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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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häugig sei, war er wortkarg, zurückhaltend, unruhig, selbst wo er entschlossen war.
Seitdem ist er redselig geworden, er plaudert beständig, was es auch sein mag;
wie er in der ersten Kammer seine Verbrüderung mit den Spionen ausschwatzte,
wie er erzählte, man wolle ihm an's Leben, aber er würde seine Feinde schon zu
fassen wissen, da kannte man sich eines gewissen Mitleids nicht erwehren. Die
Verhandlungen des Waldeck-Ohm'schen Processes haben nicht allein die Partei
der Kreuzzeitung getroffen, sondern auch das Ministerium, das sich mit ihr com-
promittirt hat, ja sie haben es mehr getroffen als jene, denn die Einbläser des
Ohm und Gödschc haben sich nie über die Nainr ihrer Kreaturen getäuscht, sie
haben in iiiitjoi'on l)<?i die entsprechenden Mittel gebraucht; sie zürnen
dem Gericht, weil es das Recht über die Partei stellt. Der "ehrliche" Mann da¬
gegen, der Politiker der Umstände, weiß sich in diesen Ausgang nicht zu finden;
er hat sich der Gewalt der Umstände so vollständig hingegeben, daß er bei dem
besten Willen Recht von Unrecht nicht mehr zu unterscheiden vermag. Wie jener
Geisterbanner, der sich vor seinem eigenen Spuk entsetzt, sühlt er seine eignen
Sophismen als eine fremde Macht, von der er abhängig ist.

Popularität ist ein mißliches Ding. Sie hängt sich an die Erscheinungen des
Augenblicks. Kein Name ist jetzt bei der conservativen Partei in Preußen popu¬
lärer als der des Herrn von Manteuffel. Aber es ist, wie bei Lamartine vor
zwei Jahren, eben nur der Name, ein neutraler Boden, auf welchem die Gegen¬
sätze noch gebunden sind. Die Parteien, die einzeln noch nicht fähig sind, für sich
aufzutreten, halten sämmtlich an ihm fest, sobald aber einer von ihnen so weit
erstarkt sein wird, selbstständig zu sein, so wird nicht sie allein, so werden sie Alle
den Mann der Umstände bei Seite werfen.




Oestreichische Finanzen.



Ehe es zur Ordnung der östreichischen Finanzen oder zum Bruche derselben
kömmt, wird den Interessenten an dieser schwebenden Frage noch manche bange
Stunde verfließen; so viel auch schon darüber geschrieben wurde, ist doch noch
immer nicht der Schlüssel zu all den Wirren und Verwicklungen gegeben. Die
Revolution hat sich von der Straße in die Geldkisten, vom Schlachtfeld auf die
Börse, von der Aula in die Landwirthschaften gezogen, und hier sind die brutalen
Kräfte der Schuß- und Stichwaffen nicht im Stande, einen wohlfeilen Sieg zu
erfechten, sondern im Gegentheil je stärker das Heer, desto größer die Verlegen¬
heiten , desto schneller die Niederlage. Die Armuth eines Landes ist nicht immer'


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häugig sei, war er wortkarg, zurückhaltend, unruhig, selbst wo er entschlossen war.
Seitdem ist er redselig geworden, er plaudert beständig, was es auch sein mag;
wie er in der ersten Kammer seine Verbrüderung mit den Spionen ausschwatzte,
wie er erzählte, man wolle ihm an's Leben, aber er würde seine Feinde schon zu
fassen wissen, da kannte man sich eines gewissen Mitleids nicht erwehren. Die
Verhandlungen des Waldeck-Ohm'schen Processes haben nicht allein die Partei
der Kreuzzeitung getroffen, sondern auch das Ministerium, das sich mit ihr com-
promittirt hat, ja sie haben es mehr getroffen als jene, denn die Einbläser des
Ohm und Gödschc haben sich nie über die Nainr ihrer Kreaturen getäuscht, sie
haben in iiiitjoi'on l)<?i die entsprechenden Mittel gebraucht; sie zürnen
dem Gericht, weil es das Recht über die Partei stellt. Der „ehrliche" Mann da¬
gegen, der Politiker der Umstände, weiß sich in diesen Ausgang nicht zu finden;
er hat sich der Gewalt der Umstände so vollständig hingegeben, daß er bei dem
besten Willen Recht von Unrecht nicht mehr zu unterscheiden vermag. Wie jener
Geisterbanner, der sich vor seinem eigenen Spuk entsetzt, sühlt er seine eignen
Sophismen als eine fremde Macht, von der er abhängig ist.

Popularität ist ein mißliches Ding. Sie hängt sich an die Erscheinungen des
Augenblicks. Kein Name ist jetzt bei der conservativen Partei in Preußen popu¬
lärer als der des Herrn von Manteuffel. Aber es ist, wie bei Lamartine vor
zwei Jahren, eben nur der Name, ein neutraler Boden, auf welchem die Gegen¬
sätze noch gebunden sind. Die Parteien, die einzeln noch nicht fähig sind, für sich
aufzutreten, halten sämmtlich an ihm fest, sobald aber einer von ihnen so weit
erstarkt sein wird, selbstständig zu sein, so wird nicht sie allein, so werden sie Alle
den Mann der Umstände bei Seite werfen.




Oestreichische Finanzen.



Ehe es zur Ordnung der östreichischen Finanzen oder zum Bruche derselben
kömmt, wird den Interessenten an dieser schwebenden Frage noch manche bange
Stunde verfließen; so viel auch schon darüber geschrieben wurde, ist doch noch
immer nicht der Schlüssel zu all den Wirren und Verwicklungen gegeben. Die
Revolution hat sich von der Straße in die Geldkisten, vom Schlachtfeld auf die
Börse, von der Aula in die Landwirthschaften gezogen, und hier sind die brutalen
Kräfte der Schuß- und Stichwaffen nicht im Stande, einen wohlfeilen Sieg zu
erfechten, sondern im Gegentheil je stärker das Heer, desto größer die Verlegen¬
heiten , desto schneller die Niederlage. Die Armuth eines Landes ist nicht immer'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/467>, abgerufen am 23.06.2024.