dem Steigen des Silbercourses steigt auch immer die Besorgnis)


Bebauung des steuerfreien Landes förderlich sein kann. Der ungarische Grund¬
besitzer hat bisher wenig baares Geld aus seiner Wirthschaft bezogen;.außer den
Magnaten lebten die Landedelleute auf ihrer eigenthümlichen Scholle, und von
dem Weizen und Kukuruz, den sie davon ernteten. Die auferlegte Steuer muß
mindestens zu einer Besitzveräuderung führen, denn der Edelmann wird seine Le¬
bensweise nicht ändern, Hände fehlen, Geld hat er keins, und die Execution läßt
sich nicht wie sonst verhindern. Diese Irritation bleibt nicht ohne Rückwirkung aufdas
Nationalvermögen und auf das Staatsein kommen, un d Jahre werden verstreichen,
ehe ein Ausgleich zwischen Einkommen und Abgabe des Bürgers ermittelt ist.

Der Finanzminister dringt aber ans sogleiche Vermehrung der Einnahme, da
die Ausgaben riesenmäßig anwuchsen und eine Einschränkung im Militärctat fer¬
ner ist denn je. Das Stempelgefäll und die Negistrirungstaxe sind eine solche
Fundgrube, wo mau nicht lauge uach Gold zu schlagen hat; schon jetzt müssen
die betreffenden Papiere dem neuen Stempel unterzogen werden, und es dürfte
namentlich ein Mehreinkommen von 1 — 2 Millionen abwerfen. Das Umgehen
dieses Gesetzes wird aber mannigfach versucht werden, und Banquiers werden
ihre Wechsel, wenn nur irgend thunlich, außerhalb Oestreich ausstellen und zahl¬
bar machen, und unter der Form eines Domizils innerhalb Oestreich präsentiren.
Um die Taxe zu ersparen, werden sich Schuldner und Gläubiger leicht wegen
dieser Umgehung verständige», der Verkehr jedoch ist erschwert, und es ist hiermit
ein Kanal gegraben, welcher die Capitalien hinausströmen läßt statt herein. Der
Passivhandel Oestreichs ist hiermit neuerdings belastet, und seine Vermittlerrolle
zwischen dem Orient und dem Norden in Bezug des Handels vernichtet, noch
bevor sie beginnt. Der Kaufmann in Konstantinopel wird keine Zahlung in Wien
anweisen , wo das Document einem Stempel K) unterliegt, wenn er die Zah¬
lung mit demselben Document in Leipzig stempelfrei leisten kann.

Solche Erwägungen scheinen nicht im Bureau des östreichischen Finanzmini-
sters gepflogen zu werden, der nur auf die Befriedigung des augenblicklichen Be¬
darfs speculirt. Alle seine Sinne sind darauf gewendet, den vermeintlichen Wu¬
cher und die Börsenspeculation zu bekämpfen, in welchen er fälschlich die Quelle
der Geldzustäude sieht. Statt dem Münzbedarf zu genügen, der sich so groß äu¬
ßert, daß für Kupferkreuzer 4 bis 5^ Agio gegen Banknoten gezahlt werden,
läßt der Finanzminister an der Börse Gold und Silber sowie Devisen für aus¬
wärtige Plätze um oder ^ H niederer aufbieten, und die großen Summen be¬
wirken einen kleinen Rückgang der Course; in der nächsten Suuide schnellt aber
das Agio doppelt hinauf, denn die bezogenen Colonialwaaren müssen in klingender
Valuta oder gleichgeltenden Papieren bezahlt werden. Die unwürdigsten Personen
und Finten wurden bereits gebraucht, um den gemuthmaßten Börsenmanöuvres
zu contreminiren, denn der Minister glaubt es nicht, daß der wirkliche Bedarf so
groß sei; mit dem Steigen des Silbercourses steigt auch immer die Besorgnis)


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0471" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93294"/>
          <p xml:id="ID_1618" prev="#ID_1617"> Bebauung des steuerfreien Landes förderlich sein kann. Der ungarische Grund¬<lb/>
besitzer hat bisher wenig baares Geld aus seiner Wirthschaft bezogen;.außer den<lb/>
Magnaten lebten die Landedelleute auf ihrer eigenthümlichen Scholle, und von<lb/>
dem Weizen und Kukuruz, den sie davon ernteten. Die auferlegte Steuer muß<lb/>
mindestens zu einer Besitzveräuderung führen, denn der Edelmann wird seine Le¬<lb/>
bensweise nicht ändern, Hände fehlen, Geld hat er keins, und die Execution läßt<lb/>
sich nicht wie sonst verhindern. Diese Irritation bleibt nicht ohne Rückwirkung aufdas<lb/>
Nationalvermögen und auf das Staatsein kommen, un d Jahre werden verstreichen,<lb/>
ehe ein Ausgleich zwischen Einkommen und Abgabe des Bürgers ermittelt ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1619"> Der Finanzminister dringt aber ans sogleiche Vermehrung der Einnahme, da<lb/>
die Ausgaben riesenmäßig anwuchsen und eine Einschränkung im Militärctat fer¬<lb/>
ner ist denn je. Das Stempelgefäll und die Negistrirungstaxe sind eine solche<lb/>
Fundgrube, wo mau nicht lauge uach Gold zu schlagen hat; schon jetzt müssen<lb/>
die betreffenden Papiere dem neuen Stempel unterzogen werden, und es dürfte<lb/>
namentlich ein Mehreinkommen von 1 &#x2014; 2 Millionen abwerfen. Das Umgehen<lb/>
dieses Gesetzes wird aber mannigfach versucht werden, und Banquiers werden<lb/>
ihre Wechsel, wenn nur irgend thunlich, außerhalb Oestreich ausstellen und zahl¬<lb/>
bar machen, und unter der Form eines Domizils innerhalb Oestreich präsentiren.<lb/>
Um die Taxe zu ersparen, werden sich Schuldner und Gläubiger leicht wegen<lb/>
dieser Umgehung verständige», der Verkehr jedoch ist erschwert, und es ist hiermit<lb/>
ein Kanal gegraben, welcher die Capitalien hinausströmen läßt statt herein. Der<lb/>
Passivhandel Oestreichs ist hiermit neuerdings belastet, und seine Vermittlerrolle<lb/>
zwischen dem Orient und dem Norden in Bezug des Handels vernichtet, noch<lb/>
bevor sie beginnt. Der Kaufmann in Konstantinopel wird keine Zahlung in Wien<lb/>
anweisen , wo das Document einem Stempel K) unterliegt, wenn er die Zah¬<lb/>
lung mit demselben Document in Leipzig stempelfrei leisten kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1620" next="#ID_1621"> Solche Erwägungen scheinen nicht im Bureau des östreichischen Finanzmini-<lb/>
sters gepflogen zu werden, der nur auf die Befriedigung des augenblicklichen Be¬<lb/>
darfs speculirt. Alle seine Sinne sind darauf gewendet, den vermeintlichen Wu¬<lb/>
cher und die Börsenspeculation zu bekämpfen, in welchen er fälschlich die Quelle<lb/>
der Geldzustäude sieht. Statt dem Münzbedarf zu genügen, der sich so groß äu¬<lb/>
ßert, daß für Kupferkreuzer 4 bis 5^ Agio gegen Banknoten gezahlt werden,<lb/>
läßt der Finanzminister an der Börse Gold und Silber sowie Devisen für aus¬<lb/>
wärtige Plätze um oder ^ H niederer aufbieten, und die großen Summen be¬<lb/>
wirken einen kleinen Rückgang der Course; in der nächsten Suuide schnellt aber<lb/>
das Agio doppelt hinauf, denn die bezogenen Colonialwaaren müssen in klingender<lb/>
Valuta oder gleichgeltenden Papieren bezahlt werden. Die unwürdigsten Personen<lb/>
und Finten wurden bereits gebraucht, um den gemuthmaßten Börsenmanöuvres<lb/>
zu contreminiren, denn der Minister glaubt es nicht, daß der wirkliche Bedarf so<lb/>
groß sei; mit dem Steigen des Silbercourses steigt auch immer die Besorgnis)</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0471] Bebauung des steuerfreien Landes förderlich sein kann. Der ungarische Grund¬ besitzer hat bisher wenig baares Geld aus seiner Wirthschaft bezogen;.außer den Magnaten lebten die Landedelleute auf ihrer eigenthümlichen Scholle, und von dem Weizen und Kukuruz, den sie davon ernteten. Die auferlegte Steuer muß mindestens zu einer Besitzveräuderung führen, denn der Edelmann wird seine Le¬ bensweise nicht ändern, Hände fehlen, Geld hat er keins, und die Execution läßt sich nicht wie sonst verhindern. Diese Irritation bleibt nicht ohne Rückwirkung aufdas Nationalvermögen und auf das Staatsein kommen, un d Jahre werden verstreichen, ehe ein Ausgleich zwischen Einkommen und Abgabe des Bürgers ermittelt ist. Der Finanzminister dringt aber ans sogleiche Vermehrung der Einnahme, da die Ausgaben riesenmäßig anwuchsen und eine Einschränkung im Militärctat fer¬ ner ist denn je. Das Stempelgefäll und die Negistrirungstaxe sind eine solche Fundgrube, wo mau nicht lauge uach Gold zu schlagen hat; schon jetzt müssen die betreffenden Papiere dem neuen Stempel unterzogen werden, und es dürfte namentlich ein Mehreinkommen von 1 — 2 Millionen abwerfen. Das Umgehen dieses Gesetzes wird aber mannigfach versucht werden, und Banquiers werden ihre Wechsel, wenn nur irgend thunlich, außerhalb Oestreich ausstellen und zahl¬ bar machen, und unter der Form eines Domizils innerhalb Oestreich präsentiren. Um die Taxe zu ersparen, werden sich Schuldner und Gläubiger leicht wegen dieser Umgehung verständige», der Verkehr jedoch ist erschwert, und es ist hiermit ein Kanal gegraben, welcher die Capitalien hinausströmen läßt statt herein. Der Passivhandel Oestreichs ist hiermit neuerdings belastet, und seine Vermittlerrolle zwischen dem Orient und dem Norden in Bezug des Handels vernichtet, noch bevor sie beginnt. Der Kaufmann in Konstantinopel wird keine Zahlung in Wien anweisen , wo das Document einem Stempel K) unterliegt, wenn er die Zah¬ lung mit demselben Document in Leipzig stempelfrei leisten kann. Solche Erwägungen scheinen nicht im Bureau des östreichischen Finanzmini- sters gepflogen zu werden, der nur auf die Befriedigung des augenblicklichen Be¬ darfs speculirt. Alle seine Sinne sind darauf gewendet, den vermeintlichen Wu¬ cher und die Börsenspeculation zu bekämpfen, in welchen er fälschlich die Quelle der Geldzustäude sieht. Statt dem Münzbedarf zu genügen, der sich so groß äu¬ ßert, daß für Kupferkreuzer 4 bis 5^ Agio gegen Banknoten gezahlt werden, läßt der Finanzminister an der Börse Gold und Silber sowie Devisen für aus¬ wärtige Plätze um oder ^ H niederer aufbieten, und die großen Summen be¬ wirken einen kleinen Rückgang der Course; in der nächsten Suuide schnellt aber das Agio doppelt hinauf, denn die bezogenen Colonialwaaren müssen in klingender Valuta oder gleichgeltenden Papieren bezahlt werden. Die unwürdigsten Personen und Finten wurden bereits gebraucht, um den gemuthmaßten Börsenmanöuvres zu contreminiren, denn der Minister glaubt es nicht, daß der wirkliche Bedarf so groß sei; mit dem Steigen des Silbercourses steigt auch immer die Besorgnis)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/471
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/471>, abgerufen am 23.06.2024.