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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Das Coursblatt der verflossenen Woche verzeichnet einen Silbercours von.
15 Procent Agio!!!

Wir mußten eine lange Litanei hermurmeln, wollten wir alle sichern und
muthmaßlichen Gründe für diesen Geldzustand angeben. Man kann sie nicht darin
suchen, daß nach dem Februarausweis der Nationalbank nur 31 Millionen baar
vorhanden sind, gegen 247 Millionen emittirte Noten. Das Verhältniß von 1 Flo¬
rin Silber zu 8 Florin Papiernoten war mehrmals vorhanden, ohne daß deshalb
eine solche Erschütterung aller Besitzverhältuisse die Folge war.

Der hauptsächliche Grund für das Mißtrauen bleibt das Verhältniß der
Bank zum Staate; die Regierung, welche der unabhängige Schutzherr dieses In¬
stitutes sein soll, ist die geldbedürflige Partei desselben, und jene setzt ihm die
Pistole auf die Brust, damit es in Zeiten der Noth aushelfe. Die Negierungsmän-
ner bedachte" nicht, daß die Nationalbank nicht allein die Interessen einer Privat'
gesellschafr, sondern die gemeinsamen des Nationalvermögens als Opfer darbringen
mußte. Der Staat nahm die Kräfte der Nationalbank derart in Anspruch, daß sie
zehufach ihren Fond überstieg, und nun ist sie unzertrennbar an das Geschick der
Staatsmaschine gekettet. Frankreich, das eine weit tiefer greifende Krisis durch¬
machte, hat in den Bankkellern einige Millionen Silber mehr liegen, als Noten
im Umlauf sind, und sein Credit steht ungeschwächt, sein Nationalvermögen blieb
ungeschmälert. Die Banknoten sind durch die Forderungen der Regierung und
dnrch die servile Nachgiebigkeit der Baukdirectivu ein Staatspapier geworden.

Den Uebelstand erkennend versuchte der Finanzminister mancherlei, eine Tren¬
nung von Staat und Bank zu erzielen; allein die Umstände vereitelten ebenso die
Operationen, wie die ausgesonnenen Finten. Die Regierung konnte das ungeheure
Deficit für 1848 und 1849, nach muthmaßlicher Berechnung 3-- 400 Millionen,
nicht durch die Aushilfe der Bank allein decken, und man griff zu verschiedenen
unlautern Mittelchen, als das Fehlschlagen einer reellen Anleihe dnrch die vom
ganzen Auslande einlaufenden Nefus gewiß war. Unter der Form von Anwei¬
sungen fabricirte der Finanzminister unfundirtes Papiergeld; aber diese Staats¬
papiere flössen alsobald an Zahlungsstatt in die Nationalbank, und auch das frei¬
willige Anlehen war zumeist nur ein Auswechseln des einen Staatspapieres gegen
ein anderes. Auf die neue Anleihe wurden 45 Millionen eingezahlt, darunter be¬
fanden sich 23 Millionen Staatsanweisuugeu; es ist die Schlange, die sich in den
Schwanz beißt.

Das kaiserliche Versprechen, in einer Ordonnanz mit Nachdruck hervorgeho¬
ben, daß > der Credit der Bank vom Staate nicht mehr in Anspruch genommen
werden darf, wird pünktlich eingehalten ; allein der Münster kounte leicht dieses
Versprechen ertheilen lassen, nachdem er die Emission von Staatsgeldpapier in
Form von Kassenanweisungen, ungarischen Landesanweisungen, Vissüvtti, al tresoro,
Münzscheineu zu 6 und 10 Kreuzer, Reichsschatzscheine mit Verzinsung u. tgi,, mit


Das Coursblatt der verflossenen Woche verzeichnet einen Silbercours von.
15 Procent Agio!!!

Wir mußten eine lange Litanei hermurmeln, wollten wir alle sichern und
muthmaßlichen Gründe für diesen Geldzustand angeben. Man kann sie nicht darin
suchen, daß nach dem Februarausweis der Nationalbank nur 31 Millionen baar
vorhanden sind, gegen 247 Millionen emittirte Noten. Das Verhältniß von 1 Flo¬
rin Silber zu 8 Florin Papiernoten war mehrmals vorhanden, ohne daß deshalb
eine solche Erschütterung aller Besitzverhältuisse die Folge war.

Der hauptsächliche Grund für das Mißtrauen bleibt das Verhältniß der
Bank zum Staate; die Regierung, welche der unabhängige Schutzherr dieses In¬
stitutes sein soll, ist die geldbedürflige Partei desselben, und jene setzt ihm die
Pistole auf die Brust, damit es in Zeiten der Noth aushelfe. Die Negierungsmän-
ner bedachte» nicht, daß die Nationalbank nicht allein die Interessen einer Privat'
gesellschafr, sondern die gemeinsamen des Nationalvermögens als Opfer darbringen
mußte. Der Staat nahm die Kräfte der Nationalbank derart in Anspruch, daß sie
zehufach ihren Fond überstieg, und nun ist sie unzertrennbar an das Geschick der
Staatsmaschine gekettet. Frankreich, das eine weit tiefer greifende Krisis durch¬
machte, hat in den Bankkellern einige Millionen Silber mehr liegen, als Noten
im Umlauf sind, und sein Credit steht ungeschwächt, sein Nationalvermögen blieb
ungeschmälert. Die Banknoten sind durch die Forderungen der Regierung und
dnrch die servile Nachgiebigkeit der Baukdirectivu ein Staatspapier geworden.

Den Uebelstand erkennend versuchte der Finanzminister mancherlei, eine Tren¬
nung von Staat und Bank zu erzielen; allein die Umstände vereitelten ebenso die
Operationen, wie die ausgesonnenen Finten. Die Regierung konnte das ungeheure
Deficit für 1848 und 1849, nach muthmaßlicher Berechnung 3— 400 Millionen,
nicht durch die Aushilfe der Bank allein decken, und man griff zu verschiedenen
unlautern Mittelchen, als das Fehlschlagen einer reellen Anleihe dnrch die vom
ganzen Auslande einlaufenden Nefus gewiß war. Unter der Form von Anwei¬
sungen fabricirte der Finanzminister unfundirtes Papiergeld; aber diese Staats¬
papiere flössen alsobald an Zahlungsstatt in die Nationalbank, und auch das frei¬
willige Anlehen war zumeist nur ein Auswechseln des einen Staatspapieres gegen
ein anderes. Auf die neue Anleihe wurden 45 Millionen eingezahlt, darunter be¬
fanden sich 23 Millionen Staatsanweisuugeu; es ist die Schlange, die sich in den
Schwanz beißt.

Das kaiserliche Versprechen, in einer Ordonnanz mit Nachdruck hervorgeho¬
ben, daß > der Credit der Bank vom Staate nicht mehr in Anspruch genommen
werden darf, wird pünktlich eingehalten ; allein der Münster kounte leicht dieses
Versprechen ertheilen lassen, nachdem er die Emission von Staatsgeldpapier in
Form von Kassenanweisungen, ungarischen Landesanweisungen, Vissüvtti, al tresoro,
Münzscheineu zu 6 und 10 Kreuzer, Reichsschatzscheine mit Verzinsung u. tgi,, mit


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[0469] Das Coursblatt der verflossenen Woche verzeichnet einen Silbercours von. 15 Procent Agio!!! Wir mußten eine lange Litanei hermurmeln, wollten wir alle sichern und muthmaßlichen Gründe für diesen Geldzustand angeben. Man kann sie nicht darin suchen, daß nach dem Februarausweis der Nationalbank nur 31 Millionen baar vorhanden sind, gegen 247 Millionen emittirte Noten. Das Verhältniß von 1 Flo¬ rin Silber zu 8 Florin Papiernoten war mehrmals vorhanden, ohne daß deshalb eine solche Erschütterung aller Besitzverhältuisse die Folge war. Der hauptsächliche Grund für das Mißtrauen bleibt das Verhältniß der Bank zum Staate; die Regierung, welche der unabhängige Schutzherr dieses In¬ stitutes sein soll, ist die geldbedürflige Partei desselben, und jene setzt ihm die Pistole auf die Brust, damit es in Zeiten der Noth aushelfe. Die Negierungsmän- ner bedachte» nicht, daß die Nationalbank nicht allein die Interessen einer Privat' gesellschafr, sondern die gemeinsamen des Nationalvermögens als Opfer darbringen mußte. Der Staat nahm die Kräfte der Nationalbank derart in Anspruch, daß sie zehufach ihren Fond überstieg, und nun ist sie unzertrennbar an das Geschick der Staatsmaschine gekettet. Frankreich, das eine weit tiefer greifende Krisis durch¬ machte, hat in den Bankkellern einige Millionen Silber mehr liegen, als Noten im Umlauf sind, und sein Credit steht ungeschwächt, sein Nationalvermögen blieb ungeschmälert. Die Banknoten sind durch die Forderungen der Regierung und dnrch die servile Nachgiebigkeit der Baukdirectivu ein Staatspapier geworden. Den Uebelstand erkennend versuchte der Finanzminister mancherlei, eine Tren¬ nung von Staat und Bank zu erzielen; allein die Umstände vereitelten ebenso die Operationen, wie die ausgesonnenen Finten. Die Regierung konnte das ungeheure Deficit für 1848 und 1849, nach muthmaßlicher Berechnung 3— 400 Millionen, nicht durch die Aushilfe der Bank allein decken, und man griff zu verschiedenen unlautern Mittelchen, als das Fehlschlagen einer reellen Anleihe dnrch die vom ganzen Auslande einlaufenden Nefus gewiß war. Unter der Form von Anwei¬ sungen fabricirte der Finanzminister unfundirtes Papiergeld; aber diese Staats¬ papiere flössen alsobald an Zahlungsstatt in die Nationalbank, und auch das frei¬ willige Anlehen war zumeist nur ein Auswechseln des einen Staatspapieres gegen ein anderes. Auf die neue Anleihe wurden 45 Millionen eingezahlt, darunter be¬ fanden sich 23 Millionen Staatsanweisuugeu; es ist die Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Das kaiserliche Versprechen, in einer Ordonnanz mit Nachdruck hervorgeho¬ ben, daß > der Credit der Bank vom Staate nicht mehr in Anspruch genommen werden darf, wird pünktlich eingehalten ; allein der Münster kounte leicht dieses Versprechen ertheilen lassen, nachdem er die Emission von Staatsgeldpapier in Form von Kassenanweisungen, ungarischen Landesanweisungen, Vissüvtti, al tresoro, Münzscheineu zu 6 und 10 Kreuzer, Reichsschatzscheine mit Verzinsung u. tgi,, mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/469>, abgerufen am 23.06.2024.