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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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ein Beweis für die Schlechtigkeit der Regierung, denn je größeren Spielraum eine libe¬
rale Verwaltung den Einzelkräften überläßt, desto häusiger wird auch die Erscheinung,
daß man den Gebrauch derselben verschmäht; das wohlthätige Gesetz der Freizü¬
gigkeit wird oft den Mißbrauch bis zum Vagabundiren hervorrufen, während das
Sklavengesetz der Hörigkeit die Ansässigmachung forcirt. Die Nobvtt verhielt zur
Arbeit, wenn auch zur schlechten, die Befreiung von der Robott bevölkert die
Wirthshäuser und dringt vielen Herrschaftsfeldern eine unfreiwillige Bräche auf, ob¬
wohl die Grundbesitzer einen weit höhern Taglohn anbieten. Die Armuth des Lan¬
des und das Proletariat im Volke ist daher selten, oder fast nie als ein Ma߬
stab für die Regierung anzunehmen. Anders aber verhält es sich mit dem bereits
erreichten Vermögen des Landes und dem Besitz des Volkes. Eine gute Negie¬
rung schützt nicht blos den Nationalreichthum, sondern sie bahnt die Wege, wo¬
durch er erhöht werden kann; wenn jedoch das vorhandene Vermögen abnimmt,
schwindet, verfliegt, so ist in hundertfachen Fällen eher die Regierung daran
Schuld, als die Verhältnisse der Einzelnen.

Die Märzereignisse haben Oestreichs Geldzustände nur kurze Zeit darnieder¬
gedrückt; in den Sommermonaten des Jahres 1848 erholte man sich bereits vom
ersten Stoße, und es war kein größerer Druck fühlbar, als der auf allen euro¬
päischen Ländern lastete. Trotz des unglücklichen Krieges in Italien, und obwohl
damals uicht die geringste Aussicht vorhanden war, daß Ungarn an den allge¬
meinen Lasten und an der Staatsschuld homogenen Antheil nehmen werde; ob¬
wohl endlich die Nationalbank ihre Verwechslungskassen sperrte, sprach sich den¬
noch die öffentliche Stimme nicht mit großem Mißtrauen aus. Die baare Münze,
das Silber, begann damals als Gradmesser des Credits zu dienen; die Valuta ent¬
thronte die Staats- und Jndnstnepapiere vom Börsensitz. Letztere"sind, bei aller
Wichtigkeit, dennoch auf einen gewissen Kreis beschränkt, der, so groß er auch
sein mag, dennoch einen bemeßbaren Cirkel bildet; die Börsenwclt ist jedoch durch
eine scharfe Linie vom allgemeinen Verkehr geschieden, und was jene, ans- oder
abwärts stürmisch bewegt, wirkt nur in leisem Wellenschlag auf jenen. Das Sil¬
ber jedoch rollt in seiner runden Gestalt über Berge und Thäler, durch die mit
Maschinen verschlossenen Geldkasten und durch die Lederbeutelchen der Landleute.
Die Völker Oestreichs und das gestimmte Ausland' sprachen sich dazumal (Juli
bis October 1848) deutlich aus, indem sie der Silbermünze nicht mehr, als 5 bis
ki Procent Agio gegen östreichische Banknoten beilegten. Man kann das füglich
ein Vertrauensvotum für deu Sta.U nennen.

Alles Dazwischenliegende überspringend, da wir keine Genesis und keine
Chronik der östreichischen Geldzustande zu schreiben beabsichtige", sondern blos zeit¬
weilige Ueberblicke über den jeweiligen Stand und die nächsten Erwartungen, spähen
wir darnach ans, welches Vertrauensvotum heute für den Kaiserstaat von seinen
eigenen Völkern und vom Auslande gespendet wird.


ein Beweis für die Schlechtigkeit der Regierung, denn je größeren Spielraum eine libe¬
rale Verwaltung den Einzelkräften überläßt, desto häusiger wird auch die Erscheinung,
daß man den Gebrauch derselben verschmäht; das wohlthätige Gesetz der Freizü¬
gigkeit wird oft den Mißbrauch bis zum Vagabundiren hervorrufen, während das
Sklavengesetz der Hörigkeit die Ansässigmachung forcirt. Die Nobvtt verhielt zur
Arbeit, wenn auch zur schlechten, die Befreiung von der Robott bevölkert die
Wirthshäuser und dringt vielen Herrschaftsfeldern eine unfreiwillige Bräche auf, ob¬
wohl die Grundbesitzer einen weit höhern Taglohn anbieten. Die Armuth des Lan¬
des und das Proletariat im Volke ist daher selten, oder fast nie als ein Ma߬
stab für die Regierung anzunehmen. Anders aber verhält es sich mit dem bereits
erreichten Vermögen des Landes und dem Besitz des Volkes. Eine gute Negie¬
rung schützt nicht blos den Nationalreichthum, sondern sie bahnt die Wege, wo¬
durch er erhöht werden kann; wenn jedoch das vorhandene Vermögen abnimmt,
schwindet, verfliegt, so ist in hundertfachen Fällen eher die Regierung daran
Schuld, als die Verhältnisse der Einzelnen.

Die Märzereignisse haben Oestreichs Geldzustände nur kurze Zeit darnieder¬
gedrückt; in den Sommermonaten des Jahres 1848 erholte man sich bereits vom
ersten Stoße, und es war kein größerer Druck fühlbar, als der auf allen euro¬
päischen Ländern lastete. Trotz des unglücklichen Krieges in Italien, und obwohl
damals uicht die geringste Aussicht vorhanden war, daß Ungarn an den allge¬
meinen Lasten und an der Staatsschuld homogenen Antheil nehmen werde; ob¬
wohl endlich die Nationalbank ihre Verwechslungskassen sperrte, sprach sich den¬
noch die öffentliche Stimme nicht mit großem Mißtrauen aus. Die baare Münze,
das Silber, begann damals als Gradmesser des Credits zu dienen; die Valuta ent¬
thronte die Staats- und Jndnstnepapiere vom Börsensitz. Letztere"sind, bei aller
Wichtigkeit, dennoch auf einen gewissen Kreis beschränkt, der, so groß er auch
sein mag, dennoch einen bemeßbaren Cirkel bildet; die Börsenwclt ist jedoch durch
eine scharfe Linie vom allgemeinen Verkehr geschieden, und was jene, ans- oder
abwärts stürmisch bewegt, wirkt nur in leisem Wellenschlag auf jenen. Das Sil¬
ber jedoch rollt in seiner runden Gestalt über Berge und Thäler, durch die mit
Maschinen verschlossenen Geldkasten und durch die Lederbeutelchen der Landleute.
Die Völker Oestreichs und das gestimmte Ausland' sprachen sich dazumal (Juli
bis October 1848) deutlich aus, indem sie der Silbermünze nicht mehr, als 5 bis
ki Procent Agio gegen östreichische Banknoten beilegten. Man kann das füglich
ein Vertrauensvotum für deu Sta.U nennen.

Alles Dazwischenliegende überspringend, da wir keine Genesis und keine
Chronik der östreichischen Geldzustande zu schreiben beabsichtige», sondern blos zeit¬
weilige Ueberblicke über den jeweiligen Stand und die nächsten Erwartungen, spähen
wir darnach ans, welches Vertrauensvotum heute für den Kaiserstaat von seinen
eigenen Völkern und vom Auslande gespendet wird.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/468>, abgerufen am 23.06.2024.