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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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den Vertretern der Krone zweierlei zu finden: aufopfernde Treue, mit Muth und
Energie verknüpft, und die geschäftliche Sicherheit, welche über den nothwendiger¬
weise eintretenden Verwirrungen den Faden der Verwaltung nicht aus deu Hän¬
den verlor. Bloße Treubündler hätten nicht genügt. Beides zusammen zu finden,
war nicht leicht, seitdem Männer, wie der alte Pfuel, selbst Mcding, sich von den
neuen Ideen hatten inficiren lassen, seitdem selbst die übrigen Mitglieder des
Pfuel'schen Kabinets nicht die Energie gezeigt hatten, welche allein in einer Krisis
die Möglichkeit des Gelingens gibt. Es war daher ein großer Gewinn für die
Krone, daß mau i" den Departementschefs des Innern und des Cultus zwei
Männer fand, durch deren administrative Geschicklichkeit das militärische Regiment,
das nun an die Reihe kam, ergänzt werden konnte. Die Brandenburg, Strotha,
Wrangel gaben den eigentlichen Inhalt des neuen Preußen, die Form mußte
Manteuffel finden.

Man ist jetzt, seitdem man hinter die Hohlheit der democratischen Demonstra¬
tionen gekommen ist, allzu geneigt, den Entschluß des Novemberministeriums zu
gering anzuschlagen. Damals hatte man es aber noch nicht erkannt, und es
gehörte allerdings Muth dazu, der Revolution offen den Fehdehandschuh hinzu¬
werfen. Auch ist die Energie anzuerkennen, mit der vom Ministerium des In¬
nern aus alle Bewegungen, die aus der Steuerverweigerung entsprangen, und die
namentlich bei der Unzuverlässigkeit mancher Beamten zu bedenklichen Folgen füh¬
ren konnten, im Keim erstickt wurden.

Allein das Verhalten de? Ministeriums bot in anderer Hinsicht ein wichtiges
Bedenken.

Die Negierung ging nicht von einer geschlossenen Partei, nicht von einer gro¬
ßen Ueberzeugung aus, welche sie der Revolution entgegensetzen konnte. Die
Uebergriffe der Democratie hatten die bisher verfeindeten Altliberalen und Altcon-
servativen in dem allgemeinen Gedanken der constitutionellen Monarchie vereinigt.
Die liberalen Ministerien waren gefallen, weil sie über die eigentlichen Staats,
Mittel, das Heer und die Verwaltung, nicht selbstständig disponiren konnten. , Ein
tteupreußisches Ministerium hätte das Beamtenthum ebenso gegen sich gehabt wie
die Liberalen und die Democraten. Farblos, wie das Cadin^et Brandenburg aus¬
sah, entsprach es zunächst seinem Zweck, die augenblickliche Verwirrung aufzuhe¬
ben, und, mit der Unterstützung aller conservativen Elemente, den Staat wieder
in seine Fugen einzurenken. Damals dachte man sanguinisch genng, das Ministe¬
rium werde uach Erfüllung seiner Mission zurücktreten und einem andern von
bestimmter Färbung Platz machen. Selbst die Deputation der Nationalversamm¬
lung, die sich, freilich ohne irgend eine legale Befugniß, helfend und warnend in
die preußische Krisis einließ, beruhigte sich bei diesem Gedanken. Man vergaß,
daß der Sieger in einem gefährlichenKampsnicht leicht die Waffen aus den Händen gibt.


den Vertretern der Krone zweierlei zu finden: aufopfernde Treue, mit Muth und
Energie verknüpft, und die geschäftliche Sicherheit, welche über den nothwendiger¬
weise eintretenden Verwirrungen den Faden der Verwaltung nicht aus deu Hän¬
den verlor. Bloße Treubündler hätten nicht genügt. Beides zusammen zu finden,
war nicht leicht, seitdem Männer, wie der alte Pfuel, selbst Mcding, sich von den
neuen Ideen hatten inficiren lassen, seitdem selbst die übrigen Mitglieder des
Pfuel'schen Kabinets nicht die Energie gezeigt hatten, welche allein in einer Krisis
die Möglichkeit des Gelingens gibt. Es war daher ein großer Gewinn für die
Krone, daß mau i» den Departementschefs des Innern und des Cultus zwei
Männer fand, durch deren administrative Geschicklichkeit das militärische Regiment,
das nun an die Reihe kam, ergänzt werden konnte. Die Brandenburg, Strotha,
Wrangel gaben den eigentlichen Inhalt des neuen Preußen, die Form mußte
Manteuffel finden.

Man ist jetzt, seitdem man hinter die Hohlheit der democratischen Demonstra¬
tionen gekommen ist, allzu geneigt, den Entschluß des Novemberministeriums zu
gering anzuschlagen. Damals hatte man es aber noch nicht erkannt, und es
gehörte allerdings Muth dazu, der Revolution offen den Fehdehandschuh hinzu¬
werfen. Auch ist die Energie anzuerkennen, mit der vom Ministerium des In¬
nern aus alle Bewegungen, die aus der Steuerverweigerung entsprangen, und die
namentlich bei der Unzuverlässigkeit mancher Beamten zu bedenklichen Folgen füh¬
ren konnten, im Keim erstickt wurden.

Allein das Verhalten de? Ministeriums bot in anderer Hinsicht ein wichtiges
Bedenken.

Die Negierung ging nicht von einer geschlossenen Partei, nicht von einer gro¬
ßen Ueberzeugung aus, welche sie der Revolution entgegensetzen konnte. Die
Uebergriffe der Democratie hatten die bisher verfeindeten Altliberalen und Altcon-
servativen in dem allgemeinen Gedanken der constitutionellen Monarchie vereinigt.
Die liberalen Ministerien waren gefallen, weil sie über die eigentlichen Staats,
Mittel, das Heer und die Verwaltung, nicht selbstständig disponiren konnten. , Ein
tteupreußisches Ministerium hätte das Beamtenthum ebenso gegen sich gehabt wie
die Liberalen und die Democraten. Farblos, wie das Cadin^et Brandenburg aus¬
sah, entsprach es zunächst seinem Zweck, die augenblickliche Verwirrung aufzuhe¬
ben, und, mit der Unterstützung aller conservativen Elemente, den Staat wieder
in seine Fugen einzurenken. Damals dachte man sanguinisch genng, das Ministe¬
rium werde uach Erfüllung seiner Mission zurücktreten und einem andern von
bestimmter Färbung Platz machen. Selbst die Deputation der Nationalversamm¬
lung, die sich, freilich ohne irgend eine legale Befugniß, helfend und warnend in
die preußische Krisis einließ, beruhigte sich bei diesem Gedanken. Man vergaß,
daß der Sieger in einem gefährlichenKampsnicht leicht die Waffen aus den Händen gibt.


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[0464] den Vertretern der Krone zweierlei zu finden: aufopfernde Treue, mit Muth und Energie verknüpft, und die geschäftliche Sicherheit, welche über den nothwendiger¬ weise eintretenden Verwirrungen den Faden der Verwaltung nicht aus deu Hän¬ den verlor. Bloße Treubündler hätten nicht genügt. Beides zusammen zu finden, war nicht leicht, seitdem Männer, wie der alte Pfuel, selbst Mcding, sich von den neuen Ideen hatten inficiren lassen, seitdem selbst die übrigen Mitglieder des Pfuel'schen Kabinets nicht die Energie gezeigt hatten, welche allein in einer Krisis die Möglichkeit des Gelingens gibt. Es war daher ein großer Gewinn für die Krone, daß mau i» den Departementschefs des Innern und des Cultus zwei Männer fand, durch deren administrative Geschicklichkeit das militärische Regiment, das nun an die Reihe kam, ergänzt werden konnte. Die Brandenburg, Strotha, Wrangel gaben den eigentlichen Inhalt des neuen Preußen, die Form mußte Manteuffel finden. Man ist jetzt, seitdem man hinter die Hohlheit der democratischen Demonstra¬ tionen gekommen ist, allzu geneigt, den Entschluß des Novemberministeriums zu gering anzuschlagen. Damals hatte man es aber noch nicht erkannt, und es gehörte allerdings Muth dazu, der Revolution offen den Fehdehandschuh hinzu¬ werfen. Auch ist die Energie anzuerkennen, mit der vom Ministerium des In¬ nern aus alle Bewegungen, die aus der Steuerverweigerung entsprangen, und die namentlich bei der Unzuverlässigkeit mancher Beamten zu bedenklichen Folgen füh¬ ren konnten, im Keim erstickt wurden. Allein das Verhalten de? Ministeriums bot in anderer Hinsicht ein wichtiges Bedenken. Die Negierung ging nicht von einer geschlossenen Partei, nicht von einer gro¬ ßen Ueberzeugung aus, welche sie der Revolution entgegensetzen konnte. Die Uebergriffe der Democratie hatten die bisher verfeindeten Altliberalen und Altcon- servativen in dem allgemeinen Gedanken der constitutionellen Monarchie vereinigt. Die liberalen Ministerien waren gefallen, weil sie über die eigentlichen Staats, Mittel, das Heer und die Verwaltung, nicht selbstständig disponiren konnten. , Ein tteupreußisches Ministerium hätte das Beamtenthum ebenso gegen sich gehabt wie die Liberalen und die Democraten. Farblos, wie das Cadin^et Brandenburg aus¬ sah, entsprach es zunächst seinem Zweck, die augenblickliche Verwirrung aufzuhe¬ ben, und, mit der Unterstützung aller conservativen Elemente, den Staat wieder in seine Fugen einzurenken. Damals dachte man sanguinisch genng, das Ministe¬ rium werde uach Erfüllung seiner Mission zurücktreten und einem andern von bestimmter Färbung Platz machen. Selbst die Deputation der Nationalversamm¬ lung, die sich, freilich ohne irgend eine legale Befugniß, helfend und warnend in die preußische Krisis einließ, beruhigte sich bei diesem Gedanken. Man vergaß, daß der Sieger in einem gefährlichenKampsnicht leicht die Waffen aus den Händen gibt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/464>, abgerufen am 23.06.2024.